Doskozil sicher:

„Koalition mit ÖVP einzig realistische Variante“

Österreich
20.06.2019 15:56

Der burgenländische Landeshauptmann und Landes-SPÖ-Chef Hans Peter Doskozil ist der festen Überzeugung, dass die SPÖ nach den vorgezogenen Nationalratswahlen im Herbst wieder einer Regierung angehören sollte: "Die SPÖ ist eine Regierungspartei. Wenn man sozialdemokratische Inhalte umsetzen möchte, dann geht das nur in einer Regierung. Der Preis dafür darf aber nicht zu hoch sein.“ Einzig realistische Variante sei wohl nach den derzeitigen Umfragen eine Koalition mit der ÖVP, so Doskozil.

Kommt es zu Koalitionsverhandlungen so werde der SPÖ auf Bundesebene ein Wertekatalog als Richtschnur dienen, so Doskozil: „Es gibt gewisse Grenzen, die dürfen nicht überschritten werden.“ Eine SPÖ-FPÖ-Koalition im Bund hält Doskozil derzeit für ausgeschlossen. Innerhalb der SPÖ gebe es dafür keine Mehrheit. „Eine Koalition mit der FPÖ sehe ich auf Bundesebene nicht. Das ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich.“

Koalition mit ÖVP „einzig realistische Variante“
Einzig realistische Variante sei wohl nach den derzeitigen Umfragen eine Koalition mit der ÖVP. Dass viele in der SPÖ auch gegenüber ÖVP-Chef Sebastian Kurz massive Vorbehalte haben, dürfe kein Hinderungsgrund für eine türkis-rote Koalition sein, so der ehemalige Verteidigungsminister im Gespräch mit der APA. „Die Zeit vor der Wahl ist eine komplett andere als nach der Wahl und in Zeiten der Koalitionsfrage. Eines darf nie passieren: Es dürfen nicht Beleidigtheiten oder persönliche Eitelkeiten mitspielen und ausschlaggebend dafür sein, ob die Partei eine Koalition eingeht oder nicht. Das ist bei Christian Kern passiert. So wichtig ist niemand an der Parteispitze, dass man sagt, ich kann mit der Person nicht. Diese Eitelkeiten darf es nicht geben. Es muss immer das Parteiinteresse über dem persönlichen Interesse stehen. Es kann für eine Koalitionsbildung kein Faktor sein, ob unser Obmann oder unsere Obfrau einen Kurz-Komplex hat oder nicht. Wie Hans Krankl sagen würde: Das ist primär.“

Christian Kern sollte zur SPÖ „einfach nichts mehr sagen“
Er habe mit Kurz „nie ein Problem“ gehabt. „Politisch sind wir in vielen Fragen unterschiedlicher Meinung. Man muss ja nicht gemeinsam auf Urlaub fahren. Aber ich persönlich würde ihn nicht als Koalitionspartner ausschließen.“ Kritik übt Doskozil an Altkanzler und Ex-SPÖ-Chef Christian Kern, der zuletzt auf Distanz zu seiner Nachfolgerin Pamela Rendi-Wagner gegangen war und mit Blick auf die anstehende Nationalratswahl gemeint hatte, „hoch gewinnt die SPÖ das nimmer“.

Doskozil: „Da sieht man auch die Größe eines Menschen. Ich weiß schon, dass das aus meinem Mund komisch klingen mag, weil ich hab nie ein inniges Verhältnis zu Christian Kern gehabt, aber diese internen Reibereien in der SPÖ sind aus meiner Sicht ab dem Zeitpunkt zutage getreten, wie Christian Kern die Partei übernommen hat und die Ära Faymann mit einem Pfeifkonzert am 1. Mai beendet wurde. Da sind Tabus gebrochen worden, und manche glauben jetzt, es sei State of the art, so miteinander umzugehen. Es war einer der größten Sündenfälle der Sozialdemokratie der letzten Jahre, einen Obmannwechsel so herbeizuführen. Silberstein und andere Dinge haben nicht unbedingt zum Erfolg bei der vergangenen Wahl beigetragen, auch beim Abgang Kerns war sehr viel Luft nach oben. Er würde uns jetzt am besten helfen und unterstützen, wenn er zum Zustand und zur Zukunft der SPÖ einfach nichts mehr sagen würde.“

