„Krone“-Interview

DJ Krush: Der filigrane Würstler des DJ-Universums

Musik
14.04.2020 06:00

Die letzten fünf Shows in Europa musste er wegen des Coronavirus absagen, für eine wundervolle Show im Wiener WUK ging es sich mit dem japanischen Kult-DJ Krush, der mit „Trickster“ soeben ein neues Album veröffentlicht hat, aber glücklicherweise noch aus. Kurz vor Beginn der Corona-Pandemie trafen wir uns vor dem Gig backstage mit Schutzmasken zum Gedankenaustausch - übersetzt von Manuel Yuuki Kaneko.

(Bild: kmm)

„Krone“:DJ Krush, es ist bekannt, dass du gerne auf Tour bist und verschiedene Länder besuchst. Was ist das Besondere an deiner Musik? Weshalb fasziniert sie dich noch immer ungebrochen und weshalb suchst du - als Pionier unterschiedlicher Substile - stets nach etwas Neuem in deiner Musik?
DJ Krush:
Für mich ist das jedes Mal ein nach etwas Greifen. Immer wenn ich glaube, ich habe etwas erfasst, ist es auch gleich wieder weg. Das Musikmachen ist ein kontinuierlicher Prozess, der eigentlich nie endet.

Versuchst du aktuelle Trends und Strömungen bewusst außen vor zu lassen wenn du komponierst und an neuen Tracks schraubst?
Ich bin eher jemand, der weniger auf neue Trends und den Mainstream achtet. Das, was ich gut finde, das überzeugt mich und das ist für mich generell Undergroundmusik.

Du hast immer schon Musikstile wie Jazz und Soul und in dein DJing eingebaut. Ist es dir wichtig, die Zeitlosigkeit solcher Evergreens mit dem modernen, zeitgemäßen Touch der Elektronik zu verbinden?
Früher war es vielleicht ein Anliegen, Jazz und Soul in die Musik einzubringen, aber heute will ich einfach meine Musikwelt vermitteln. Dazu gehören natürlich auch solche Elemente, aber es geht weniger um die Genres an sich, sondern mehr darum, dass ich meine eigene DJ-Krush-Welt nach außen trage.

Was macht denn die musikalische Welt von DJ Krush aus? Wodurch bist do so originär und unvergleichbar?
Das ist sehr schwer in Worte zu fassen. Deshalb kommuniziere ich aber auch über die Musik. Wichtig ist, mir selbst gegenüber ehrlich zu sein und meine eigene Welt zu suchen. Am einfachsten ist es, meine Musik zu hören. Da kann man mich am besten erfassen. Ich erkläre das mit einer Metapher. Wenn man das auf die kulinarische Ebene hebt, bin ich eher ein Würstelstand, als ein 5-Sterne-Restaurant. Ich bin eher die „Street-Art“ und nicht jemand, der mit fetten Geldscheinen am Strand sitzt und die Frauen beeindruckt. Ich schaue lieber aus dem Untergrund aus dem Gully raus und betrachte von dort die Welt.

Ende 1991/Anfang 1992 wurde aus der Krush Posse eine Solokarriere. Du hattest anfangs sicher bestimmte Ziele, die deine Karriere geleitet haben. Inwiefern haben sich diese Ziele oder Karrierevorstellungen in den letzten knapp 30 Jahren verändert?
Bevor ich Solokünstler war, ging es um das gemeinsame Kunstwerk. Es gab die MCs und ich war eben der DJ, der die MCs in den Vordergrund gespielt hat. Seitdem ich alleine bin, geht es eher darum, meine eigene Vision zu verwirklichen. Ich betrachte mich selbst, setze mich mit mir auseinander und das ist ein ständiger Prozess, der niemals endet. Stell dir vor, wir haben einen riesengroßen Swimming Pool und die Musik zu kreieren bedeutet, diesen Pool zu bauen. Ich habe das Wasser also früher so gelegt, dass die Rapper darin gut schwimmen konnten. Jetzt ist es so, dass ich mir den Pool so baue, dass ich selber darin schwimmen kann.

Du hast in der Vergangenheit mit großen Künstlern wie Mos Def, DJ Shadow oder Guru von Gang Starr gearbeitet. War das immer ein gegenseitiges, kreatives Befruchten und gab es auch eine spezielle Kooperation, die dir besonders nachhaltig in Erinnerung geblieben ist?
Zwischen diesen vielen Rappern gab es auch die Kollaboration mit DJ Shadow, der ebenfalls meine Profession ausführt. Es war damals in New York etwas ganz Eigenes. Wir haben nicht einmal miteinander reden müssen, sondern nur über die Musik kommuniziert. Wir saßen zusammen im Studio und haben einfach gemacht. Ich habe damals den Track „Duality“ mit DJ Shadow gemacht, das war etwas ganz Besonderes für mich.

