Sensation in Polen?

Antiklerikaler “Polit-Clown” vor Einzug ins Parlament

Ausland
04.10.2011 09:12
Als Janusz Palikot vor einem Jahr in Polen seinen Austritt aus der rechtsliberalen Regierungspartei "Bürgerplattform" (PO) erklärte, galt das vielen Beobachtern als Ende seiner politischen Karriere. Der als "Polit-Clown" Verschriene hatte sich viele Feinde gemacht - in der PO wie in der Opposition. Nun steht er vor einem spektakulären Comeback: Sein strikt antiklerikales Projekt "Unterstützungsbewegung Palikot" (RPP) scheint laut Umfragen bei der Wahl am Sonntag ins Parlament einzuziehen - was im erzkatholischen Polen einer Sensation gleichkäme.

Bisher wurde der 46-jährige Palikot meist nur milde belächelt, wenn er Demonstrationen vor Bischofssitzen organisierte. Er wetterte "gegen die Zerstörung des weltlichen Staates durch die katholische Kirche". Seine Forderungen schienen wenig zu interessieren: keine staatliche Unterstützung der Kirche mehr, Abschaffung des Religionsunterrichts an Schulen und die Rücknahme der Entscheidungen, durch die der Staat früher verstaatlichtes Kircheneigentum entschädigte.

"Kirche sollte eigentlich arm sein"
"Die Kirche sollte eigentlich arm sein und in Zeiten der Krise freiwillig Steuern abführen", erklärte Palikot. Alles in allem eine Kriegserklärung an die polnischen Geistlichen: Wie zum Hohn schmückte Palikot das Logo seiner Partei mit zwei aus Engelsdarstellungen abgekupferten Flügelchen - im erzkatholischen Polen nahezu ein Sakrileg.

Genau damit scheint er aber bei einem Teil der Polen einen Nerv getroffen zu haben. Jüngste Umfragen geben der Palikot-Bewegung zwischen sieben und acht Prozent der Stimmen. Somit könnte die RPP nach der Wahl am Sonntag als fünfte Kraft ins Parlament einziehen. Für Palikot zu stimmen, scheine plötzlich chic zu sein, sagen Beobachter: Junge, wohlhabende Manager in den Großstädten finden ihn ebenso anziehend wie manche ehemalige Kommunisten, denen das "Bündnis der demokratischen Linken" (SLD), die Nachfolgepartei der kommunistischen Staatspartei PZPR, längst viel zu kirchenfreundlich geworden ist.

Pressekonferenz mit Plastikpistole und Dildo
In der PO war Palikot Vorsitzender der Partei im ostpolnischen Lublin - ein Posten, den er sich seiner eigenen Darstellung nach unter anderem durch großzügige Restaurant-Einladungen an die Parteifreunde verschaffte. Für die Politik hatte der Mann mit den häufig grellen Sakkos und den oft zerzausten Haaren sein gutgehendes Geschäft als millionenschwerer Spirituosenhersteller aufgegeben. Er schaffte es, unabhängig von der PO ein eigenes Profil aufzubauen. Zu einer Pressekonferenz erschien er mit Plastikpistole und Dildo - um die Missstände auf Lubliner Polizeirevieren anzuprangern. Den inzwischen verstorbenen Staatspräsidenten Lech Kaczynski bezichtigte er der Alkoholabhängigkeit und wurde dabei immer wieder beleidigend.

So entwickelte sich Palikot zu einem der bekanntesten polnischen Politiker - gleichzeitig aber auch zu einem der unbeliebtesten. Im Wahlkampf versuchte er immerhin, sich ein ernsthafteres Image zu geben. In seinem Buch "Die Kulissen der Bürgerplattform" beschrieb er seine Enttäuschung über Ministerpräsident Donald Tusk (PO). Bei unzähligen Veranstaltungen im Land brachte er den Menschen sein Programm näher. Neben der Kritik an der Kirche tritt der Politiker für mehr bürgerliche Freiheiten ein - darunter eine größere gesellschaftliche Kontrolle der Geheimdienste.

Regierungschef Tusk schließt Koalition nicht aus
Sollte die Stimmung, die sich in den jüngsten Umfragen ausdrückt, bis Sonntag anhalten, könnte Palikot sogar Regierungsmitglied werden. Denn der zurzeit schwächelnden "Bürgerplattform" könnte der aktuelle Koalitionspartner, die Bauernpartei PSL, nicht mehr für eine Regierungsmehrheit ausreichen. Ministerpräsident Tusk warnt zwar vor Palikot: "Eine Zeit der Wirtschaftskrise ist keine Zeit für Happenings", sagte er im Hinblick auf Palikots buntes Image. Aber auf Nachfragen von Journalisten schloss er ein Bündnis mit dem Ex-Parteikollegen keineswegs aus. Eines stellte Tusk aber gleich klar: Eine Legalisierung von Cannabis, wie Palikot sie fordert, werde es mit ihm nicht geben.

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