Katias Kolumne

Nazi-Fälle: Moral? Bei Politikern eben nicht egal

Österreich
31.01.2018 11:55

Gleich zwei grausige Fälle von Nazi-Kult sind in der vergangenen Woche publik geworden. Just wenige Tage vor der niederösterreichischen Landtagswahl war der Erfolg versprechende FPÖ-Spitzenkandidat Udo Landbauer aufgrund eines Liederbuches in Bedrängnis geraten, das die Burschenschaft Germania zu Wiener Neustadt, bei der er stellvertretender Vorsitzender war, aufgelegt hatte. 73 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs und des Holocaust ließen in besagtem Buch Liedzeilen wie "Gebt Gas, ihr alten Germanen, wir schaffen die siebte Million" vor Ekel erschaudern und erstarren.

Als wäre diese Causa nicht schon pikant genug, wurde außerdem bekannt, dass ausgerechnet ein SPÖ-Funktionär die künstlerische Gestaltung in besagtem Liederbuch übernahm. Gegen den ehemals hochrangigen Magistratsbeamten soll nun die Staatsanwaltschaft in Richtung Paragraph 3g des Verbotsgesetzes ermitteln. Gerüchten zufolge soll Landbauer den am Sonntag gewonnenen FPÖ-Sitz in der niederösterreichischen Landesregierung nicht selbst besetzen.

Widerwärtigkeit kennt keine Parteifarbe
Punktgenau einen Tag nach der niederösterreichischen Landeswahl drang ein weiterer widerwärtiger Fall an das mediale Tageslicht. Ein Gemeindepolitiker der SPÖ steht durch den Besitz von NS-Devotionalien im Verdacht der Wiederbetätigung. Der Niederösterreicher soll außerdem in seinem Keller Schlagringe, Pistolen und Handgranaten gebunkert haben. Mehr noch: Er soll seine minderjährigen Enkelkinder mehrmals missbraucht haben. Der rote Politiker sitzt in U-Haft.

Mit beiden Fällen befasst sich derzeit die Staatsanwaltschaft. So widerlich und verabscheuenswürdig die im Raum stehenden Vorwürfe sind, und so hart, wie es für manche auch klingen mag, gilt bei beiden zumindest rein rechtlich gesehen bei aktuell laufenden Ermittlungen die Unschuldsvermutung.

Gretchenfrage: Nun sagt, liebe Politiker, wie habt ihr's mit der Moral?
Aus moralischer Sicht sind allerdings gerade bei Politikern aufgrund ihrer Vorbildfunktion andere Maßstäbe anzusetzen als bei einer Stammtischrunde. Schier unverständlich ist, dass für die meisten zivilen Berufe Verhaltens- und Ehrencodices gelten, für das hohe Amt des Politikers hingegen nicht.

Skurril, aber wahr: Während ein Anwalt standesrechtlich dafür belangt werden kann, wenn er auf offener Straße an einem Eis schleckt, mit Lederhose vor Gericht erscheint oder seinen Kollegen nicht ordnungsgemäß grüßt, oder ein Trafikant gegen sein Standesrecht verstößt, wenn er in seiner Tabaktrafik zu viele Werbewanduhren aufhängt oder verweigert, an Stammtischen teilzunehmen, kann sich ein Politiker mangels allgemein geltendem Ehrenkodex prinzipiell einen Nazi-Keller mit einer Waffen- und Schlagringsammlung einrichten, solange er nicht unter das Verbotsgesetz fällt.

Jeder Bestatter, Rauchfangkehrer, Tankstellenwart oder Energetiker verpflichtet sich bei Ausübung seines Berufs, gewisse Standesregeln einzuhalten - Politiker haben einen solchen gesetzlichen Kodex nicht. Aber wie heißt es denn so schön? Vor dem Gesetz sind alle gleich, aber manche sind eben gleicher.

Katia Wagner

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