Das große Interview

Tut der Abschied weh, Herr Forcher?

Persönlich
30.09.2018 06:00

Noch vier Sendungen, dann macht ORF-Legende Sepp Forcher (87) Schluss. Mit der „Krone“ spricht er über Glück und Genuss, Himmel und Helli und warum er den Tod wie einen Freund empfangen will.

Dieses vertraute Gesicht, der weiße Bart, die väterliche Stimme. Sepp Forcher sitzt am runden Holztisch in seiner Stube, unter dem Herrgottswinkel. Vor ihm liegt der „Fischer Weltalmanach 2018“. „Es macht mich richtig sentimental, weil es der letzte ist“, sagt der Mann, der auch der Letzte seiner Art ist, und blättert andächtig in dem Lexikon.

Seit 32 Jahren moderiert er „Klingendes Österreich“ im ORF, eine lebende Legende. Vom Hüttenwirt zum Fernsehstar, und dazwischen hat Forcher auch Glücksbücher geschrieben, sein drittes erscheint am Montag. Im „Krone“-Interview lässt der Publikumsliebling ein langes, genussvolles Leben Revue passieren.

„Krone“: Herr Forcher, Sie waren dem ORF ein Leben lang treu. Hat es nie andere Angebote gegeben?
Sepp Forcher: Ich habe „Klingendes Österreich“ erst mit Skepsis, dann mit zunehmender Zufriedenheit und großer Freude gemacht. Gerade in den Anfangsjahren gab es einige Angebote, vor allem aus der Werbewirtschaft. Wenn ich die angenommen hätte, könnte ich schon seit 20 Jahren von diesen Einnahmen gut leben. Aber ich habe das nie wollen, ich hätte die dummen Sprüche, die mir irgendwer vorgeschrieben hätte, und mein Gesicht dazu nicht ertragen.

Sie sind der letzte Dinosaurier aus der Ära Gerd Bacher. Denken Sie nie ans Aufhören?
Sie treffen einen Punkt. 2019 werde ich im 89. Lebensjahr stehen und mit derselben Freude wie seit Anbeginn noch vier Sendungen machen. Nach 200 Ausgaben ist Schluss.

Endgültig?
So sicher wie das Amen im Gebet. So mir Gott die Gabe und die Gesundheit schenkt.

Tut der Abschied weh?
Aber überhaupt nicht. „Klingendes Österreich“ ist der Marathon meines Lebens. Ich bin schon sehr nahe an Athen und dem Herrgott dankbar, wenn ich noch ins Ziel komme.

War Ihr Format die Antithese zum „Musikantenstadl“?
So ist es interpretiert worden. Ich war immer bemüht, den Menschen in unserem Land die Schönheit, auch die kulturelle und religiöse Schönheit, näherzubringen. Aus diesen Ingredienzen besteht Österreich, sie sind das Salz in unserer Suppe.

Unter diesem Titel erscheint am kommenden Montag Ihr neues Buch.
Weil man sich über das Salz erst dann Gedanken macht, wenn die Suppe versalzen oder zu wenig gesalzen ist. Es sind immer die kleinen Dinge, die das Leben ausmachen. Wenn man die großen Gefühle wie Liebe, Leidenschaft und weiß der Teufel was sonst noch alles vergisst, wenn man einen großen Hunger oder Durst hat, dann ist man zutiefst dankbar für einen Bissen Brot oder einen Schluck Wasser.

Ist das auch ein Glücksrezept?
Glück kann man nicht kaufen oder bei Amazon bestellen. Glück ergibt sich aus Zufriedenheit, aus Freude an den kleinen Dingen.

Macht Ihr Buch glücklich?
Es kostet jedenfalls nicht mehr als ein schöner Blumenstrauß. Es riecht zwar nicht so gut, aber es hält viel länger. Eigentlich ist es für die Ewigkeit.

