Mobbing nach Krebs

Erste Rektorin Ingela Bruner erklärt Rücktritt

Wien
20.01.2009 17:42
Ingela Bruner, die erste Rektorin einer staatlichen Universität in Österreich, hat nach einem Jahr im Amt ihren Rücktritt erklärt. "Wegen unterschiedlicher Auffassungen mit dem Vorsitzenden des Senats bezüglich der Führung der Universität und der strategischen Ausrichtung der Boku" habe die Rektorin der Universität für Bodenkultur am Sonntag den Universitätsrat um die Auflösung ihres Vertrags gebeten. Mit ein Grund für die Entscheidung: Kollegen sollen sie nach ihrer Krebserkrankung gemobbt und unter Druck gesetzt haben. Der Uni-Rat kündigte am Montag zunächst nur an, Bruners Vertrag aufzulösen. Erst später gab es eine Stellungnahme mit schweren Anschuldigungen gegen die Rektorin. Die Mobbing-Vorwürfe dementiert die Boku.

Bei einer Pressekonferenz am Montag in Wien sprach die 56-Jährige nicht nur von "Spannungen zwischen Rektorat und Senat", sondern auch von "Mobbing" im Zusammenhang mit ihrer Krebserkrankung sowie von "massiven Versuchen, mich einzuschüchtern". Man habe ihr wiederholt nahegelegt, unter Berufung auf ihre Krankheit, die sie laut eigenen Angaben aber "im Griff" hat, zurückzutreten. In Wahrheit habe man sie aber loshaben wollen, weil sie bei wichtigen Entscheidungen nicht sofort unter alles ihre Unterschrift gesetzt habe. "Das hat dem Senat nicht gepasst."

Dass sie eine Frau ist, spielte nach Ansicht Bruners keine Rolle bei den Spannungen. "Was sehr wohl mitspielt, ist sicher die Persönlichkeit." Zudem habe es mit ihrer Bestellung viele weitere "Tabu-Brüche" gegeben: Sie war nicht nur die erste Frau an der Spitze einer Universität, sie kam zudem nicht von der Universität für Bodenkultur, ja nicht einmal von einem an der Boku vertretenen Fach, sie war nicht habilitiert. "Vielleicht gab es da mental noch Reservationen", sagte Bruner.

Bruner: "Entscheidungen behindert"
Für Bruner funktionierte die Zusammenarbeit zwischen Rektorat und Senat im Bereich der Lehre "perfekt", weil hier die Verantwortungen im Universitätsgesetz klar definiert seien. Dagegen wirft die Rektorin dem Senatsvorsitzenden Gerd Sammer vor, "Rechte zu reklamieren, die nicht im UG verankert sind, unentwegt in fast allen Fragen die Akkordierung zu fordern, die sich sodann als zeitraubend und ineffizient erweist". Weiters würden "Entscheidungen behindert und zu lange dauern", etwa bei auszuschreibenden Professuren, so Bruner. "Die Grundgedanken der Demokratie dürfen nicht missbraucht werden, um Verantwortungen abzuschütteln", forderte sie im Zusammenhang mit der geplanten UG-Novelle "mehr Klarheit" vom Gesetz über die Aufgaben und Verantwortungen der Gremien.

Dass Bruner nicht leichten Herzens scheidet, zeigte sich an den zahlreichen Zielen, Plänen und Vorstellungen, die sie für die Boku und die Uni-Politik hat. In diesem Zusammenhang forderte sie auch dazu auf, "die Universitäten vor machtpolitischen Interventionen zu schützen". Die Unis seien nur dann wirklich autonom, wenn sie ordnungsgemäß mit Finanzmittel ausgestattet werden, "sonst geraten sie in Abhängigkeit". Bei ihr selbst habe es "massive Versuche gegeben, mich einzuschüchtern", das sei auch der Grund gewesen, warum sie nun "den Weg nach vorne gegangen und nicht den krankheitsbedingten Rückzug angetreten ist".

Noch für Montagnachmittag sei eine Sitzung des Senats der Boku anberaumt, am Dienstag tage der Uni-Rat, hieß es. Bruner rechnete bei der Pressekonferenz damit, dass am Dienstagabend Klarheit herrscht. Es sei aber im Bereich des Möglichen, dass sie aus dieser Situation "gestärkt hervorgehe", meinte die 56-Jährige.

Uni-Rat: Arbeitsverhältnis wird mit Dienstagabend beendet
Doch der Uni-Rat der Boku konterte am Montag prompt mit einer Reaktion, die Bruners Hoffnungen zunichte machte: Man komme Bruners Bitte nach Auflösung ihres Vertrags nach: "Es besteht kein Zweifel, das Arbeitsverhältnis wird mit Dienstagabend beendet", erklärte der Vorsitzende des Uni-Rats, Werner Biffl. Bruner werde dann am Mittwoch in einem symbolischen Akt die Schlüssel der Universität zurückgeben müssen. Dann wolle man sich auch mit einem gemeinsamen Papier an die Öffentlichkeit wenden.

