Schuld am Weltkrieg

Historiker: “Schreiben war nicht unbekannt”

Ausland
08.01.2014 15:15
Das vom serbischen Staatsarchiv diese Woche präsentierte Schreiben des österreichisch-ungarischen Bosnien-Verwalters Oskar Potiorek hat entgegen Belgrader Darstellungen keinen Neuigkeitswert. Das Dokument sei weder unbekannt noch ungewöhnlich, sagte der bosnische Historiker Husnija Kamberovic am Mittwoch.

In dem mit Mai 1913 - über ein Jahr vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs - datierten Schreiben hatte der Militärgouverneur einen Krieg gegen Serbien als unvermeidlich bezeichnet. Die Aussage soll Serbien offenbar von einer Verantwortung für den Krieg entlasten.

Kamberovic, Leiter des Historischen Instituts von Sarajevo, sagte der APA, dass das Dokument schon wiederholt von Historikern analysiert worden sei. Unter anderem habe sich der bosnische Historiker Dzevad Juzbasic schon Ende der 1970er Jahre - zum 70. Jahrestag der Annexion Bosnien-Herzegowinas durch Österreich-Ungarn - ausführlich mit dem Schreiben befasst. Das zum Nachlass Potioreks zählende Dokument wird im Wiener Staatsarchiv aufbewahrt.

"Unvermeidbarkeit eines Waffengangs war oft Thema"
Kamberovic gab an, dass Potiorek mehrmals von der Unvermeidbarkeit eines Waffengangs gegen Belgrad gesprochen habe. Schon im Jahr 1912 habe er Wien von dieser Einschätzung in Kenntnis gesetzt.

Das gegenständliche Schreiben, adressiert an Finanzminister Leon Bilinski, sei im Mai 1913 unmittelbar nach der Skutari-Krise entstanden. Wegen der damaligen Spannungen habe der Bosnien-Verwalter eine Reihe von Sondermaßnahmen ergriffen.

"Kriegsvorbereitungen keineswegs ungewöhnlich"
Auch die damaligen Kriegsvorbereitungen Österreich-Ungarns hält der bosnische Historiker für keineswegs ungewöhnlich. Schließlich habe sich auch Serbien auf den Krieg vorbereitet, sagte Kamberovic. Nach den Siegen im Ersten und dem Zweiten Balkankrieg (1912-1913) habe Belgrad eine Auseinandersetzung mit Österreich-Ungarn in Bosnien sogar angestrebt.

Kamberovic verweist diesbezüglich auf einen mit März 1914 datierten Brief Potioreks, in dem von der Forderung eines Belgrader Emissärs nach einer Ausweitung Serbiens auf Bosnien-Herzegowina und große Teile Kroatiens berichtet wird. Demnach habe der Emissär gesagt, es wäre besser, dies im Frieden zuzulassen, als dazu gezwungen zu werden, "wenn serbische Soldaten einmal vor Zagreb stehen".

Ermordung des Thronfolgers führte zur Kriegserklärung
Am 28. Juni 1914 später wurde der österreichisch-ungarische Thronfolger Franz Ferdinand in Sarajevo vom serbischen Nationalisten Gavrilo Princip erschossen. Princip war Bosnier und damit österreichisch-ungarischer Staatsbürger, agierte aber mit Unterstützung des serbischen Geheimdienstes. Belgrad nahm ein Ultimatum Wiens, in dem die Zulassung österreichischer Ermittlungen auf serbischem Staatsgebiet gegen die Hintermänner des Attentats verlangt wurde, nicht vorbehaltlos an.

Am 28. Juli 1914 erklärte Österreich-Ungarn Serbien den Krieg, was innerhalb weniger Tage auch Russland, das Deutsche Reich, Frankreich und Großbritannien zu Kriegserklärungen bewog. In den folgenden vier Jahren weitete sich der Krieg zu einem weltumspannenden Morden aus, mit rund 20 Millionen militärischen und zivilen Toten.

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