Kommissionsbericht

Bundesheer: Mehr Beschwerden über desolate Kasernen

Österreich
29.03.2010 12:40
Die parlamentarische Bundesheerkommission hat im vergangenen Jahr 556 Beschwerdeverfahren abgewickelt, was einem leichten Anstieg gegenüber 2008 mit 501 Verfahren entspricht. 47% der Beschwerden betrafen dabei die Bereiche Ausbildung und Dienstbetrieb, 17% bezogen sich auf Personalangelegenheiten. Mit einem 26-prozentigen Anteil sind die Beschwerden über Mängel bei der Unterkunft stark angestiegen. Kommissions-Vorsitzender Paul Kiss fordert mehr Geld für die Kasernen-Sanierung.

Die Zahl der Anfragen insgesamt (darin sind u.a. auch Rechtsauskünfte enthalten, Anm.) ist im Vergleich zu 2008 von 3.605 auf 3.800 gestiegen. In 556 Fällen wurden letztes Jahr Beschwerdeverfahren eingeleitet. 54% wurde Berechtigung zuerkannt, 46% erhielten keine. 2008 waren noch 83 Prozent der Beschwerden berechtigt gewesen.

Kiss, der bei der Präsentation des Berichtes am Montag im Parlament den erkrankten amtsführenden Vorsitzenden Anton Gaal vertrat, nannte vor allem die Unterkünfte als einen jener Bereiche, bei dem die Kommission "den Finger auf offene Wunden legt". Die Zahl der Beschwerden zu diesem Thema ist stark angestiegen. 2008 betrafen noch 54% der Anfragen die Ausbildung und den Dienstbetrieb und 34% Personalangelegenheiten. 

Bundesheer als finanzielles Stiefkind
Die Kasernen seien die Visitenkarte für das österreichische Bundesheer und stellten für die Grundwehrdiener gleichsam den ersten Eindruck dar, gab er zu bedenken. Die Kommission habe immer wieder kritisiert, dass die budgetäre Dotierung für die Unterkünfte nicht ausreiche. In den letzten Jahren seien zwar einige wichtige Schritte zur Verbesserung getan worden, es gebe aber noch einen enormen Rucksack, der abgearbeitet werden müsse. 

Kritisch bemerkte Kiss, es könne nicht verhehlt werden, dass das Bundesheer über Jahrzehnte hindurch ein finanzielles Stiefkind gewesen sei und auf Kosten der Soldaten vor allem bei der Infrastruktur gespart habe. Über das normale Budget werde es nun nicht möglich sein, die notwendigen Sanierungen bei den Unterkünften zu finanzieren, betonte Kiss und forderte eine Sonderdotation, um die Mängel in den Kasernen abzustellen. 

Weniger Beschwerden von Rekruten
Was Schikanen durch Ausbildner betrifft, stellte Kiss fest, die Qualität der Ausbildung sei in den letzten Jahren durch das stetige Bemühen der Verantwortlichen besser geworden. So sei etwa Frauenfeindlichkeit im österreichischen Bundesheer - obwohl die Zahl der Beschwerden von 5 auf 9 stieg - kaum noch ein Thema. 

Auffällig ist hingegen der Rückgang der Beschwerden von Rekruten (von 28 auf 12 Prozent). Die Gründe dafür sind laut Gaal noch unbekannt. 29 Prozent der Beschwerden kamen von Chargen (2008 waren es 23 Prozent), 34 Prozent von Unteroffizieren (2008: 25), 11 Prozent entfielen auf Offiziere (2008: 12).

"Depperter als Krippenschafe"
64 der Beschwerden wurden im Zusammenhang mit Beschimpfungen eingebracht. Kiss hielt auch eine Beispiele parat: Weil ein Rekrut im Zuge der Ausbildung am Maschinengewehr trotz Ermahnung einzelne Handgriffe nicht korrekt ausführte, wies ihn ein Gruppenkommandant wenig charmant mit den Worten: "Wenn du es nicht bald begreifst, breche ich dir die Finger" und "Ich hau dir die Waffe auf den Schädel" zurecht. Wenig Verständnis für Fehlverhalten von jüngeren Kadersoldaten hatte auch ein Unteroffizier: "Ihr seid depperter als die Schafe, die sie zu Weihnachten in die Krippe stellen."

Eine Beschwerde gab es über Fußtritte eines Unteroffiziers als Bestrafung. Des weiteren berichteten Rekruten, dass sie wegen Fehlverhaltens drei Minuten lang in Grundstellung ausharren und sich von Gelsen stechen lassen mussten. Sobald sich einer wegen eines Gelsenstiches bewegte, wurde die Zeit von neuem eingestellt. Insgesamt waren die Rekruten rund 20 Minuten den bissigen Insekten ausgesetzt. Zwei andere Rekruten erlitten bei der Reinigung des Sanitärbereichs mit einem Kalkentferner Verletzungen an den Unterarmen. Es fehlte die richtige Einschulung und Schutzkleidung.

Kiss: "In acht Jahren sämtliche Empfehlungen umgesetzt"
Grundsätzlich unterstrich Kiss, die Bundesheerkommission verfolge das Ziel, Missstände innerhalb kürzester Zeit zu einem Ende zu bringen, und sehe sich dabei als erste Anlaufstelle und Partner der Soldatinnen und Soldaten. Zur Arbeitsweise bemerkte er, es gehe darum, die Dinge intern mit dem Bundesminister und dem Generalstab auszureden und nicht mit großen Ankündigungen an die Öffentlichkeit zu treten, "denn damit löst man nichts". Kiss teilte in diesem Zusammenhang mit, dass in den fast acht Jahren seiner Tätigkeit sämtliche Empfehlungen der Kommission umgesetzt wurden.

Darabos: "Kasernen haben Priorität"
Verteidigungsminister Norbert Darabos hat in Reaktion auf den Bericht der Bundesheerkommission Bau-Investitionen trotz budgetärer Nöte versprochen. "Investitionen in die Kasernen haben klare Priorität", sagte er in einer Aussendung. Die Bau-Offensive werde trotz Budgetkürzung auch in den kommenden Jahren fortsetzt.

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