Biffl sagt, er habe der Auflösung gemeinsam mit seinem Stellvertreter bei dem Gespräch am Sonntag bereits zugestimmt. Der ganze Uni-Rat müsse in seiner Sitzung am Dienstag gar nicht mehr darüber abstimmen, weil er sich damit schon befasst habe und eine entsprechende Direktive an Biffl gegeben habe. Zu den Vorwürfen Bruners gab es zunächst keine Stellungnahme.

Senat und Uni-Rat werfen Bruner "Führungsmängel" vor
Nach anfänglicher Schweigetaktik haben sich Senat und der Uni-Rat der Boku am späten Montagnachmittag dann doch zu den Vorwürfen geäußert. Bruner werden "Führungsmängel" vorgeworfen, der Stellungnahme ist von "nachweisbaren Unterlassungen und Fehlentscheidungen der Rektorin" die Rede. Den Vorwurf des Mobbings von Bruner weisen die beiden Gremien zurück. Ihr Rücktritt stehe "in keinem Zusammenhang mit Mobbing, mit ihrer Krankheit oder einer veränderten Kompetenzlage im Rahmen des Universitätsgesetzes 2002". Es gebe auch "keine Hinweise für ein Mobbing seitens der regulär handelnden Boku-Organe oder einzelner Mitglieder dieser Organe" gegen Bruner, heißt es.

Senat und Uni-Rat erinnern daran, dass Bruner 2007 an der Spitze des vom Senat erstellten Dreiervorschlages für das Rektorat gestanden sei. "Sowohl Universitätsrat als auch Senat hatten große Hoffnungen und einen hohen Vertrauensvorschuss in sie gesetzt", heißt es in der Stellungnahme. "Leider" seien aber in der Amtsführung der Rektorin "zunehmend derart schwere Mängel offenkundig geworden, dass die Boku seit Jahresbeginn 2009 in strategischer und wirtschaftlicher Hinsicht in erheblichen Schwierigkeiten steckt".

"Ziemlich phänomenal für eine Universität"
Bruner wehrt sich gegen die Angriffe des Senats und des Universitätsrats. So habe man das vergangene Jahr mit Gewinn abgeschlossen, konterte sie gegenüber dem ORF auf den Vorwurf der "Führungsmängel" - "Und das ist ziemlich phänomenal für eine Universität".

"Sie kommt unmittelbar ihrer Amtsenthebung zuvor"
Die beiden Gremien sprechen von "nachweisbaren Unterlassungen und Fehlentscheidungen der Rektorin", die so schwerwiegend seien, dass sich beide Organe "in diesen Tagen eindeutig festgelegt haben, der Rektorin das Vertrauen zu entziehen". "Frau Bruner ist gut beraten gewesen, einer unmittelbar bevorstehenden Amtsenthebung zuvorzukommen" und beim Uni-Rats-Vorsitzenden Werner Biffl um einvernehmliche Auflösung ihres Dienstverhältnisses anzusuchen, was der Uni-Rat angenommen habe.

Bruner bei ihrem Antritt: "Die Festung ist eingenommen"
Die ehemalige Vizepräsidentin der Donau-Uni Krems und Ex-OMV-Forschungsleiterin ist im Juli 2007 als erste Frau zur Rektorin einer staatlichen Universität gewählt worden. Es herrschte große Freude. "Die Festung ist eingenommen", sagte Bruner damals im Hinblick auf ihr Vordringen in eine bis dato absolute Männerdomäne. Sie trat ihr Amt am 1. Oktober an und folgte in dieser Funktion auf Hubert Dürrstein, der vom Senat nicht mehr nominiert worden war.

Gleich mehrere Tabus hatte die Technikerin und Wissenschaftsmanagerin an der Boku gebrochen. Sie stand nicht nur als erste Frau an der Spitze einer staatlichen Universität - sie kam als Absolventin der Technischen Universität Wien auch gar nicht vom Fach und war nicht habilitiert. An der Boku lehnte sie Zugangsbeschränkungen ab und begann, die Uni an vier Standorten zu entwickeln. In der Diskussion um Frauenquoten an Unis sprach sie sich anlässlich ihrer Inauguration damals für rechtlich verankerte paritätische Besetzungen aus: Davon verstehe Österreich durchaus etwas, verwies sie auf die Sozialpartnerschaft. Sowohl die Leitung der Bibliothek als auch die des Zentrums für Lehre sowie die erste Professur gingen kurz nach Bruners Inauguration an Frauen.

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