96-jährig gestorben

„Buchhalter von Auschwitz“: Oskar Gröning ist tot

Ausland
12.03.2018 21:15

Der als „Buchhalter von Auschwitz“ bekannt gewordene frühere SS-Mann Oskar Gröning ist laut Angaben seines Anwalts tot. Der 96-Jährige sei bereits am Freitag in einem Krankenhaus gestorben, sagten dazu Sprecher des niedersächsischen Justizministeriums und der Staatsanwaltschaft Hannover am Montagabend.

Der „Spiegel“ berichtete am Montagabend über Grönings Ableben. Eine Sterbeurkunde liege noch nicht vor, hieß es beim deutschen Justizministerium.

Zählte als SS-Mann das Geld der Häftlinge
Gröning war im Lüneburger Auschwitz-Prozess wegen Beihilfe zum Mord in 300.000 Fällen verurteilt worden. Das Landgericht verhängte im Juli 2015 eine Haftstrafe von vier Jahren. Der damals 94-Jährige hatte unter anderem eingeräumt, in dem Konzentrations- und Vernichtungslager Geld aus dem Gepäck der Verschleppten gezählt und weitergeleitet zu haben.

Jahrzehntelang waren die in Auschwitz am Holocaust Beteiligten nicht zur Verantwortung gezogen worden, wenn sie zwar wie Gröning Rad im Getriebe waren, aber nicht selbst getötet hatten. Die Gerichte verlangten den Nachweis einer bestimmten konkreten Tatbeteiligung. 2015 entschied das Landgericht, auch das Verwalten der Gelder der Verschleppten und das Bewachen ihres Gepäcks sei Beihilfe gewesen. „Dieses Urteil hat Rechtsgeschichte geschrieben“, sagte damals Nebenkläger-Anwalt Thomas Walther.

Wegen Beihilfe zu massenhaftem Mord verurteilt
Mit einem Kollegen vertrat Walther in Lüneburg rund 50 Nebenkläger, die meisten waren Überlebende von Auschwitz-Birkenau. Gröning bestätigte vor Gericht ihre Berichte über das Grauen im Vernichtungslager. „Es geht mir nicht um die Strafe, es geht mir um das Urteil, die Stellungnahme der Gesellschaft“, sagte die Überlebende Eva Pusztai-Fahidi damals. Von einer „fast heilenden Wirkung“ des Prozesses sprach Walther. Im Fall Gröning bestätigte der Bundesgerichtshof in Karlsruhe im September 2016 erstmals höchstrichterlich eine Verurteilung wegen Beihilfe zum massenhaften Mord in Auschwitz.

Nachdem der Rechtsweg ausgeschöpft war, richtete Gröning zuletzt ein Gnadengesuch an Niedersachsens Justizministerin Barbara Havliza, eine Entscheidung stand bevor. Gröning-Anwalt Hans Holtermann hatte zuvor über mehrere Instanzen hinweg einen Haftantritt zu verhindern versucht. Sein Mandant sei nach Auffassung eines Sachverständigen nicht haftfähig, erklärte er - ohne Erfolg. Eine Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe wurde Ende Dezember des Vorjahres unter anderem mit Verweis auf die Schwere der Taten abgewiesen.

Sah sich als „Rädchen im Getriebe“
Gröning war seit Herbst 1942 in der sogenannten Häftlingsgeldverwaltung eingesetzt worden, weil er eine Banklehre gemacht hatte. 1944 wechselte er in eine Front-Einheit. Nach dem Krieg lebte er mit Frau und Kindern in der Lüneburger Heide. Erst Mitte der 1980er-Jahre öffnete er sich. Der britischen BBC schilderte Gröning, was er in Auschwitz gesehen und getan hatte. Er sah sich dabei als „Rädchen im Getriebe“.

Journalisten und Nebenkläger beschrieben den am 10. Juni 1921 im niedersächsischen Nienburg an der Weser geborenen Gröning als jemanden, der lange die Frage seiner persönlichen Schuld umkreiste, ohne sich ihr wirklich nähern zu können. „In Auschwitz durfte man nicht mitmachen“, fasste das Gericht in Lüneburg zusammen. Auch Gröning hatte den Satz von einem Opfer-Anwalt in seinem Schlusswort wiederholt.

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