„Überhaupt keine Diskussion“ über Spitzenkandidatin Rendi-Wagner
„Überhaupt keine Diskussion“ gibt es laut Doskozil über SPÖ-Spitzenkandidatin Rendi-Wagner. „Wir fokussieren immer auf Rendi-Wagner als Spitzenkandidatin. Wir haben aber auch Verantwortliche in den Ländern. Ich versuche das immer ganz klar zu betonen, weil diejenigen, die am wenigsten Erfolg haben in den Ländern, immer die sind, die am lautesten schreien. Das ist eine Eigenheit unserer Partei. Alle in den Ländern müssen sich hinterfragen und jeder wird am politischen Erfolg gemessen. Wir brauchen erfolgreiche Strukturen in den Ländern und Gemeinden, davon wird auch der Bund profitieren. Das Funktionieren einer Gesamtpartei ist nicht nur Aufgabe der Vorsitzenden. Aber was für die Länder gilt, gilt natürlich auch für die Vorsitzende und für den Bundesgeschäftsführer. Jeder Geschäftsführer schwimmt mit dem Parteivorsitzenden mit.“

Vor der Nationalratswahl brauche die SPÖ vor allem eine Fokussierung auf sozialdemokratische Themen: Soziales, Mindestlohn, Gesundheit, Bildung, Ökologie. Punkto Steuerpolitik dürfe man sich „nicht verzetteln lassen auf eine Steuerreform, die den Mittelstand trifft“. Soll heißen: keine Erbschaftssteuer für normale Häuslbauer, aber dafür eine ordentliche Besteuerung von großen Stiftungsgruppen und Unternehmen, die derzeit wenig bis keine Steuern zahlen. Vorstellen kann sich Doskozil aus gesundheitspolitischen Gründen eine höhere Besteuerung von Zigaretten.

„Wahlzuckerl nicht leichtfertig verteilen“
Weiters warnt der burgenländische Landeshauptmann die im Nationalrat vertretenen Parteien zur Zurückhaltung bei teuren und budgetbelastenden Initiativen und Beschlüssen. „Man sollte vorsichtig sein und keine Wahlzuckerl verteilen, weil schlussendlich zahlt den Preis immer der Steuerzahler“, sagte Doskozil. „Es ist sehr leicht, jetzt diese Wahlzuckerl zu verteilen. Die nächste Regierung muss sich dann wieder etwas überlegen. Ich denke, dass das nicht fair ist. Dinge, die grundsätzliche Strukturfragen betreffen, gehören aus meiner Sicht in einer Koalition verantwortungsvoll aufbereitet und dann entschieden - nicht ho-ruck.“

„Was soll einer, der im Burgenland wohnt und in Wien arbeitet, machen?“
Wenig hält er im Zusammenhang mit der Klimadiskussion von CO2-Steuern für Autolenker. „Man kann die Diskussion in Wien nicht den ländlichen Regionen überstülpen. Das ist weltfremd. Was soll ein Mensch, der im Südburgenland wohnt und in Wien arbeitet, machen, wenn es keine öffentliche Verbindung gibt. Der muss mit dem Auto fahren. Da braucht es mehr Subventionen und Investitionen in den öffentlichen Verkehr. Man sollte den Schienenverkehr und nicht den Straßenverkehr fördern, aber nicht den einzelnen zusätzlich bestrafen, der gar nicht anders handeln kann. Das wäre der falsche Weg.“

Von einer zu grünorientierten Fundi-Politik rät Doskozil seiner Partei ab. „Es wäre strategisch komplett falsch, sich Idealbilder eines Erfolges oder Misserfolges als Beispiel zu nehmen. Wir sind die Sozialdemokratie und müssen selbstbewusst genug sein, unsere eigenen sozialdemokratischen Inhalte zu vertreten. Wenn wir die nicht mehr repräsentieren, werden die Menschen irgendwann sagen, ja wozu brauch ma euch.“ Er selbst stehe für eine konsequente Linie in sicherheitspolitischen Agenden und der Flüchtlingspolitik, für einen linken Kurs in sozialpolitischen Fragen und in der Wirtschaftspolitik gegen Liberalisierungstendenzen und für einen starken Staat. „Das ist in der jetzigen aktuellen Phase der Zeitgeist, den die Sozialdemokratie leben müsste.“

Doskozil fordert klare Asyllinie der SPÖ
Im Nationalratswahlkampf werde die SPÖ an einer klaren Asyllinie nicht vorbeikommen. „Wir glauben, wir können immer durchtauchen bei solchen Themen. Es wird Thema sein. Die Freiheitlichen und die ÖVP werden diese Themen auf den Tisch legen, und die SPÖ wäre falsch beraten, wenn sie bei diesen Themen keine konsequente Meinung hätte.“ Es brauche eine europäische Verfahrensführung in Asylfragen, die entsprechenden Entscheidungen und Abschiebungen müssten dann auch umgesetzt werden. Für die burgenländische Landtagswahl am 26. Jänner peilt Doskozil ein Plus an, und der Landeshauptmann, der etwas mehr als 100 Tage im Amt ist, will weiter in Regierungsverantwortung bleiben.

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