Katias Kolumne

Druck bei Migration: Unmenschlich oder richtig?

Ausland
29.08.2018 11:55

Das Tauziehen um jene 177 Migranten auf der italienischen Diciotti fand vergangenen Samstag dann plötzlich doch ein durchaus absehbares Ende. Nachdem sich der italienische Innenminister Matteo Salvini geweigert hatte, das zehn Tage lang vor Italiens Küste liegende Patrouillenschiff in Sizilien anlegen zu lassen, bevor nicht andere europäische Länder sich bereit erklärten, die Migranten anschließend aufzunehmen, erbarmten sich schließlich Irland, Albanien und die katholische Kirche, sich der notleidenden Menschen anzunehmen. Das darauffolgende Echo ließ nicht lange auf sich warten.

Der spanische Außenminister Josep Borrell bezichtigte Salvini der „brutalen Abschottungspolitik“, die „auf Kosten ganz Europas“ ginge, die Kirche warf ihm vor, „Politik auf dem Rücken der Armen“ zu machen. Immerhin war es nicht das erste Mal, dass Salvini versucht, mit dieser Methode Ergebnisse von der EU zu erzwingen. Nun hat auch die italienische Justiz Ermittlungen gegen den als eisern bekannten Innenminister aufgenommen. Der Vorwurf: Freiheitsberaubung der auf dem Schiff ausharrenden Migranten. Der Konter: Die Ermittlungen seien eine „Ehrenmedaille“, so Salvini.

Der italienische Innenminister Matteo Salvini verfolgt einen Kurs der strikten Abschottung gegenüber Migranten. (Bild: Daniele Panato/ANSA via AP, Orietta Scardino/ANSA via AP, krone.at-Grafik)
Der italienische Innenminister Matteo Salvini verfolgt einen Kurs der strikten Abschottung gegenüber Migranten.

Rege wird nun abermals überall in Europa diskutiert: Macht Matteo Salvini rechtspopulistische Politik auf dem Rücken von notleidenden Menschen? Ist sein Weigerung, die geretteten Menschen an Land lassen zu wollen, unmenschlich? Oder ist es vielmehr seine Pflicht als italienischer Innenminister, auf Unterstützung anderer europäischer Länder zu pochen und diese notfalls auch mit Konsequenz einzufordern?

Lähmende Schubladen-Diskussion bringt auch keine Lösung
 
Dabei ist diese so gerne geführte Diskussion darüber, ob Salvinis Verhalten nun Umfragewert-getrieben, moralisch anstößig und rechts-rechts oder in Anbetracht des ohnehin überlasteten italienischen Sozialsystems grundvernünftig und im Interesse der italienischen Bevölkerung ist, eine entbehrliche.

(Bild: ANSA)

Anstatt darüber zu sinnieren, in welche Schublade man den italienischen Innenminister denn nun stecken soll, wäre es weit sinnvoller, endlich eine pragmatische, nüchterne und respektvolle Diskussion darüber zu führen, wie eine realistische und längst überfällige gesamteuropäische Lösung in dieser so wichtigen Frage aussehen könnte - und zwar sofort!

Den Blick wieder auf das Wesentliche richten
 
Allen, die die Salvinis in Europa verteufeln, ist zu empfehlen, möglichst schnell ein Patentrezept auf den Tisch zu legen, wie mit Zuwanderung human, fair und rechtssicher umgegangen werden soll. Italien, das aufgrund seiner geographischen Lage eine der ersten Anlaufstationen für Migrationsbewegungen ist, im Stich zu lassen und dann mit dem erhobenen Finger auf seine Politik zu zeigen, ist nicht nur unfair, sondern auch scheinheilig.

(Bild: APA/AFP/GIOVANNI ISOLINO)

Schließlich wird die Larmoyanz über das Erstarken von politischen Hardlinern wie Matteo Salvini und den Rechtsruck in Europa auch keinen Flüchtling davor bewahren, sein Leben für eine bessere Zukunft in Europa aufs Spiel zu setzen. Sie vernebelt nur das Grundproblem und sorgt damit dafür, dass sich immer mehr Europäer scheinbaren Heilsbringern, die für eine restriktive Zuwanderungspolitik eintreten, zuwenden. Will man das tatsächlich verhindern, hilft es, den Blick wieder auf das Wesentliche zu richten und endlich eine gesamteuropäische Lösung zu präsentieren. Es wäre schön langsam an der Zeit.

Katia Wagner

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