Gab es damals einen Wettbewerbsgedanken, wer denn nun der bessere ist, oder ging es da eher um die gemeinschaftliche Verwirklichung eines neuen, noch nie dagewesenen Sounds?
Wettbewerb gab es in dem Sinn keinen, es war eher ein gemeinsames Schaffen. Wir hatten quasi beide einen Pinsel in der Hand und haben uns die leere Leinwand angesehen und überlegt, wie wir sie ausmalen könnten. Wo könnte man noch etwas Farbe dazugeben? Wo fehlt etwas?

Du kreierst Musik, in der die Menschen auf der Tanzfläche oder in den Konzerthallen zerfließen können. Was fühlst du eigentlich selbst, wenn du am DJ-Pult stehst und siehst, wie deine Tracks ankommen?
Wenn ich auf der Bühne performe, dann bin ich voll auf mein Set konzentriert. Es geht mir darum, meinen Groove und meinen Farbklang zu verwirklichen. Das versuche ich dann dem Publikum so gut und so global wie möglich zu vermitteln. Was mich immer noch beschäftigt ist die Tatsache, dass wir Menschen überall auf der Welt Ähnliches empfinden. Wir sind anders aufgewachsen, aus anderen Welten und haben andere Werte mitbekommen, aber die Musik verbindet uns. Mich interessiert dann immer, was die Menschen in meiner Musik empfinden.

Hast du auch selbst von den vielen Städten und Ländern, die du über all die Jahre bereist hast, etwas mitgenommen, das sich am Ende in deinem Sound auswirkt?
Es stimmt, dass ich viel herumkomme und es war in der Vergangenheit auch leider so, dass ich schlimme Dinge erlebt habe. Ich war etwa gerade in Belgien, als dort Bomben hochgingen und ich war 2001 einige Tage vor 9/11 in New York und habe dort noch Fotos vom World Trade Center gemacht. 2011 ging es heim nach Japan, wo ich die Katastrophe von Fukushima miterlebt habe. Jetzt haben wir das Coronavirus. Ich glaube schon, dass all das einen Einfluss auf meine Musik hat.

Was denkst du als jemand, der seine Profession mit Talent und Hingabe ausführt, über die so populären, gefeierten und auch reichen EDM-Künstler, die im Endeffekt nur mehr den USB-Stick anstecken und das DJing an sich ad absurdum führen?
Das ist nicht meine Musik, aber es ist ein Fakt, dass es viele Leute gibt, denen dieser Sound Kraft gibt. Ich kritisiere und kommentiere das nicht. Es ist gut, dass Leute dadurch mehr von der elektronischen Szene mitbekommen. Ich sage ja auch meinen eigenen Kindern nicht, dass sie Hip-Hop hören müssen. Sie sollen einfach ihre eigene Musik entdecken, da muss ich nicht reinpfuschen.

Ist man als DJ Krush eigentlich automatisch ein cooler Vater für die Kinder?
Wenn ich nach Hause komme, bin ich ein ganz normaler Vater. Ich glaube nicht, dass ich da sonderlich cool für die Kids bin. (lacht)

Welche Musik hörst du privat selbst? Was treibt oder spornt dich an?
Ich höre grundsätzlich gar nicht so viel Musik und komme auch nicht dazu. Wenn ich etwas gut finde, muss ich sofort stoppen und mich selbst an die Arbeit machen. Ich höre sonst ein bisschen Reggae und auch Oldies - wenn ich Zeit dafür habe. Wenn man in meinem Alter ist, ist es auch wichtig, die Ohren mal zur Ruhe zu bringen. Diese Zeit ist relativ begrenzt, weil ich ständig von Musik umgeben bin. So achte ich oft bewusst darauf, in meiner Freizeit einfach Ruhe zu haben. Gerade weil ich mich immer ernsthaft mit Musik befassen muss und sofort daran denke, wie Musik entsteht oder produziert wird, versuche ich privat möglichst keine Musik zu hören.

Siehst du dich in gewisser Weise auch als Botschafter der japanischen Kultur? Dass du nicht nur deine Musik, sondern noch viel mehr durch die ganze Welt trägst?
Es ist vielleicht etwas überheblich zu sagen, ich möchte die japanische Kultur vermitteln. Es ist ein ständiges Auseinandersetzen mit mir selbst und ich möchte eher meine persönliche Welt vermitteln. Darum geht es mir primär. Wenn im Zuge dessen ein Stück japanischer Kultur mitschwingt und das bei den Leuten ankommt, ist das gut, aber ich mache das nicht bewusst.

Gibt es einen bestimmten Künstler, eine Band oder irgendeine Person, mit der du unbedingt noch zusammenarbeiten willst?
Es gibt zur Zeit eine japanische Rap-Crew namens Basica, die mich total fasziniert. Es wäre toll, mit denen etwas auf die Beine zu stellen. Das ist japanischer Underground, der mich wirklich gut gefällt.

Gedolmetscht wurde das Interview dankenswerter Weise von Manuel Yuuki Kaneko

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