Wer die FKK-Sauna in der Simmeringer Karl-Gunsam-Gasse rechts liegen lässt und den Straßenzug weiter verfolgt, kommt zu einer richtigen "Gstettn". Hinter einem elektronisch zu öffnenden Metalltor stapeln sich in zwei Etagen gelb gestrichene Container. Bei einem ist die Tür offen, und ein heller Lichtschein dringt in die kalte Nacht. Aus dem Inneren ist Stimmgemurmel zu hören. Das Telefon-Gespräch dreht sich um Spice, jene Räucherkräutermischung, die wegen der berauschenden Wirkung gerne geraucht wird.
Indian Warrior, Blauer Lotus und Marihuanilla
"Wir haben Silver, Gold, Diamond, Arctical und Tropical. Silver ist das billigste und Diamond das Teuerste", sagt Walter in das kleine Mobiltelefon. Er verkauft nicht Schmuck. Doch auch Spice ist im Moment eine kleine Goldgrube. Wer es raucht, wird high - wie bei Marihuana, nur legal, noch zumindest. Dafür sorgen Zutaten wie "Indian Warrior", Blauer Lotus, Meeresbohne oder Marihuanilla und andere. Walter beendet das Gespräch: "Einmal Spice Gold, eine Dose Red Bull, ein Bier und einmal Zigaretten - kommt sofort."
Auslieferung mit dem Auto
Er und seine Mitarbeiter haben einen Nachtlieferdienst gegründet, der seit Anfang Oktober in Betrieb ist. Wem das Bier für die Party ausgeht, ruft bei Walter an. Dass dabei auch die legale Droge zugestellt wird, ist wieder einmal eine Facette für den Slogan "Wien ist anders". Woanders wird das Räucherkraut nicht mit dem Auto ausgeliefert.
50 Prozent Umsatz durch "Spice"
Der kleine Container ist Büro und Lager zugleich. Wer zu Walter will, muss vorbei an Kühlschränken, gefüllt mit Bier, Mineralwasser und Fruchtsäften, und an Kisten, in denen die Packungen Kondome neben den Feuerzeugen und die wieder neben den Futterdosen für Hund und Katz' liegen. Auch die Drei-Gramm-Sackerln Spice - Kostenpunkt je nach Qualität und Stärke 21 bis 31 Euro - liegen offen auf dem Tisch, derzeit die Cash-Cow des Zustelldienstes. "Der Spice-Anteil am Gesamtumsatz beträgt sicher 50 Prozent. Minimum", sagt der Zusteller.
"Vom Arzt bis zum Schulabbrecher"
Die Klientel geht quer durch die Gesellschaftsschichten: "Vom Arzt bis zum Schulabbrecher ist alles dabei", so Walter. Spice ordern jene genauso, denen die illegalen Substanzen ausgegangen sind, wie jene, die wegen ihres Drogenkonsums mit der Polizei zu tun haben und ihre Urinprobe abliefern müssen. Auf Spice werden sie nicht untersucht, weil es ja legal ist.
Als Drogendealer sieht sich Walter nicht: "Wir verkaufen es ja nur, solange es legal ist. Und wenn man sich die Menschheitsgeschichte ansieht, ist sie ja eine Geschichte des Rausches." Kritik übt der Zusteller am Staat: "Mir kann keiner erzählen, er weiß nicht, was mit den ganzen Stecklingen passiert, die in den Head- und Grow-Shops verkauft werden. Und der Staat schneidet brav mit, über die Mehrwertsteuer. Hinterher werden die Leute kriminalisiert." Und das bei einem Produkt, dessen Auswirkungen um vieles besser erforscht seien als bei Spice.
Für Experten "ein Blindflug"
Apropos Erforschung der Auswirkungen: Das sogenannte Legal-High-Präparat ist für "ChEckiT", Stelle für Information und Analyse von Drogen in Wien, "ein Blindflug". "Man kann nicht wirklich sagen, was drin ist", sagte "ChEckiT"-Einrichtungsleiter Roland Reithofer. Angegeben wird, dass Spice aus acht verschiedenen Kräutern besteht: Meeresbohne, Blauer Lotus, Marihuanilla, Indischer Lotos, Helmkraut, Afrikanisches Löwenohr, Maconha Brava und Indian Warrior. "Doch das allein kann nicht für die psychoaktive Wirkung verantwortlich sein", so Reithofer. Dem soll jetzt genauer auf den Grund gegangen werden, nicht zuletzt auf Initiative der Bundesdrogenkoordination.
Risiko wegen zu vieler offener Fragen
Dass die Ingredienzen nicht immer konsistent sind, dafür sprechen auch Aussagen von Konsumenten. "Von milder, so ähnlich bis zu wesentlich stärker" als Cannabis lauten die Rückmeldungen, sagte der "ChEckiT"-Vertreter. Das hänge auch vom Standort der Pflanzen ab, etwa wie sonnig der Platz war. "Es gibt auch keine Studien über das Suchtpotenzial." Die Dosierung sei eine weitere offene Frage, ebenso das gesundheitsgefährdende Potenzial von Spice: zum Beispiel wie krebserregend es ist?
Rechtlicher Status noch unklar
Der rechtliche Status ist reichlich unklar: Sicher ist nur, dass Spice laut einem kriminaltechnischen Gutachten nicht unter das Suchtmittelgesetz fällt und auch in seinem Herkunftsland Großbritannien legal am Markt ist. Doch auch das Jugendschutzgesetz ist betroffen. Demzufolge dürfen nämlich auch Stoffe, die berauschen, aber nicht unter das Suchtmittelgesetz fallen, nicht an Jugendliche ausgeliefert werden.
"Autofahren würd' ich jetzt nicht"
Klar ist jedenfalls: Wer Spice konsumiert hat, sollte nicht am Straßenverkehr teilnehmen. Das sagen sogar die Verbraucher selbst. "Autofahren würde ich jetzt nicht", so ein Konsument nach einem Spice-Joint. "Das Zeug hat im Straßenverkehr nichts verloren."
Sucht- und Drogenkoordination appelliert an Vernunft
Die Sucht- und Drogenkoordination untersucht jetzt, inwiefern das Arzneimittelgesetz von Spice berührt ist. "Einstweilen können wir nur aufklären und an die Vernunft appellieren, dass man aufpassen soll, was man zu sich nimmt." Im Dezember und Jänner wollen die Experten Elternvereine und Schlüsselpersonen in Schulen über Spice und ähnliche Produkte aufklären.
Offen bleibt, wie lange Spice noch legal erhältlich ist: Das BZÖ hat bereits ein Verbot der Kräutermischung gefordert. Wie wirkungsvoll ein solches wäre, bliebe abzuwarten. "Ein Verbot allein macht nicht viel aus", sagte Reithofer dazu. "Wer es konsumieren will, tut es auch." Doch von der Signalwirkung her würde ein solcher Schritt schon wiederum Sinn machen, fügte der Experte hinzu.
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