Streit eskaliert

Brenner: Italien schaltet EU-Kommission ein

Österreich
13.04.2016 13:57

Nach Beginn der Bauarbeiten für mögliche Grenzkontrollen am Brenner ist die italienische Regierung in Brüssel gegen Österreichs Pläne tätig geworden. Außenminister Paolo Gentiloni und Innenminister Angelino Alfano richteten einen gemeinsamen Brief an den für Inneres und Migration zuständigen EU-Kommissar Dimitris Avramopoulos. Darin setzen sie sich für ein sofortiges Eingreifen der EU-Kommission "zum Schutz der fundamentalen Werte der Union" ein.

Die Kommission solle "dringend prüfen", ob die geplanten Maßnahmen Österreichs mit dem Schengen-Abkommen im Einklang seien, schrieben die beiden Minister. Das österreichische Innenministerium habe bisher keine Zahlen vorgelegt, die einen Zuwachs der Migrantenströme von Italien nach Österreich belegen würden.

Seit Jahresbeginn sei vor allem die Zahl der Flüchtlinge gestiegen, die von Österreich nach Italien gelangten. Vom 1. Jänner bis zum 10. April seien 674 Ausländer von Italien nach Österreich zurückgeschickt worden, die österreichischen Behörden hätten im selben Zeitraum lediglich 179 Migranten nach Italien zurückgewiesen.

Die beiden Minister hoben hervor, dass Grenzkontrollen im EU-Raum nur bei "akuter Gefahr" für die innere Sicherheit und die öffentliche Ordnung eingeführt werden dürfen. Angesichts der 2014 gestärkten Polizeikooperation zwischen Italien und Österreich sowie der gemeinsamen Kontrollen auf Straßen und Bahnstrecken unweit der Grenze seien die Maßnahmen der österreichischen Regierung zur Grenzschließung ungerechtfertigt.

Alfano wirft Österreich "Unvernunft" vor
In einem Interview mit dem TV-Sender Sky warf Alfano Österreich am Mittwochvormittag "Unvernunft" vor: "Wenn wir in Europa sicherer sein wollen, müssen wir enger zusammenarbeiten, Informationen austauschen - und nicht streiten." Österreich dürfe die "Regeln der Vernunft" nicht missachten, denn die Schäden für die Wirtschaft wären enorm, ohne dass es in puncto öffentliche Sicherheit oder Bewältigung der Flüchtlingskrise zu Vorteilen komme.

Alfano sagte auch, er habe bereits eine erste Antwort von EU-Innenkommissar Avramopoulos auf seinen Brief erhalten: "Avramopoulos ist absolut auf unserer Linie." Eine Kommissionssprecherin hatte hingegen zuvor mitgeteilt, Brüssel warte auf mehr Informationen aus Österreich über mögliche Grenzkontrollen am Brenner. Erst dann könnten die in Aussicht gestellten Maßnahmen "aus der Sicht der Notwendigkeit und der Verhältnismäßigkeit beurteilt werden".

"Müssen prüfen, was am Brenner geschieht"
Bereits am Dienstagabend hatte der italienische Ministerpräsident Matteo Renzi Österreich aufgerufen, die EU-Regeln zu respektieren. "Wir akzeptieren keine Stellungnahmen gegen die europäischen Spielregeln", sagte er. Daher habe Italien "im Interesse Südtirols und der Bevölkerung" Erklärungen von Brüssel zu Österreichs Grenzmanagement verlangt. "Wir haben das Recht und die Pflicht, zu prüfen, was am Brenner geschieht", so Renzi.

Video: Beginn der Bauarbeiten am Brenner

Mikl-Leitner versteht Aufregung nicht
Das Innenministerium zeigt sich angesichts des italienischen Briefes an die EU-Kommission gelassen. Für Ressortchefin Johanna Mikl-Leitner ist die Aufregung Italiens "nicht nachvollziehbar": Es werde lediglich "planmäßig umgesetzt, was ich bereits vor Wochen angekündigt und auch letzte Woche in Rom klar und deutlich auf den Tisch gelegt habe, nämlich die Vorbereitung für allfällige unkontrollierte Migrationsströme. Wir bereiten uns vor und beginnen mit der Errichtung der Kontroll-Infrastruktur am Brenner", sagte Mikl-Leitner. Das habe sie Alfano schon bei ihrem Arbeitsbesuch in der Vorwoche angekündigt.

Österreich werde laut der Ministerin "alles tun, um die Reisefreiheit über den Brenner aufrechtzuerhalten. Dazu muss von unseren italienischen Partner sichergestellt werden, dass es keine unkontrollierten Migrationsströme von Italien über den Brenner gibt." Es gelte aber, sich auch auf den Fall vorzubereiten, dass das nicht gelingt. Man müsse also "jetzt rechtzeitig mit den Aufbauarbeiten für das Grenzmanagement beginnen - und nicht erst dann, wenn das Problem bereits da ist". Innenministeriumssprecher Hermann Muhr bekräftigte am Mittwoch, bei der Maßnahme am Brenner handle sich um nichts anderes als das Grenzmanagement in Spielfeld, sie sei daher klar mit dem Schengen-System vereinbar.

Tiroler Grüne Felipe kritisiert Bundesregierung
Kritik an den geplanten Maßnahmen am Brenner kommt aber nicht nur aus Italien, sondern auch von Tirols Landeshauptmannstellvertreterin Ingrid Felipe. "Die österreichische Regierung begreift nicht den historischen Wert des Brenners. Sie hätte mit Italien zusammen eine Lösung finden sollen", sagte die Grüne in einem Interview mit der italienischen Tageszeitung "La Stampa". "Das sage ich nicht nur aus der humanitären Perspektive, sondern auch als Verantwortliche im Tiroler Landtag für Fragen in Sachen Mobilität und Verkehr", so Felipe. Die Entwicklungen am Brenner würden ihre Bemühungen in den vergangenen drei Jahren für eine stärkere Integration der Länder Tirol, Südtirol und Trentino zunichtemachen.

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