Börsenwert von 1996

BP wegen Kurssturz jetzt “tot mehr wert als lebendig”

Ausland
11.06.2010 07:36
Die Aktie des britischen Ölkonzerns BP ist nach einem 72-Stunden-Ultimatum der US-Regierung, neue Vorschläge im Kampf gegen die Ölpest im Golf von Mexiko vorzulegen, erneut eingebrochen. Der Kurs sackte an der Wall Street am Mittwoch auf 29,20 Dollar und damit auf ein 14-Jahres-Tief ab. Die sogenannte Marktkapitalisierung rutschte unter den Buchwert des Konzerns. "Tot mehr wert als lebendig", titelten US-Medien. Indes wurde bekannt, dass noch viel mehr Öl ins Meer strömt als bisher angenommen.

Börsenanalysten raten zwar weiterhin zum Kauf von BP-Aktien, weil bei einer Kurserholung viel zu verdienen wäre. Die Wahrscheinlichkeit einer Zerschlagung oder Abwicklung des Konzerns schätzen die Börsianer aber höher ein als je zuvor. Durch den abgesackten Börsenwert sei das Unternehmen derzeit in seinen Einzelteilen mehr Wert als im Ganzen.

Die Preise für Zahlungsausfallversicherungen für an BP gewährte Kredite sind indes sprunghaft gestiegen. Die fünfjährigen "Credit Default Swaps" des Ölkonzerns kletterten um 195 auf 570 Basispunkte. Damit kostete die Versicherung eines 10 Millionen Pfund schweren Kredites an das Unternehmen 570.000 Pfund.

"Markt geht vom Worst-Case-Szenario aus"
Das US-Bankhaus Merrill Lynch erhöhte das Risikorating am Mittwoch von "Mittel" auf "Hoch". Aus finanzieller Sicht sei BP nach wie vor robust und die Aktie sei "langfristig unterbewertet", weil die vollständigen Kosten für das Öldesaster im Golf von Mexiko derzeit aber nicht genau abgeschätzt werden können, sehe sich BP kurz- bis mittelfristig mit größeren Risiken konfrontiert. Der Markt gehe derzeit von Worst-Case-Szenario aus.

Ein Analyst der Bank Morgan Stanley meinte, der Markt rechne offenbar fix mit einer Aussetzung der Dividende. Am Dienstag hatten 33 Abgeordnete des Repräsentantenhauses BP-Chef Tony Hayward in einem Brief aufgefordert, kein Geld für Dividenden und Werbekampagnen zur Imagereparatur auszugeben, solange noch hohe Kosten wegen der der Ölpest ausstehen. Investoren verlangten nun vom BP-Aufsichtsrat, dem Management weiter den Rücken zu stärken. Geschehe dies nicht, könnte der politische Druck auf BP weiter wachsen und den fundamentalen Wert des Konzerns in den Hintergrund treten lassen, so der Morgan-Stanley-Experte.

Öl-Investor: "BP hält noch einen Monat so durch"
Die BP-Aktie hat seit Beginn der Ölpest um mehr als 40 Prozent nachgegeben. In nur sieben Wochen ist der Börsenwert des britischen Konzerns damit um 82 Milliarden Dollar eingebrochen. "Wenn es so weitergeht, haben sie noch einen Monat, bevor sie in die Insolvenz stürzen", prophezeite der texanische Öl-Investor Matt Simmons in einem Interview mit dem US-Magazin Fortune. "Es wird ihnen das Geld ausgehen - wegen all der Klagen, der Aufräumarbeiten und anderer Kosten", so Simmons.

US-Präsident Barack Obama habe geschickt gehandelt, in dem er von BP eine schriftliche Zusage einforderte, dass der Konzern für "jeden einzelnen Dollar der Aufräumarbeiten bezahlen wird". Dass dies tatsächlich möglich sein wird, bezweifelt Simmons aber: "Mit keinem Geld der Welt kann man dieses Fiasko im Golf von Mexiko aufräumen. Wenn BP das erst einmal realisiert, werden sie in Panik geraten und die Insolvenz beantragen."

