Kampusch-Prozess

Nachbarin belastet Mutter von Natascha schwer

Österreich
16.05.2008 12:57
Hat die Mutter von Natascha Kampusch, Brigitta Sirny, etwas mit der Entführung ihrer Tochter zu tun? Diese Frage beschäftigte am Donnerstag das Grazer Zivilgericht am zweiten Verhandlungstag des von Ex-Richter Martin Wabl angestrengten Prozesses. Am Vormittag machte der pensionierte Jurist, der in dem Verfahren einen "Wahrheitsbeweis" antreten darf, den Anfang und legte seine Theorie, zu der insgesamt elf Zeugen befragt wurden, noch einmal dar. Nach Natascha Kampuschs Vater sagte auch das Entführungsopfer aus - allerdings unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Eine Nachbarin und ehemalige Angestellte von Brigitta Sirny belastete die Klägerin schwer.

Zunächst legte Wabl dar, wieso er nach wie vor an eine Mitschuld der Mutter glaubt. Unterstützt von Detektiv Walter Pöchhacker schilderte Wabl, dass er schon beim Verschwinden des Mädchens vermutet habe, es handle sich "um keinen normalen Entführungsfall", sondern "die Lösung liegt in der Familie".

Wenige Tage nach dem Verschwinden des Mädchens habe er sich mit Sirny getroffen, um seine Hilfe anzubieten. Eine Schwester von Natascha Kampusch habe ihm dabei erzählt, das Mädchen habe kurz zuvor stark zugenommen und begonnen, ins Bett zu machen. "Das deutete für mich auf einen sexuellen Missbrauch hin", sagte Wabl. Die Polizei habe diese Richtung zwar zunächst verfolgt, aber nach einem Gutachten des Sachverständigen Max Friedrich, der keine Anzeichen für sexuellen Missbrauch vor dem Verschwinden fand, wurde diese Spur fallen gelassen. Stutzig sei er geworden, als Brigitta Sirny schon bald erklärt habe, sie habe die Hoffnung aufgegeben. "Eine Mutter gibt die Hoffnung überhaupt nicht auf", meinte der pensionierte Richter.

Koch: "Ich möchte Klarheit"
Ludwig Koch, Nataschas Vater, erklärte danach, er könne nicht sagen, ob er Wolfgang Priklopil gekannt habe - und er bezweifelte auch, dass das Sirny mit Bestimmtheit könne. Er schilderte, dass Sirny am Tag von Nataschas Verschwinden bereits eine Anzeige erstattet hatte, bevor sie ihn anrief. "Das hat mich im Nachhinein verwundert", so Koch. Über Sirny sagte er: "Ich möchte nicht auf sie losgehen, ich möchte Klarheit". "Haben Sie den konkreten Verdacht, dass sie etwas mit der Sache zu tun hat?", fragte Richter Jürgen Schweiger. "Kann ich nicht sagen. Weder zu hundert Prozent ja noch zu hundert Prozent nein."

Kampusch nimmt Mutter in Schutz
Natascha Kampusch sagte um 11.50 Uhr in schwarzen Leggins, einem schwarz-weißen Kleid und einem weißen Blazer aus. Sie nahm Platz, anschließend wurde die Öffentlichkeit ausgeschlossen. 20 Minuten dauerte die Befragung und natürlich sagte sie - wie der Richter später verkündete - nicht gegen ihre Mutter aus. "Sie hat sich bewundernswert geschlagen", sagte ihr Anwalt Gerald Ganzger. Tenor der Aussage: Ihre Mutter habe nichts mit den schweren Beschuldigungen von Ex-Richter Wabl zu tun.

Nachbarin belastete Sirny schwer
Eine Nachbarin und ehemalige Angestellte von Brigitta Sirny belastete diese hingegen schwer. "Ich glaube, dass sie mit der Entführung zu tun hat", meinte die Befragte. Ihrer Meinung nach sei vor der Entführung "entweder in der Nacht etwas passiert oder sie hat Natascha verkauft", so ihre Angaben. Zusätzlich gab sie an, Wolfgang Priklopil einmal im Geschäft von Brigitta Sirny gesehen zu haben.

"Zum sexuellen Missbrauch kann ich nichts sagen, ich war ja nicht dabei", meinte die Zeugin. Sie schilderte, wie am Tag vor Nataschas Verschwinden das Mädchen bis in die Nacht hinein bei ihr auf die Mutter gewartet hatte. Natascha war damals gerade von einem Ungarn-Ausflug mit ihrem Vater zurückgekommen. Sirny sei sehr böse gewesen, weil Natascha nicht allein in der Wohnung gewartet hätte. Am nächsten Tag verschwand die Zehnjährige. Die Nachbarin fuhr zum Vater, um bei der Suche zu helfen. "Dann hab' ich sie angerufen und gesagt, dass niemand da ist, aber da hat sie schon Anzeige erstattet. Das ist mir komisch vorgekommen, ich hätte Natascha ja mitbringen können", gab die Zeugin zu bedenken.

Sirny-Anwalt droht Zeugin mit Klage
Zur Polizei habe sie damals gesagt: "Entweder ist in der Nacht etwas passiert oder sie (Sirny, Anm.) hat Natascha verkauft." "Das klingt seltsam", gab der Richter zu bedenken. "Die Frau Sirny war immer nur aufs Geld aus", so die Nachbarin. Dem Anwalt der Klägerin wurden die Aussagen schon fast zu viel, er drohte der Zeugin mit einer Klage. "Das ist keine Tratschrunde über Frau Sirny", meinte er erbost.

Schließlich schilderte die Nachbarin noch, wie sie im Geschäft von Brigitta Sirny im Herbst 1997 zwei Männer bei einem Stromkasten gesehen hätte. Einer sei ein Bekannter ihrer Chefin gewesen, der zweite "hat mich so deppert angeschaut. Er war kleiner als ich. Seit ich die Bilder im Fernsehen gesehen habe weiß ich, es war der Priklopil", war sie überzeugt.

Geiger und Friedrich als Zeugen
Zwei prominente Zeugen wurden am Nachmittag gehört. Zunächst wurde Psychiater Max Friedrich befragt, der kurz nach Nataschas Verschwinden ein Gutachten erstellt hatte. Darin vertrat er die Meinung, es habe vor der Entführung keinen sexuellen Missbrauch gegeben. Ernst Geiger, damals Leiter der Mordkommission des Wiener Sicherheitsbüros erklärte, man habe die Ermittlungen gegen die Familie des Mädchens sehr bald eingestellt.

Da einige Zeugen, darunter der ehemalige Chef des Sicherheitsbüros, Max Edelbacher, nicht erschienen waren, wurde der Prozess vertagt.

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