Schockierender Fall

Mörderin quälte jahrelang ihr Pflegekind

Österreich
02.06.2017 15:32

Er war erst ein paar Monate alt, als er zu einer wegen Kindsmordes verurteilten Frau in Pflege kam. Damit begann für einen Steirer ein jahrzehntelanger Albtraum. Jahre später wandte sich der Mann ans Land - und bat um Wiedergutmachung. Doch das war zu spät ...

Walfried O. hat eine angenehme, ruhige Stimme. Nur ein klein wenig, kaum merklich, verändert sich der Ton - wenn er über die fürchterlichen Dinge spricht, die ihm in seiner Kindheit und Jugend angetan wurden. "Ich habe gelernt, mit meiner Vergangenheit zu leben", sagt der 50-Jährige: "Aber vergessen - nein, vergessen werde ich nie."

Das Grauen, den Horror, den er durch Margarete A. erfuhr. 16 Jahre hindurch. "Seit ich im Alter von ein paar Monaten zu ihr in Pflege gekommen bin, weil meine Mutter es nicht schaffte, mich zu versorgen." Damit begann für den Buben ein Alptraum. Massive Schläge, von klein an. Wüste Bestrafungsaktionen, "ohne, dass es dafür je einen Grund gab".

"Es machte ihr einfach Spaß, mich zu quälen"
Völlig isoliert von der Außenwelt wuchs er in einem Haus in der Südsteiermark, in Leibnitz, auf. In einem Mikrokosmos des Wahnsinns - bei "einer Bestie". Bei der Frau, die 1956 ihrem eigenen Kind kurz nach der Geburt den Schädel eingeschlagen und es danach in eine Mülltonne geworfen hatte - und dafür 1957 zu drei Jahren Haft verurteilt worden war. Doch davon wollte niemand gewusst haben, als Walfried O. 1967 in die Obhut der Gewalttäterin kam, "der es so viel Spaß machte, mich zu quälen".

Zähne mit rostiger Zange gezogen
Das schrecklichste Erlebnis, an das er sich erinnert? "Ich muss etwa acht gewesen sein, meine Zähne waren voll Karies, ich hätte zum Zahnarzt müssen. 'Nein, dort gehen wir nicht hin', sagte meine Pflegemutter - 'für dich gebe ich kein Geld aus'. Und sie legte mich auf den Küchentisch. Ihre beiden leiblichen Kinder hielten mich fest, während sie mir bei vollem Bewusstsein mit einer rostigen Zange alle Zähne zog."

Die täglichen Quälereien waren für ihn damals schon längst zur Gewohnheit geworden. Die Prügel. Das Knien auf Holzscheiten. Abgeschottet zu sein in dunklen Räumen. Der Hund, der darauf trainiert war, ihn zu attackieren. Die Anweisung, "den Stuhlgang, oft über Tage hindurch, zu unterdrücken". Die ständigen Drohungen: "Wenn du irgendwem etwas von alledem erzählst, werde ich dich ermorden."

Prügelknabe und Außenseiter in der Schule
In der Schule galt O. als Außenseiter. "Ich lernte schlecht, war für meine Klassenkollegen der Prügelknabe, sprach kaum ein Wort." Immer wieder Aufenthalte in psychiatrischen Abteilungen der Kirche: "Die Ordensschwestern dort behandelten mich auch sehr schlecht."

Mit 16 "meine Chance": "Ein Pfleger hatte Mitleid mit mir, ich durfte zu ihm und seiner Frau ziehen." Endlich Normalität: "Ich lernte, wie es sich anfühlt, nicht ständig Angst haben zu müssen. Trotzdem kriegte ich mich seelisch nicht wirklich ein."

Im Vollrausch Taxifahrer getötet
Sein Umzug nach Wien. Besäufnisse, "in meiner Orientierungslosigkeit". Und dann wurde Oswald selbst zum Täter. 1986 brachte er im Vollrausch einen Taxifahrer um: "Ich wurde zu 16 Jahren Kerker verurteilt." Im Gefängnis lernte er "richtig lesen und schreiben, und ich machte eine Ausbildung zum EDV-Spezialisten". Und danach? "Lernte ich langsam, mich in die Gesellschaft einzufügen." Bekam eine Stelle bei einer Computerfirma, lernte eine Frau kennen, heiratete sie, bekam mit ihr ein Mädchen und einen Buben.

Walfried O's Heute? "Ich führe mit meiner Familie ein zufriedenes Dasein." In einem Dorf in Niederösterreich. "Meine Frau ist berufstätig. Ich versorge die Kinder, kümmere mich um den Garten, bastle an unserem Haus herum. In einer Firma zu arbeiten, würde ich nicht schaffen. Denn das Früher hat Spuren in mir hinterlassen. Ich bin einfach nicht mehr besonders belastbar ..."

Die Opfer haben derzeit keine Chance auf Hilfe
Wer zu spät kommt, hat Pech gehabt: Das ist die zynische Realität für jene Gewalt- und Missbrauchsopfer, die sich nicht rechtzeitig bei der steirischen Opferschutzkommission gemeldet haben. Diese wurde im Sommer 2011 eingerichtet. Sie sollte jene Fälle bearbeiten, die schon verjährt sind - wie es bei Walfried O. der Fall ist. Denn, so hielt etwa die Volksanwaltschaft fest: "Traumata brechen oft erst 20 oder 30 Jahre nach den Ereignissen auf."

Doch die Kommission war nur bis Sommer 2013 im Amt. 129 Personen bekamen insgesamt 860.000 Euro an Entschädigungsgeldern und Therapieleistungen. Offenbar reicht das nicht. Rund 60 Personen sollen sich seither noch gemeldet haben. Sie haben aber keine Chance auf Wiedergutmachung. Ein Antrag auf Fortführung der Opferschutzkommission wurde 2016 von steirischer ÖVP und SPÖ abgelehnt.

Keine Konsequenzen für Jugendamt
Das sei schockierend für die Opfer, sagen die Volksanwälte. Aus dem Amt der steirischen Soziallandesrätin Doris Kampus hieß es dazu, dass derzeit nach einer Lösung gesucht würde. Konsequenzen für das Jugendamt Leibnitz sind wohl auszuschließen, die damals handelnden Personen längst nicht mehr greifbar. Die Politik beruhigt: Ein derartiger Fall sei heute undenkbar, weil es viel mehr und bessere Kontrollen beim Kinder- und Jugendschutz gebe.

Martina Prewein, Kronen Zeitung

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