Während Dänemark alle Heimbewohner durchgeimpft hat, diskutiert Österreich noch. Das wirke sich auch auf die Impfbereitschaft beim Pflegepersonal in den Heimen aus.
Nach massiver öffentlicher Kritik wurde der für 12. Jänner geplante Impfstart vorgezogen - ein Schritt, der aber wohl hauptsächlich mediale Wirkung zeigte. In den Heimen ändere sich dadurch nämlich wenig, sagt Elisabeth Potzmann, Präsidentin des Österreichischen Gesundheits- und Krankenpflegeverbands (ÖGKV). Denn das Vorziehen sei eine Option - keine Verpflichtung, und da die Impfstoffbestellung erst seit 5. Jänner möglich ist, sei ein sehr viel früherer Start ohnehin unmöglich. Die Auswirkung sei also überschaubar - und doch: Jeder Tag zählt, denn die Sterblichkeit in den Heimen ist bekanntlich drastisch, Schutzmaßnahmen haben nur bedingt gegriffen.
106.680 Bestellungen für Impfdosen liegen vor
Nun soll es also schnell(er) gehen. Bis Sonntagabend werden 30.000 Impfungen durchgeführt sein, informiert das Gesundheitsministerium, am Montag sollen 34.535 Dosen ausgeliefert sein. Insgesamt liegen laut Ministerium Bestellungen für 106.680 Dosen vor, „und stündlich werden es mehr“. Für die Mitarbeiter in den Alten- und Pflegeheimen ist das ein enormer logistischer und organisatorischer Aufwand - der auf eine dünne Personaldecke und die ohnehin arbeitsintensiven Corona-Maßnahmen trifft. Denn viele Bewohner sind in ihrer Mobilität eingeschränkt, dement oder nicht urteilsfähig. Der Impfstoff muss bestellt, gelagert, verimpft - und all das dokumentiert werden.
Ausreichend Information zur Vorbereitung auf die Situation habe es nicht gegeben: „Die Pflegenden wurden in keine Prozesse miteinbezogen“, kritisiert Potzmann - ein Fakt, der ihrer Meinung nach auch zur geringen Impfbereitschaft des Personals beigetragen habe.
Viele Pflegende haben bisher alles mitgetragen und erwarten nun, dass man auf sie zugeht. Das ist eine berechtigte Haltung – nicht immer nur auf Zuruf aus der Ferne reagieren zu wollen.
Elisabeth Potzmann, Präsidentin des Österreichischen Gesundheits- und Krankenpflegeverbands (ÖGKV)
„Manche gehen jetzt ein bisschen in Widerstand“
Zudem ändere sich für die Pflegekräfte direkt nach der Impfung erst mal wenig: „Da nicht klar ist, ob eine Übertragung verhindert werden kann, muss Schutzkleidung und Maske weiter getragen werden“, erklärt Potzmann. Hier hätte es Vorteile für das Personal gebraucht, ist sich die Präsidentin des ÖKGV sicher - denn: Viele seien müde, und „es gibt auch jene, die jetzt ein bisschen in den Widerstand gehen. Die bisher alles mitgetragen haben und nun an die Grenzen kommen.“
Einer der Vorteile könnte der Wegfall des wöchentlichen Testens für Geimpfte sein, das werde gerade verhandelt, erklärt Potzmann. Am Montag gibt es zudem eine erste Videokonferenz, in der die Betroffenen Fragen stellen können. „Das ist zwar sehr zögerlich und spät, aber es macht wenig Sinn, jetzt über verschüttete Milch zu sprechen“, sagt Potzmann, denn „jetzt müssen wir schauen, dass wir die Situation retten können“.
Gelingt das, ist Potzmann zuversichtlich, dass bis in den Frühling eine Durchimpfungsrate des Personals von 60 Prozent erreicht werden kann. Bei den Bewohnern sei die Bereitschaft zum Glück höher: „Ich höre von Häusern, in denen sich 90% impfen lassen wollen“.
„Nur auf die Spitäler zu schauen, kann fatal sein“
Prof. Erich Neuwirth kritisiert unzureichende Maßnahmen gegen die hohe Sterblichkeit vor allem in den österreichischen Pflegeheimen. Mit wenig Optimismus registriert der Statistikprofessor im Ruhestand die aktuellen Covid-19-Daten.
So sei die Sieben-Tages-Inzidenz zuletzt wieder gestiegen. Besorgt ist der Mathematiker und Vorstandsmitglied der Österreichischen Computer Gesellschaft vor allem über die hohe Sterblichkeit, die zuletzt wieder dreistellig war. Nur die Auslastung der Spitäler im Auge zu haben sei die falsche Gewichtung. Man hätte auch die Altenheime besser schützen müssen. Unzufrieden ist er auch mit der Informationspolitik der Regierung und der nach wie vor „verbesserungsfähigen“ Datenqualität.
Und als „völlig verkorkst“ bezeichnet Neuwirth die Informationspolitik der Regierung rund um die Impfstrategie. Diese würde in der Bevölkerung Verunsicherung auslösen, anstatt Vertrauen zu stärken und die Motivation, sich impfen zu lassen, zu heben. In Österreich sei kaum erkennbar, wie die aktuelle Datenlage in die politischen Maßnahmen einfließt. Sämtliche Daten - also der AGES, des Gesundheits- und Innenministeriums - sollten von der Statistik Austria zentral konsolidiert, aufbereitet und kommuniziert werden. Dies würde Transparenz und Klarheit schaffen.
Kronen Zeitung
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