Nach Urteil in Dubai

Eugen Adelsmayr: “Gegen Intrigen ist man nie gefeit”

Österreich
21.10.2012 19:46
Das Telefon klingelte am Sonntag kurz nach sieben Uhr morgens. Am Dubai Court (der Zeitunterschied beträgt plus eine Stunde) war gerade das niederschmetternde Urteil im Mordprozess gegen Dr. Eugen Adelsmayr gefallen. "Lebenslang mit anschließender Deportation", meldete seine geschockte Anwältin. Im "Krone"-Interview klingt der Mediziner aus Bad Ischl erstaunlich gefasst, aber es schwingt auch leiser Zorn mit und Fassungslosigkeit über das Rechtssystem eines Landes, das er einmal sehr geliebt hat.

"Krone": Herr Dr. Adelsmayr, Sie haben 462 Tage auf dieses Urteil gewartet. Was hat es bei Ihnen ausgelöst?
Eugen Adelsmayr: Ich habe immer mit dem Schlimmsten gerechnet, aber dieses Urteil ist tolldreist. Dass der Mitangeklagte freigesprochen wird und ich lebenslang kriege, das hat sogar mich überrascht.

"Krone": Das Schlimmste wäre die Todesstrafe gewesen.
Adelsmayr: Ich weiß nicht. Wer die Gefängnisse von Dubai kennt, der weiß, dass die Lebenserwartung dort gelinde gesagt nicht sehr hoch ist. "Lebenslang mit anschließender Deportation": Wird dann mein Leichnam heimgeschickt? Das ist alles sehr skurril.

"Krone": Welches Gefühl überwiegt im Moment?
Adelsmayr: Zorn... Weil der Richter einem gefälschten Gutachten gefolgt ist. Das Originalgutachten und sogar die höchste medizinische Bundesinstanz von Dubai sprechen mich frei. Dass sich der Richter über alles hinwegsetzt, ist hart zu verdauen, das schmerzt.

"Krone": Sie haben in Dubai als Arzt viel Geld verdient und sicher auch ein schönes Leben geführt. Hätten Sie nicht wissen müssen, worauf Sie sich einlassen?
Adelsmayr: Es gibt Hunderttausende, die da unten arbeiten. Die sind ja auch nicht alle ganz blöd. Hier sind Willkür, Dummheit und Arroganz zusammengekommen. Das war so nicht vorhersehbar.

"Krone": War es das wert?
Adelsmayr: Nein...

"Krone": Werden Sie jetzt lebenslang grübeln, warum das gerade Ihnen passiert ist?
Adelsmayr: Natürlich frage ich mich das. Es gibt durchaus Leute, die sagen, dass es kein Wunder ist bei meiner Sturheit in manchen Sachen. Ich gebe eben nicht leicht klein bei.

"Krone": Was wird das "Lebenslang" an Ihrem Leben ändern?
Adelsmayr: Nicht viel. Ich glaube, dass ich ganz gut darüber hinwegkomme. Die ganze Sache hat nicht mehr die Bedeutung, die es noch vor einem Jahr für mich hatte. Das hat auch damit zu tun, dass ich alles sauber dargelegt habe in meinem Buch. Ich habe auch einiges riskiert, um zu meinem Recht zu kommen. Aber es hat eben nicht sein wollen. In meinen Augen hat sich das Rechtssystem selber diskreditiert. Ich brauche das gar nicht weiter abfällig zu kommentieren.

"Krone": Ist es schwer für Sie, nicht mehr frei reisen zu können?
Adelsmayr: Wenn ein internationaler Haftbefehl rausgeht, heißt das noch lange nicht, dass sich alle Länder daran halten müssen. Europa ist groß genug, dass noch einige Ziele übrig bleiben. (lacht)

"Krone": Wenn Sie das Rad zurückdrehen könnten, was würden Sie dann anders machen?
Adelsmayr: Wahrscheinlich nichts. Gegen Widersacher und Intrigen ist man nie gefeit... Ich würde nur nicht mehr runtergehen.

"Krone": Apropos Widersacher – hegen Sie heimlich Rachegefühle?
Adelsmayr: Ich gebe ganz ehrlich zu: Die drei Personen, die mir das eingebrockt haben, Hassan, Yasser und Ashraf, die würde ich auch gerne deportiert sehen in ihre Heimatländer Ägypten, Syrien und den Irak.

"Krone": Sie könnten nur gegen dieses Urteil berufen, wenn Sie wieder nach Dubai reisen. Denkbar?
Adelsmayr: Nein, kommt nicht infrage. Außer ich kriege freies Geleit, um Berufung einzulegen. Das wäre mein größter Wunsch.

"Krone": Was raten Sie Österreichern, die sich dort aufhalten?
Adelsmayr: Mein Fall hat deutlich gemacht, dass mit diesem Land nicht zu spaßen ist. Ich kann nur jedem dringend raten, sobald das geringste Problem auftaucht, das kann auch eine läppische kleine Auseinandersetzung sein, nichts wie weg! Sofort das Land verlassen.

"Krone": Sie durften ja aus humanitären Gründen ausreisen und müssen nicht ins Gefängnis. Aber wie leben Sie mit diesem Urteil?
Adelsmayr: Es ist noch so frisch... Es ist im Moment noch so absurd, dass es mich weniger belastet, als ich befürchtet habe. Es ist irgendwie kabarettreif. Aber vielleicht ist das auch Galgenhumor.

"Krone": Wer kann Ihnen jetzt noch helfen?
Adelsmayr: Ich hoffe, dass es auf politischer Ebene Möglichkeiten geben wird. Ich werde das mit der Rechtsabteilung des Außenministeriums diskutieren (siehe dazu auch Infobox). Und mich in der Folge an die gesamte österreichische Regierung, an die EU und an Amnesty International wenden. Ich glaube – ohne es zu wissen –, dass sich eine Möglichkeit finden wird. Ich kämpfe auf jeden Fall weiter.

"Krone": Lieben Sie Dubai noch?
Adelsmayr: Ja. Ich versuche, das auseinanderzuhalten. Ich habe noch immer viele gute Freunde in Dubai. Ich vermisse auch das Meer. Dass ich das System von der ganz primitiven Seite kennengelernt habe, ist halt die Kehrseite der Medaille.

"Krone": Herr Dr. Adelsmayr, sind Ihre Gedanken eigentlich auch beim Opfer, um das es im Mordprozess gegangen ist?
Adelsmayr: Manchmal, ja. Das war ein erbarmungswürdiger Mensch... Einer dieser Zeitarbeiter aus den Camps am Rande der Stadt, die um einen Bettellohn bei bis zu 50 Grad im Straßenbau schuften. Querschnittsgelähmt, nachdem er aus dem Stockbett gefallen ist. Als er gestorben ist, hat niemand den Leichnam abgeholt. Er hatte bei uns die bestmögliche medizinische Behandlung, wurde zigmal reanimiert. Aber er hatte von Anfang an nicht die geringste Überlebenschance.

"Krone": Ihre Frau ist im Jänner gestorben. Wünschen Sie sich manchmal, dass Sie das gemeinsam durchstehen könnten?
Adelsmayr: Ja... Meine Frau fehlt mir und meinen Söhnen jeden Tag.

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