Wütendes Volk

Demos und Streik: Griechenland stand wieder einmal still

Ausland
15.06.2011 16:55
Aus Protest gegen das Sparprogramm der Regierung haben die griechischen Gewerkschaften am Mittwoch erneut zu umfassenden Streiks aufgerufen. Wegen des Ausstands fielen Züge, Fähren und die Athener Vorstadtbahn aus. Ministerien und staatliche Unternehmen sowie zahlreiche Banken blieben geschlossen. Auch die Händler sperrten ihre Geschäfte zu. Es war der dritte Generalstreik in diesem Jahr. Zudem fanden vor dem Parlament den 20. Tag in Folge wütende Demonstrationen statt.

Die hauptsächlich über das Internet organisierte Bewegung der "Empörten Bürger" und die beiden größten Gewerkschaftsverbände wollten mit dem Ausstand das öffentliche Leben in Griechenland weitgehend lahmlegen. Die Tourismusbranche sollte darunter jedoch nicht direkt leiden, da die Fluglotsen nicht am Streik teilnahmen. Auch die Arbeitsniederlegung der Journalisten im Fernsehen und Rundfunk, der zunächst 24 Stunden dauern sollte, wurde laut dem griechischen Journalistenverband abgebrochen, um die Berichterstattung wieder aufzunehmen.

Die Bewegung der "Empörten Bürger" will weiterhin täglich Demonstrationen vor dem Parlament abhalten, bis dieses am 30. Juni über das Sparprogramm abstimmt. Am Mittwoch machten bis zu 40.000 Demonstranten ihrem Zorn erneut mit "Diebe, Verräter!"-Sprechchören Luft und wollten den Abgeordneten den Zugang zum Gebäude verwehren.

Polizei setzt Tränengas gegen Randalierer ein
Rund 1.500 Polizisten sperrten einen Teil der Innenstadt ab und errichteten zwei Meter hohe Barrikaden. Die Absperrungen wurden zusätzlich mit Wasserwerfern umstellt. Die Polizei feuerte mit Tränengas auf eine Gruppe von bis zu 200 Jugendlichen, die den Polizeikordon vor dem Parlament mit Molotow-Cocktails und Steinen angriffen. Mehrere Menschen wurden verletzt und zahlreiche Personen festgenommen.

Auch in Thessaloniki im Norden des Landes gingen den Behörden zufolge 20.000 Menschen auf die Straße. "Ich bin wütend und angewidert", sagte eine Demonstrantin. "Das sind sehr harte Maßnahmen, und sie werden uns nicht aus der Krise führen. Ich glaube nicht, dass die Regierung keine Alternative hat." Ein Pensionist meinte: "Die ganze Sparpolitik bringt doch alles nichts. Nur Arbeitslosigkeit, Hunger und Armut."

Regierung gerät immer stärker unter Druck
Die griechischen Abgeordneten prüfen seit Mittwoch das neue Sparpaket der Regierung im Umfang von rund 28 Milliarden Euro für den Zeitraum bis 2015. Die Pläne von Premier Giorgos Papandreou sehen zusätzliche Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen vor, um den Haushalt um weitere 6,5 Milliarden Euro zu entlasten. Damit will die Regierung die Auszahlung der nächsten Kredittranche in Höhe von 12 Milliarden Euro aus dem 110 Milliarden Euro schweren internationalen Hilfsprogramm von EU, IWF und EZB sichern, ohne dass die Zahlungsunfähigkeit droht.

Doch Papandreous Kabinett gerät immer mehr unter Druck. Am Dienstagabend hatte sich ein Abgeordneter der sozialistischen Regierungspartei PASOK für unabhängig erklärt. Damit schrumpfte die Mehrheit der Sozialisten auf 155 Abgeordnete im Parlament, das insgesamt 300 Mandatare umfasst. Neuwahlen werden von Beobachtern nicht mehr ausgeschlossen.

EU weiterhin uneinig über neues Rettungspaket
Indes ist ein neues Rettungspaket für Griechenland weiter in der Schwebe. Die EU-Finanzminister konnten in Gesprächen am Dienstagabend in Brüssel kein Ergebnis erzielen. Knackpunkt ist eine Beteiligung der Finanzwirtschaft an weiteren Hilfen. Damit wurde auch keine Vorentscheidung oder zumindest Weichenstellung zu einem allfälligen zweiten Rettungspaket für Griechenland getroffen. Die hier kolportierten Zahlen liegen zwischen 60 und 120 Milliarden Euro.

Griechenland hat weltweit schlechteste Bonität
Seit Montag gilt Griechenland für die US-amerikanische Ratingagentur Standard & Poor's weltweit als jener souveräne Staat, der über die schlechteste Kreditwürdigkeit verfügt. In einem ungewöhnlich großen Schritt über drei Stufen hat S&P die Bonität des südosteuropäischen Eurolandes von "B" auf "CCC" abgewertet. Dies gilt bereits als absoluter Ramschstatus. Die Kreditwürdigkeit Griechenlands wird damit noch schlechter bewertet als etwa jene von Ländern wie Ägypten, Venezuela, Pakistan, Jamaika, Ecuador oder Burkina Faso. Griechische Staatsanleihen sind nun nur noch vier Stufen von einer "D"-Bewertung entfernt, der schlechtestmöglichen Beurteilung.

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