Rechnungshof meint:

Linzer Stadtchef Mitverursacher der Aktenaffäre

Oberösterreich
20.09.2018 13:00

Fast auf den Tag genau ein Jahr nach dem Prüfersuchen durch die OÖ Landesregierung hat der Bundesrechnungshof nun seinen Rohbericht über die Prüfung der Linzer Aktenaffäre an das Land und die Stadt übermittelt. Bei dieser Affäre geht es um aufgrund Personalmangels im Magistrat Linz bis zur Verjährung liegengelassene Verwaltungsstrafverfahren.  Dadurch seien diversen Institutionen Strafgelder im Gesamtausmaß von geschätzt circa 382.000 Euro in den Jahren 2010 bis 2017 vorenthalten worden, meint der Rechnungshof. Auch die Rolle von Stadtchef Klaus Luger (SPÖ) wird im Rohbericht, also noch ohne formelle Stellungnahme des Bürgermeisters, kritisch beleuchtet. Das diesbezügliche Fazit (in unseren Worten): Luger war zwar nicht über jedes Detail der Probleme informiert, aber ab Juni 2016 trotzdem Mitverursacher der weiteren Verjährungen.

Der politisch wohl brisanteste Satz steht auf Seite 111 des 137 Seiten starken Rechnungshof-Rohberichtes: „Der RH sah daher sowohl beim Bürgermeister als auch bei der Magistratsdirektion und der Geschäftsbereichsleitung eine - aus seiner bzw. ihrer Führungs- und Entscheidungskompetenz resultierende - Mitverursachung dieser Verzögerung und der dadurch ein getretenen weiteren Verjährungen.“


Hinweis an Stadtchef im Juni 2016
Das bezieht sich auf die Bemängelung des Rechnungshofes, „dass der im Juni 2016 an den Bürgermeister ergangene Hinweis von Magistratsdirektion und Geschäftsbereichsleitung über nicht ausreichende Personalressourcen nicht zu weiteren Veranlassungen geführt hatte.“ Zugleich empfiehlt der Rechnungshof der Stadt Linz, „Informationen an den Bürgermeister mit aussagekräftigen Controllingdaten zu belegen, um dadurch nachvollziehbare Entscheidungsgrundlagen zu schaffen.“ Das klingt etwas widersprüchlich: Luger war offenbar nicht über jedes Detail der Probleme informiert, aber trotzdem ihr Mitverursacher…

Rund 382.000 Euro Schaden
Den Entfall von Strafgeldeinnahmen im Zeitraum von 2010 bis 2017 „infolge Untätigkeit der Behörde“ schätzt der Rechnungshof auf rund 382.000 Euro. Davon würden etwa 173.000 Euro zu Lasten der Stadt Linz selbst gehen und etwa 209.000 Euro zu Lasten externer Empfänger. Hauptbetroffen vom Einnahmenentfall sei das Arbeitsmarktservice (AMS) mit etwa 149.310 Euro, der Wirtschaftskammer seien 31.495 Euro entgangen, der ASFINAG 21.378 Euro und dem Land Oberösterreich 1561 Euro.

Vermeidbare Anwaltskosten
Auch das Engagieren eines Rechtsbeistandes (Anwalts) für die Stadt Linz und eines weiteren für die Bediensteten sieht der Rechnungshof kritisch. Er nennt die Kosten „vermeidbar“. Die Gesamtsumme für diese Rechtsanwaltsleistungen belief sich laut Rechnungshof Ende August 2018 vorerst auf insgesamt rund 377.000 Euro.

Weitere Widersprüchlichkeit im Rohbericht
Wie oben dargestellt, rügt der Rechnungshof, dass der erste Hinweis im Juni 2016 über nicht ausreichende Personalressourcen nicht zu weiteren Veranlassungen geführt hatte. Andererseits heißt es im Prüfbericht über die Personalausstattung der Abteilung Verwaltungsstrafverfahren auch: „Die bis 2014 auf rund 7 Vollzeitäquivalente (VZÄ) sogar rückläufigen Personalressourcen erhöhten sic h erst in den Jahren 2016 (rd. 9,6 VZÄ) und 2017 (rd. 12,6 VZÄ) deutlich.“ Es muss also doch gewisse Veranlassungen gegeben haben, so scheint es…

1985 Verjährungen aufgrund Untätigkeit
Wohl unbestreitbar ist die Zahl der offenen bzw. verjährten Verfahren, die der Rechnungshof penibel festgestellt hat: „Mit Stand 31. Dezember 2017 waren 7789 Akten offen. Dies entsprach bezogen auf die Anfang 2010 übernommenen 5024 offenen Akten einem Zuwachs von 55 Prozent. Im überprüften Zeitraum (Anfang 2010 bis Ende 2017) verjährten 3023 Akten, davon 1985 aufgrund Untätigkeit der Behörde.“ Und weiter im Text: „Die höchste Anzahl an Verfolgungsverjährungen aufgrund Untätigkeit der Behörde entfiel auf das Jahr 2016 mit 314 Fällen, bei 273 Fällen erfolgte die Einstellung innerhalb von 14 Tagen nach Ablauf der Verjährungsfrist.“ Und, ein weiteres brisantes Detail: „316 Meldungen wegen Übertretung der Gewerbeordnung blieben insofern unbearbeitet, als dafür nicht einmal ein Akt angelegt wurde. Die Abteilungsleitung war darüber informiert.“

Erste Reaktion von Vizebürgermeisterin Hörzing
Die vielen Kritikpunkte und die diversen Ungereimtheiten im Prüfbericht (bzw. aufgrund des ersten Eindrucks des Inhalts) wird Stadtchef Luger in seiner formellen Stellungnahme zum Prüfbericht beleuchten. Kern dieser Stellungnahme wird eine Chronologie seines Handelns sein, die er bereits einmal vor dem Kontrollausschuss in Lnz vorgertragen hat. Vizebürgermeisterin Karin Hörzing (SPÖ), an die Luger die Aufarbeitung der Aktenaffäre abgetreten hat, reagierte am Donnerstagnachmittag vorerst einmal so: „Durch den Rechnungshofbericht wurden die bereits im (Linzer) Kontrollamtsbericht festgestellten Mängel weitgehend bestätigt. Im Hinblick auf die Kompetenz des Rechnungshofes wurde nicht die Verantwortung einzelner handelnder Personen geprüft, sondern lediglich das Verwaltungshandeln, sodass aus diesem Bericht die Verantwortung einzelner politischer Entscheidungsträger nicht abzuleiten ist.“ Luger hat für die Stellungnahme an den Rechnungshof nun drei Monate Zeit. Auch die Landesregierung als Auftraggeber der Rechnungshofprüfung kann eine Stellungnahme zum Prüfergebnis abgeben.

Strafverfahren ist noch anhängig
Der Rohbericht des Rechnungshofes wird auch gewiss die Korruptionsstaatsanwaltschaft in Wien interessieren. Dort ist ja seit mehr als einem Jahr ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen Bürgermeister Luger und einige Beamte anhängig, wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs. Auch nach Vorliegen dieses Rohberichts gilt für die Beschuldigten die formale Unschuldsvermutung.

Werner Pöchinger, Kronen Zeitung

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