Euro-Stabilitätspakt

Merkel und Sarkozy provozieren Mega-Krach bei EU-Gipfel

Ausland
28.10.2010 17:25
Es ist der entscheidende EU-Gipfel zur Stabilisierung des wackligen Euro - und doch droht nach einem Mega-Krach das Scheitern. Weil Angela Merkel und Nicolas Sarkozy ihren gemeinsamen - recht harten - Plan zum Umgang mit Defizitsündern mit aller Macht durchdrücken wollen, fühlen sich die anderen Staaten provoziert. Sie wollen gegen das deutsch-französische Duo Sturm laufen.

Nichts anderes als eine Revolution ist das, was Merkel und Sarkozy ihren Kollegen am Donnerstag zum Start des EU-Gipfels aufgetischt haben. Jenen Staaten, die gegen die Defizit- oder Schuldengrenzen des Euro-Paktes verstoßen, soll das Stimmrecht in der EU zeitweilig entzogen werden. Im Klartext: Diese Staaten dürften dann weiter zahlen, hätten aber nichts mehr zu melden. Vor allem wäre für einen derartigen Einschnitt ins Konstrukt eine Änderung des EU-Vertrags nötig. Und das bedeutet jahrelange Debatten in den nationalen Parlamenten und mancherorts auch Volksabstimmungen.

Wenig verwunderlich, dass die übrigen EU-Staaten und hochrangige Funktionäre gegen den Plan Sturm laufen. Noch kurz vor Beginn des Gipfels der Staats- und Regierungschefs, der noch bis zum Freitag dauert, hatte Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso einen Stimmrechtsentzug für Defizitsünder ausgeschlossen: "Ich denke, wir sollten das Verfahren nicht vor die Substanz stellen. Wenn eine Änderung des Vertrags bedeutet, dass Stimmrechte beschnitten werden, ist das nicht akzeptabel und, ganz offen gesagt, auch nicht realistisch." Außerdem würde eine derartige Forderung wegen notwendiger Einstimmigkeit "niemals durch die Mitgliedstaaten getragen".

Reding: "Absolut verantwortungslos"
Weniger diplomatisch gab sich Barrosos Stellvertreterin, EU-Justizkommissarin Viviane Reding: "Mit neuen Verträgen zu kommen, scheint mir absolut verantwortungslos", schimpfte sie in der Zeitung "Die Welt" und teilte dann noch persönlich gegen Sarkozy und Merkel aus: "Haben die beiden denn nicht verstanden, dass wir zehn Jahre gebraucht haben, um den Vertrag von Lissabon unter Dach und Fach zu bringen? Und dass dieser Vertrag genug Elemente besitzt, um Rettungsmaßnahmen abzusichern?"

Am Donnerstag legte sie noch einmal nach: Die Pläne seien "selbstmörderisch". Deutschland und Frankreich fügten der Europäischen Union schweren Schaden zu, betonte Reding in einem Interview mit der spanischen Zeitung "El Mundo".

Auch Luxemburgs Premierminister Jean-Claude Juncker, Chef der Euro-Gruppe, ist ganz entschieden gegen die Aussetzung des Stimmrechts. Ein solcher Entzug ist im EU-Vertrag bisher lediglich für Staaten vorgesehen, die "schwerwiegend und anhaltend" gegen Grundwerte wie Demokratie, Menschenrechte und Rechtstaatlichkeit verstoßen. Dies könne "nicht auf eine Ebene" mit Verstößen gegen den Stabilitätspakt gebracht werden. Zum deutsch-französischen Verlangen sagte er: "Das ist eine Idee, die man nicht weiter verfolgen sollte."

Spanien und Großbritannien wehren sich
Bereits beim Außenministertreffen am Montag in Luxemburg hatten sich Spanien und mehrere andere Länder gegen den Merkel-Sarkozy-Pakt gewehrt. Die neue spanische Außenministerin Trinidad Jimenez sagte: "Wir glauben nicht, dass es nötig ist, eine institutionelle Debatte über die Reformen zu beginnen." Sie erinnerte daran, dass sich die EU immer noch in einer wirtschaftlichen und finanziellen Krise befinde. Der britische Außenminister William Hague bekräftigte, sein Land werde keinem weiteren "Machttransfer" an die EU zustimmen. In Großbritannien ist für eine Vertragsänderung ein Referendum nötig.

Tschechiens Ressortchef Karel Schwarzenberg sagte auf die Frage, ob er eine Vertragsänderung für möglich halte: "Möglich ist alles auf der Welt - aber wahrscheinlich ist es nicht." Tschechien hatte 2009 mit großen Mühen als letztes Land den Lissabon-Vertrag ratifiziert.

Zeigt Österreich den Weg zum Kompromiss auf?
Droht den ehrgeizigen Zielen der EU also ein Scheitern? Wird der Euro-Pakt windelweich bleiben und werden schlampige Regierungen damit weiter zum Schuldenmachen eingeladen?

Österreichs Außenminister Michael Spindelegger (ÖVP) geht ohnehin nicht davon aus, dass es am EU-Gipfel schon zu einer klaren Entscheidung kommen wird. Immerhin hat er aber eine Idee für einen Kompromiss, der das Gipfel-Fiasko letztlich verhindern könnte. Einige Neuregelungen und Sanktionen könne man auch ohne Vertragsänderungen abwickeln. "Das müssen wir uns näher anschauen", so der Außenminister. "Es gibt auch Wege, wie man etwas Ähnliches erreichen kann, ohne dass man diese formellen Schritte tatsächlich setzt." Dazu brauche es noch einige Diskussion, bis man damit weiterkomme.

Ein Kompromiss könnte etwa so aussehen, dass die Euro-Länder ermächtigt werden, solche Mechanismen auszuarbeiten. Der Rat sollte sich diesbezüglich nicht vor einer offenen Diskussion scheuen, ohne dass man gleich einen konkreten Textvorschlag präsentieren müsse. Man könnte ein einfaches Vertragsveränderungsverfahren ohne Riesendiskussion bewerkstelligen. Zwischen diesen beiden Extremen werde sich die Diskussion bewegen, es sei aber noch nicht klar, in welche Richtung es gehen werde.

Hoffnungsschimmer für "Insolvenzverfahren" für Staaten
Immerhin ein anderer Plan von Merkel und Sarkozy könnte auf dem Gipfel aber Gefallen finden. Eine Art "Insolvenzverfahren" für Staaten, die sich überschuldet haben. Auch Banken und andere private Gläubiger sollen dann zur Rettung beitragen, indem sie teilweise auf Forderungen verzichten. Juncker sagte, er sei "prinzipiell dafür", dass auch der private Sektor einschließlich der Finanzinstitute an einem Insolvenz-Mechanismus für Euro-Staaten beteiligt werden. Er soll an die Stelle des im Frühjahr beschlossenen und bis 2013 befristeten Rettungsschirms in Höhe von 750 Milliarden Euro treten.

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