Causa Gemeindezentrum

Das ungeliebte Kind von Lech wird nun Wirklichkeit

Vorarlberg
19.02.2021 08:39

Wer sich dieser Tage mit demokratiepolitischen Schieflagen konfrontieren will, wird in der Arlberggemeinde Lech bestens bedient. Die Kommune muss nun ein überdimensioniertes Gemeindezentrum bauen, das die Mehrheit gar nicht mehr will. Die erst im September 2020 gewählte Gemeindevertretung fühlt sich in einem Korsett gefangen, das Alt-Bürgermeister Muxel geschnürt hat.

Es ist ein Drama in Etappen, das die Gemeinde Lech noch viele Jahre fest im Griff, wenn nicht sogar im Würgegriff haben wird - die Pläne zum Bau eines Gemeindezentrums. Seit der Sitzung der Gemeindevertretung am vergangenen Mittwoch ist fix, dass der zweiteilige Gebäudekomplex kommt - mit geschätzten Kosten von rund 43 Millionen Euro. Geld, das die Kommune nicht hat.

Der Schuldenberg, der durch das Mega-Projekt entstehen wird, könnte bald der Valluga als höchsten Gipfel des Arlbergs den Rang ablaufen. In Zeiten von Corona-bedingten touristischen Totalausfällen wird dieser Gipfel schwer zu erklimmen sein. Da helfen selbst erhöhte Tourismusbeiträge und Gästetaxen herzlich wenig.

Das große Scheitern
Im vergangenen Jahr hat sich der Widerstand gegen das Mammutprojekt signifikant gesteigert. Das Gemeindezentrum sahen viele nur noch als größenwahnsinnigen Auswuchs von Langzeitbürgermeister Ludwig Muxel (Liste Lech). Als dann noch bekannt wurde, dass man der Luxus-Kaufhaus-Kette KaDeWe den roten Teppich ausrollen und dem Unternehmen riesige Gewerbeflächen in dem Neubau zur Verfügung stellen wollte, war das Maß voll. Muxel wurde im September abgewählt. Nicht aber, ohne vorher noch schnell die Verträge mit den Hochbaufirmen zu unterzeichnen.

Muxels Nachfolger Stefan Jochum, der das Projekt ursprünglich stoppen und komplett neu evaluieren wollte, musste einsehen, dass sein Vorgänger Nägel mit Köpfen gemacht hatte. Nägel, die zum Sarg von Jochums Plänen wurden, denn schnell zeichnete sich ab, dass es gar nicht so einfach ist, aus bereits bestehenden Verträgen wieder auszusteigen, ohne herbe finanzielle Verluste einzufahren.

Fakt ist, dass von den 43 Millionen Euro Baukosten bereits ein Drittel ausgegeben wurde, wie Stefan Jochum am Donnerstag auf „Krone“-Nachfrage berichtete. Auch deshalb sei eine Neuausschreibung des Projekts schwer argumentierbar. Hinzu kommen könnten etwaige Vertragspönalen und der eine oder andere Rechtsstreit. Ein Risiko, das Jochum nicht eingehen will: „Das günstigste Ausstiegsszenario liegt bei acht Millionen Euro, sagen die Experten. Und dann müssten wir noch ein neues Projekt bezahlen, das geht einfach nicht, das wäre fahrlässig.“

Wer stützt wen?
Fakt ist aber auch, dass die Gemeinde unter Bürgermeister Muxel offensichtlich alles getan hat, um es Lech nahezu unmöglich zu machen, das Projekt noch einmal zu überdenken. „Es stimmt, die abgeschlossenen Verträge sind so gestaltet, dass Ausstiegsszenarien für die Gemeinde sehr schwierig sind, aber das können wir nicht ändern“, erläutert Jochum, der wie die meisten Gemeindevertreter unter Muxel keine Einsicht in die Verträge erhalten hat. Und so wird das Gemeindezentrum nun gebaut werden.

Einziger Silberstreif am Horizont: Ein neu gegründeter Ausschuss soll mit Architekten und Generalplanern verhandeln, ob das Projekt nicht noch etwas verkleinert werden könnte. Laut Vergaberecht gibt es dafür aber nur einen maximalen Spielraum von 15 Prozent. Alles, was darüber hinaus vom Ursprungsplan abweicht, verlangt eine Neuausschreibung. Ob sich aber ausgerechnet jene, die an dem Projekt verdienen, zu einer Reduktion bereit erklären, ist wohl fraglich.

Unmut in Lech ungebrochen
Die Kritik an dem urbanen Bau mitten im Dorf reißt unterdessen nicht ab. Viele Lecher erzählen sich, dass die externen Berater der Gemeinde alles andere als objektiv agieren. Auch die Verschleierungstaktik der Liste Lech sorgt seit vielen Monaten für Unmut. Gerold Schneider, Betreiber des „Almhof Schneider“, überlegt sich sogar, Klage einzureichen. Er verdächtigt den Beraterstab, die Gemeindevertretung bewusst falsch informiert zu haben und das auch weiterhin zu tun. Mit seinen Zweifeln an den Berechnungen der Experten ist er nicht allein.

Gleich, welche Variante des Projekts tatsächlich realisiert wird, eine große Hypothek für die Kommune scheint es schon jetzt zu sein. 

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