Scharfe Kritik

Gesundheitsreform 2005 laut RH völlig fehlgeschlagen

Österreich
15.04.2010 14:34
In einem aktuellen Bericht kritisiert der Rechnungshof, dass die Gesundheitsreform 2005 zum Großteil noch immer nicht umgesetzt worden ist. Eine österreichweite, integrierte Leistungsangebotsplanung für alle Bereiche der Gesundheitsversorgung wurde demnach bisher nicht realisiert. Zudem fehle eine transparente und umfassende Darstellung der Finanzierung der öffentlichen Spitäler. Die Opposition schießt sich nun auf Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ) ein.

Ziel der RH-Prüfung, durchgeführt von Februar bis Juni 2009, war die Beurteilung der Umsetzung von Teilbereichen der Gesundheitsreform 2005 mit einem Länderschwerpunkt Tirol und Wien. Auch angesehen wurden die Landesgesundheitsfonds von Tirol und Wien – diese wurden ebenso wie die Bundesgesundheitsagentur im Rahmen der Reform eingerichtet. Die Gelder wurden seitdem überwiegend zur Finanzierung der Leistungen der öffentlichen Spitäler verwendet.

Finanzierung der öffentlichen Spitäler intransparent
Die Landesgesundheitsfonds sind dabei unterschiedlich ausgestaltet, wie der RH feststellte: So unterlag der Tiroler Gesundheitsfonds der Aufsicht der Landesregierung, gegenüber dem Wiener Gesundheitsfonds bestand hingegen keine Aufsicht. Auch die Finanzierung erfolgte unterschiedlich - so konnte der Wiener Gesundheitsfonds im Gegensatz zum Tiroler im Wesentlichen nur auf die  Pflichtbeiträge (etwa vom Bund oder den Sozialversicherungsträgern) zurückgreifen. Der RH kritisiert nun, dass entgegen den Reformvereinbarungen von 2005 und auch 2008 die Rechnungsabschlüsse der Krankenanstaltenverbände und der Sozialversicherung in den Landesgesundheitsfonds "weder transparent noch vollständig dargestellt" waren.

Bedenken äußerte der Rechnungshof auch im Zusammenhang mit der "Leistungsorientierten Krankenanstaltenfinanzierung", deren Ziel es war, ein österreichweit einheitliches leistungsorientiertes Vergütungssystem zu entwickeln. Die Länder hatten dabei Gestaltungsspielraum, wodurch die Abrechnungen etwa beim Tiroler und Wiener Gesundheitsfonds unterschiedlich erfolgten. Dementsprechend seien die Abrechnungsergebnisse nicht vergleichbar, lautet die Kritik.

Die Reform sah auch eine österreichweite integrierte Leistungsangebotsplanung vor, die alle Bereiche der Gesundheitsversorgung (stationärer und ambulanter Bereich, Rehabilitation, Nahtstellen zum Pflegebereich) umfassen sollte - dazu gehörten auch die "Regionalen Strukturpläne Gesundheit". Der Rechnungshof stößt sich daran, dass es für diese Pläne keine Vorgaben gegeben habe, was wiederum einen Vergleich zwischen den Ländern erschwere. Anfang 2009 lagen in Tirol und Wien außerdem noch gar keine Regionalen Strukturpläne vor.

Kein konkreter Zeitraum für Einsparungen festgelegt
Wie der RH weiter berichtet, existierte im Gegensatz zur stationären Versorgung für den ambulanten Bereich keine bundesweit einheitliche Diagnosen-und Leistungsdokumentation, was mit der Reform eigentlich geändert hätte werden sollen. Auch Einsparungen und Maßnahmen, um die Effizienz zu steigern, wurden im Zuge der Reform im Ausmaß von 300 Millionen Euro vereinbart, nicht festgelegt wurde aber etwa ein konkreter Zeitraum. Ein entsprechender Evaluierungsbericht, der übrigens rund 13.000 Euro kostete, ist für den RH nicht nachvollziehbar. Dass in den Vereinbarungen 2008 dann überhaupt darauf verzichtet wurde, die Sparziele zu beziffern, beurteilte der RH ebenfalls als nicht wirklich sinnvoll.

Nicht ausreichend genutzt wird dem RH zufolge der sogenannte Reformpool, dessen Ziel es war, medizinische Leistungen aus dem stationären in den ambulanten Bereich bzw. umgekehrt zu verlagern, wenn diese dort kostengünstiger wären. In Wien gab es bis Ende 2008 fünf solcher Projekte, wovon eines beendet wurde, in Tirol gab es drei, wovon bisher keines abgeschlossen wurde.

Angesehen hat sich der RH auch die Verrechnung ausländischer "Gastpatienten", auf die zwischen 2005 und 2007 im Jahresdurchschnitt rund 27.000 stationäre Aufenthalte entfielen. Die Kostenerstattung verläuft mehrstufig, was dazu führte, dass das Geld in diesen Jahren etwa beim Wiener Gesundheitsfonds durchschnittlich erst nach 3,85 Jahren eintraf - der Rechnungshof schätzt, dass durch diese lange Erstattungsdauer allein in Wien Kosten von rund 1,6 Millionen Euro entstanden sind.

FPÖ, Grüne und BZÖ kritisieren Gesundheitsminister
Dass der Rechnungshof Mängel bei der Umsetzung der Gesundheitsreform 2005 festgestellt hat, stellt für die FPÖ ein "schlechtes Zeugnis" für Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ) dar. Der Bericht sei eine "vernichtende Kritik", betonte FPÖ-Gesundheitssprecherin Dagmar Belakowitsch-Jenewein. Sie hält es für "besonders erschreckend", dass nicht einmal die Vorgaben der Gesundheitsreform 2005 umgesetzt seien, gleichzeitig aber "ständig an neuen Ideen gebastelt" werde.

"Mit Recht kritisiert der Rechnungshof die stockende Gesundheitsreform", erklärte der Grüne Gesundheitssprecher Kurt Grünewald. Berichte, Studien und Expertenurteile über Lücken im Gesundheitssystem würden ignoriert. Schwer vergleichbare und lückenhafte Daten erschwerten außerdem eine sachbezogene Politik, die "immer noch überwiegend durch den Kampf von Einzelinteressen und zunehmend kontraproduktive föderale Strukturen beherrscht wird".

Der RH-Bericht zeige einmal mehr, dass Stöger "unfähig ist, eine Gesundheitsreform auch nur in Ansätzen umzusetzen", meinte BZÖ-Gesundheitssprecher Wolfgang Spadiut.

Loading...
00:00 / 00:00
Abspielen
Schließen
Aufklappen
kein Artikelbild
Loading...
Vorige 10 Sekunden
Zum Vorigen Wechseln
Abspielen
Zum Nächsten Wechseln
Nächste 10 Sekunden
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
Loading
Kommentare

Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.

Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.

Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.

Kostenlose Spiele
Vorteilswelt