Macht korrumpiert

Gierig, maßlos, abgestürzt: Ein Sittenbild

Österreich
13.10.2019 15:30

„Auf seinem eigenen Misthaufen ist der Hahn der Mächtigste“, schrieb Seneca. Wenn jener aber zu übermütig kräht, steckt man ihn in den Suppentopf. Gib jemandem Macht, und du erkennst seinen Charakter. Dies zeigte sich zuletzt bei einem politisch hingeschiedenen Häuptling samt tierliebender Gemahlin.

Ein konservativer Politiker, eine Luxusjacht, berückende Frauen, Kokain, Korruption - auf Fotos und Videos festgehalten und im Internet anonym verbreitet. Pfui.

„Gib jemandem Macht, und du erkennst seinen Charakter“
Nicht, was Sie jetzt denken! Es ist keine Fortsetzung der unseligen Geschichte, die unlängst den Ruin eines bis dahin bejubelten österreichischen Parteiführers besiegelte. Held wider Willen ist der einstige Olympionike Zsolt Borkai, Bürgermeister der ungarischen Stadt Györ. Borkai will wiedergewählt werden, mit dem Slogan „Familienvater. Olympionike. Stadtoberhaupt“.

Daraus wird wohl nichts, angesichts der Empfindlichkeit der Bürger im Umgang gewählter Mandatare mit dem Gerstl aus der Gemeindekasse. „Auf seinem eigenen Misthaufen ist der Hahn der Mächtigste“, schrieb Seneca. Wenn jener aber zu übermütig kräht, steckt man ihn in den Suppentopf. Ich beginne deswegen mit einem Beispiel aus dem Ausland, weil mich die in Österreich übliche Sitte, sich genüsslich ins eigene Nest zu erleichtern, abstößt.

Das chinesische Sprichwort: „Gib jemandem Macht, und du erkennst seinen Charakter“ führt uns leider auch hierorts auf die richtige Spur. Als Nicht-Parteimitglied hat man zwar keinen Anspruch, sich über einen eben zurückgetretenen Bundesgeschäftsführer aufzupudeln, der sein persönliches Inventar, liebevoll auf die Patek-Philippe-Uhr (Preis: schlanke € 52.500) blickend, mit dem Porsche abholt.

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Ich erwäge, mich um die Nachfolge als Tierschutzbeauftragter zu bewerben.

Klaus Woltron

Diese von seinen Genossen finanzierten Pretiosen trösten ihn gewiss über eine historische Wahlschlappe hinweg. Ebenso wenig tun mir die strammen Kameraden leid, deren politisch hingeschiedener Häuptling samt tierliebender Gemahlin pro Monat fast den Gegenwert der Uhr seines linken Gegenspielers einstreifte.

Als ob man Durst mit Salzwasser löschen wollte
Wundern freilich darf man sich nicht: Macht korrumpiert eben. Hoffentlich verfällt nicht selbst der als frommer Novize abgehärmte Sebastian Kurz der Hybris der Herrschaft und behängt sich mit goldenen Ketten und Edelsteinen, wie einst die Äbte seligen Angedenkens.

Der Trieb zur Macht und seine üblen Kollateralschäden gleichen einer Sucht - als ob man Durst mit Salzwasser löschen wollte. Je mehr man davon genießt, desto intensiver wird die Gier nach immer mehr. Jeder Mensch hat seine individuelle Flughöhe in der Gesellschaft, die von Anlagen, Ausbildung und Herkunft weitestgehend vorbestimmt ist. Er kennt sie freilich nicht, bevor er nicht einige Male abstürzt und teures Lehrgeld zahlt.

Anmaßung, Gier und Maßlosigkeit sind Begleiterscheinungen des Peter-Prinzips, das da lautet: In einer Hierarchie neigt jeder Beschäftigte dazu, aufzusteigen, bis er die Stufe der Unfähigkeit erreicht hat. Diese kann sich dann auch in einer Art Cäsarenwahn, in Selbstüberschätzung und Amtsmissbrauch äußern. Ein Grazer Bürgermeister prägte im Zusammenhang mit dem seinerzeit amtierenden Kanzler den streitbaren Spruch „Dem ist der Papp ins Hirn gestiegen“. Woraufhin Graz alsbald einen anderen Bürgermeister erhielt.

Ich kenne den gefährlichen Drang zum persönlichen Gepränge aus eigener Erfahrung nur zu gut: Er ist eine typische Untugend vieler Manager im mittleren Alter. Im Rückblick betrachtet, wirkt ein solchermaßen Pfauenräder schlagendes Wesen höchst peinlich. Sogar der davon verbliebene Rest - der Imker - ist nicht ganz frei davon. Das Wachstum begann mit einem Schwarm, den mir mein Großcousin schenkte. Bald kam ein Ableger dazu, dann noch einer.

Angelockt durch die Aussicht auf außergewöhnlich gute Bezahlung
Ich beschloss, mich bescheiden mit 6 Stöcken zu begnügen. Allein - die Verlockung weiterer Schwärme war groß. Die Imkerei wuchs, obgleich ich mich stets zwang, den Wachstumsdrang einzubremsen. Mittlerweile bin ich bei 22 (in Worten: zweiundzwanzig) Stöcken angelangt und fast zu einem Sklaven meiner Immen geworden. Nächstes Jahr werde ich zurückschalten, denn mich bewegen große Pläne. Ich folge zum ersten Mal seit der Blütezeit meiner Jugend, als ich allem damals Modernen begeistert nachlief, wieder dem Zeitgeist. Erstmals bemühe ich mich um ein politisches Amt: die Nachfolge von Frau Philippa Strache als Tierschutzbeauftragter.

Angelockt durch die Aussicht auf außergewöhnlich gute Bezahlung. Bei Bienen und Forellen kenne ich mich bestens aus. Was das Katzengeschlecht und die Hühner anlangt, schließe ich einen Know-how-Vertrag über zehn Jahre mit meiner Tochter ab, Vorauszahlung für die ersten drei Jahre (wer weiß, was in der Politik noch kommt!) eingeschlossen. Was die restlichen Viecher betrifft, beauftrage ich einen internationalen Consultant mit der Erarbeitung eines Gesamtkonzepts.

Dann geht’s wieder bergauf mit der FPÖ.

Klaus Woltron, Wirtschaftsphilosoph, Kronen Zeitung

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