Ihr Sohn ist mit 19 Jahren tödlich verunglückt. Wie sind Sie mit diesem Schmerz umgegangen?
Das war die Katastrophe unseres Lebens. Helli, meine Frau, und ich sind danach viel in die Berge gegangen. Wir sind getrennt aufgestiegen, um das zu verarbeiten, aber beim Abstieg haben wir wieder Luft bekommen und über unseren Peter geredet. Diese Wanderungen haben der Erkenntnis Platz gemacht, dass er zu den Unsterblichen gehört, wie in der griechischen Mythologie, wo aus den jungen Helden Halbgötter werden. So ist der Peter in unserer Erinnerung immer 19 geblieben, was natürlich für seinen Bruder, der heute auf die 60 geht, eine Bürde war.

Sie haben Millionen Fernsehzuschauern die Heimat nähergebracht. Was bedeutet für Sie Heimat?
Ich bin mit meinen Eltern aus Südtirol eingewandert und wurde hier herzlich willkommen geheißen. Sukzessive habe ich mich zu einem fanatischen Österreicher entwickelt. Das bin ich ohne Kompromisse geblieben, deshalb mag ich es auch nicht, wenn schlecht über unsere Heimat geredet wird.

Wie schmeckt Heimat?
Ach Gott, für mich wie Tiroler Speckknödel. Die hat schon meine Mutter für mich gekocht, und meine Frau hat sie noch an Feinheit übertroffen. Den ersten Knödel essen wir immer in der Suppe, also dem Knödelwasser. Den zweiten, dritten, vierten und fünften mit Sauerkraut und brauner Butter.

Sie essen fünf Knödel?
Heute nicht mehr, aber früher war das meine Norm.

Was wäre Ihre Henkersmahlzeit?
Oh, da hätte ich zunächst gerne ein paar Austern, gefolgt von Kaviar, dazu Champagner. Dann eine Gänseleberpastete mit einem schönen Glas Calvados aus der Normandie, mit dem trinkt man sich ein Loch in den Bauch. Das würd ich mit einer Suppe füllen, in der viele kleine Tirolerknödel schwimmen. Als Hauptspeise einen gesurten Schweinsbraten mit einer Rinde, die nur so kracht. Und zum Abschluss Salzburger Nockerln.

So üppig?
Wäre ja schließlich meine letzte Mahlzeit. Was gibt es Schöneres, als noch einmal das Beste von allem zu kosten, bevor man geht?

Macht Ihnen der Tod manchmal Angst?
Ach nein, der Tod ist eigentlich ein guter Freund von mir, so selbstverständlich wie der Herrgott am Kreuz hinter mir. Wie Epikur schon gesagt hat: „Solange ich da bin, ist der Tod nicht da, und wenn der Tod da ist, bin ich nicht mehr da.“

Wünschen Sie sich eher, Ihre Frau zu überleben, um ihr den Schmerz des Verlustes zu ersparen, oder früher zu sterben, weil Sie sich ein Leben ohne sie nicht vorstellen können?
Helli ist die Liebe meines Lebens. Wir haben vor drei Jahren Diamantene Hochzeit gefeiert und momentan geht es ihr nicht so gut. Wenn man so lange beisammen war, wünscht man sich, gemeinsam gehen zu dürfen. Aber das ist ein frommer Wunsch. Ich überlasse es also auch getrost dem Herrgott.

32 Jahre „Klingendes Österreich“
Geboren als Giuseppe Forcher am 17. Dezember 1930 - zufällig - in Rom, aufgewachsen in Südtirol. 1940 wandert die Familie nach Salzburg aus. Bevor Sepp Forcher 1976 zum ORF kommt, arbeitet er als Höhlenführer, Hilfsarbeiter, Hüttenwirt und ab 1971 als Stadtwirt in Salzburg. Seit 1986 führt der ORF-Publikumsliebling durchs „Klingende Österreich“. Seit 63 Jahren verheiratet mit Helli, in zwei Jahren feiert das Paar die Eiserne Hochzeit. Sein Buch „Das Salz in der Suppe - vom großen Wert der kleinen Dinge“ erscheint am 1. Oktober im Brandstätter-Verlag, kostet 20 Euro und ist sein drittes Glücksbuch.

Conny Bischofberger, Kronen Zeitung

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