Spezial-Bodenradar

Wiener Forscher spüren Wikinger-Häuptlingssitz auf

Wissenschaft
23.05.2013 14:14
Mithilfe eines neuen, schneetauglichen Bodenradarsystems haben Wissenschaftler des Wiener Ludwig-Boltzmann-Instituts für Archäologische Prospektion und Virtuelle Archäologie (LBI ArchPro) maßgeblich zur Entdeckung eines wikingerzeitlichen Häuptlingssitzes mit Ritualplätzen, Grabhügeln und Hafenanlage im norwegischen Borre beigetragen.

Das am Oslofjord liegende Borre ist bereits seit 1852 als bedeutender Fundort aus der Wikingerzeit bekannt. Damals wurde dort in einem Grabhügel ein Wikingerschiff gefunden. In dem mittlerweile 18 Hektar großen archäologischen Nationalpark befindet sich heute "die größte Anordnung solcher monumentaler Grabhügel aus der Zeit der Wikinger von 600 bis 900 nach Christus", wie der Leiter des LBI ArchPro, Wolfgang Neubauer, erklärte.

Mit Radar in den Boden schauen
Wegen der kurzen Vegetationszeiten in Norwegen entwickelten die Forscher ein schneetaugliches Bodenradar (Bild 2), mit dem sie im vergangenen Winter auf der Suche nach Siedlungsstrukturen die nähere Umgebung des Bestattungsplatzes auf einer Fläche von 20 Hektar bis in zwei Meter Tiefe durchleuchteten. Bei dieser Methode werden die Grenzflächen von Materialien mit unterschiedlichen elektromagnetischen Eigenschaften sichtbar gemacht.

Die Analyse der hochauflösenden, dreidimensionalen Messbilder brachte neben zahlreichen Flakstellungen und Laufgräben aus dem Zweiten Weltkrieg die Überreste eines typischen wikingerzeitlichen Langhauses mit mehreren Nebengebäuden zutage. "Das Langhaus wurde auf einer künstlich aufgeschütteten Terrasse mit ungefähr 1.500 Quadratmetern errichtet. Das Gebäude selbst hat eine Länge von ungefähr 47 Metern und eine Breite von zwölf bis 14 Metern", so Neubauer.

Auf der Suche nach dem Wikinger-Hafen
Primär waren die neun erhaltenen Hügel nur vom Meer aus zu sehen. Das brachte die Forscher auf die Idee, dass es einen entsprechenden Anlegeplatz für Schiffe geben müsste. Die Auswertung weiterer Daten, die unter anderem per Laserscanner aus der Luft gewonnen wurden, erbrachte den Nachweis einer strukturierten Hafenanlage mit Wellenbrechern und Hafenbecken: "Die fluggestützten Methoden waren wichtig für das Erkennen dieser Grabhügel, ihren Zusammenhang und ihre Verbindung zu diesen Hafenanlagen."

Ursprünglich verband man die Grabhügel mit dem aus den nordischen Sagas bekannten Clan der Ynglinger. Moderne DNA-Analysen haben nun laut Neubauer gezeigt, dass es sich nicht um eine Familie handelt, sondern dass mehrere Häuptlinge aus der näheren Umgebung diesen Platz gewählt hatten, um ihre Toten zu bestatten. "Diese überregionale Bedeutung ist ein ganz wesentlicher Punkt", erklärte der Wissenschafter.

Langhaus ist über 1.000 Jahre alt
Aufgrund der typischen Wandkonstruktion wurde das nun entdeckte Langhaus auf die Zeit von 950 bis 980 n. Chr., also an das Ende der Belegungszeit des Gräberfeldes, datiert. Dies zeige, dass dieser Bestattungsort bewusst von Häuptlingen als eines der ersten neuen Machtzentren gewählt wurde, um dort Bezug auf ihre Vergangenheit zu nehmen. "Das ist ganz wichtig für diese Zeit, in der sich die Wikinger erstmals auch politisch größer formierten und hier quasi eine erste normannische Wikingeridentität entstand", so Neubauer über den historischen Kontext der Entdeckungen.

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