Bei den Bemühungen zur Abdichtung des Lecks fordert Simmons, dass die US-Regierung BP die Verantwortung enzieht und stattdessen die Marinestreitkräfte das Kommando über alle eingesetzten Arbeiter und Drittfirmen übernehmen. "Solange BP hier das letzte Wort hat, werden sie alles zu ihren Gunsten drehen."

BP konnte auf die Kursstürze nur mit Beteuerungen reagieren. Der Konzern habe genügend Finanzmittel, um für die Kosten der Umweltkatastrophe im Golf von Mexiko aufzukommen. Bisher habe die Ölpest BP rund 1,43 Mrd. Dollar (rund 1,2 Mrd. Euro) gekostet. "BP begegnet dieser Situation als starkes Unternehmen", teilte der Ölmulti am Donnerstag mit. BP-Chef Tony Hayward versuchte, die Panik der Finanzmärkte als unbegründet darzustellen. "Es gibt keine objektiven Gründe für diesen Börsenwert", meinte er.

US-Regierung fordert mehr Zahlungsgarantien
Die US-Regierung hat BP an neben dem 72-Stunden-Ultimatum für neue Vorschläge im Kampf gegen die Ölpest auch weitere Zahlungsforderungen gestellt. US-Innenminister Ken Salazar sagte vor einem Ausschuss des Senats, er werde BP auffordern, die Gehälter der Arbeiter zu zahlen, die wegen des sechsmonatigen Moratoriums für Tiefseebohrungen nach Hause geschickt wurden. Aus BP-Kreisen verlautete dann kampfeslustig, man habe zwar zugesagt, für die Beseitigung der Schäden und direkte Schadensersatzforderungen zu zahlen. Das Moratorium für Tiefseebohrungen sei jedoch eine Entscheidung der Regierung gewesen, diese Kosten seien daher etwas anderes.

Indes hat Obama den BP-Vorstand zu Gesprächen über die Bekämpfung der Ölpest ins Weiße Haus bestellen lassen. Ein entsprechendes Einladungsschreiben habe der Chef der US-Küstenwache, Admiral Thad Allen, an den BP-Vorsitzenden Carl-Henric Svanberg geschickt, hieß es von der Regierung. In dem Brief werden Svanberg und "alle dazugehörigen BP-Mitarbeiter" aufgefordert, am kommenden Mittwoch ins Weiße Haus nach Washington zu kommen. Obama werde an einem Teil des Treffens teilnehmen.

Bis zu 40.000 Barrel sprudeln täglich aus Leck
Wie unterdessen bekannt wurde, hat die Ölkatastrophe offensichtlich deutlich größere Ausmaße als bisher angenommen: Die US-Behörden gehen nach eigenen Angaben inzwischen davon aus, dass täglich bis zu 40.000 Barrel Öl (6,4 Millionen Liter) ins Meer fließen. "Die niedrigste auf wissenschaftlichen Analysen beruhende Schätzung liegt bei 20.000 Barrel, die höchste glaubwürdige um die 40.000 Barrel", sagte am Donnerstag die Vorsitzende einer von der Regierung wegen der Katastrophe eingesetzten Expertengruppe, Marcia NcNutt. Bisher war die Expertengruppe von 12.000 bis 19.000 Barrel pro Tag ausgegangen, die ins Meer fließen.

Bereits 70 Menschen in Louisiana erkrankt
Durch die Ölpest sind indes allein in Louisiana mehr als 70 Menschen erkrankt. Die Betroffenen klagten über Atemprobleme, gereizte Augen sowie Kopf- und Brustschmerzen. Acht Menschen mussten ins Krankenhaus eingeliefert werden. Etwa 50 der Erkrankten hatten direkten Kontakt mit dem Öl oder mit im Kampf gegen die Ölpest eingesetzten Chemikalien, unter anderem weil sie bei den Reinigungsarbeiten nach Beginn der Katastrophe vor knapp zwei Monaten eingesetzt wurden. Die anderen Betroffenen erkrankten den Angaben zufolge vor allem, weil der Gestank der Ölpest bis zu ihnen nach Hause reichte.

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