„Krone“-Kommentar

A’ Überdosis G’fühl

Österreich
10.01.2021 06:00

Mörderische Sommer forderten ihre Opfer: 1500 Kinder starben in Österreich qualvoll, 13.000 Jugendliche überlebten mit bleibenden Schäden. In den Ferien explodierte die Zahl der Ansteckungen.

Polio. Kinderlähmung. Die Angst ging um zwischen 1946 und 1961. Und bald kannte jeder in meinem Gymnasium jemand, der sich mit verkrüppelten Beinen heimschleppen musste. Jonas Salk und Albert Sabin gelang der Durchbruch. Die ersehnte Impfung und das Zuckerstück, auf das der Schularzt ein paar Tropfen träufelte: Lebendvakzine, funktionsfähige Keime.

Sechs Jahrzehnte später lähmt ein neues Virus die ganze Welt und Ratlosigkeit versteckt sich hinter Fremdworten: Inzidenz. Social Distancing. Triage. Contact Tracing. Cluster. Zusammenhalt in der Krise? Menschliche Abgründe tun sich auf, alle gegen den jungen Kanzler und seine hohen Beliebtheitswerte: Im Parlament, in Giftküchen der asozialen Medien. Jeder Stich wird zum Politikum: Hasstiraden setzt es gegen jene, die schon eine Impfung erhalten konnten. Impfpflicht? Die Diskussion war gestern. Yossi Cohen, Chef des Geheimdienstes Mossad, sicherte für Israel den begehrten Pfizer-Stoff. Zu einem hohen Preis und genügend, um die neun Millionen Einwohner zweimal zu immunisieren.

Die EU schaute plötzlich auf die Kosten und bekam daher auch weniger. In Österreich muss Sebastian Kurz mit aller Macht seines Amtes durchgreifen, um Zehntausende schon gelagerte Impfdosen aus den Kühlschränken der Pharma-Lager zu mobilisieren. Denn Bürokraten wollten allen Ernstes nach Fahrplan piksen lassen.

Nach dem Wochenende ...
Zu gleicher Zeit bekommen Österreicher über 65 amtliche Post. Je zehn Gesichtsmasken: Die Aktion verschlingt 24 Millionen Euro und findet ein Jahr nach Ausbruch der Pandemie statt. Sind wir alle, die wir - egal, welcher Generation angehörend - beim Apotheker ohne Murren und Zögern 6,50 Euro Rezeptgebühr pro Medikament zahlen, nicht verletzlich? Also vulnerabel, wie die neu entdeckte Bezeichnung lautet. In der Theologie steht der Begriff für das Wagnis der Verwundbarkeit, aus der eine Macht wächst, die Leben stiftet, beflügelt und inspiriert. Ich lasse mich impfen. Her mit der lebensrettenden Dosis!

Ich möchte wieder meine Enkelkinder herzen, den von Kay Voges inszenierten „Theatermacher“ im Volkstheater sehen, Kunst in der neuen Albertina Modern betrachten und mit dem Jeannée ein Achterl im Wiener Schwarzen Kameel genießen.

Ich will - wie die Band STS in ihrem Erfolgshit singt - einfach wieder „A’ Überdosis G’fühl“.

Hans-Peter Hasenöhrl

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