Viele müssen fliehen

Christen im Nahen Osten verfolgt und diskriminiert

Ausland
09.09.2012 11:53
Nach ihren Glaubensbrüdern im Irak, von denen in den vergangenen Jahren mehr als die Hälfte geflohen ist, müssen jetzt auch immer mehr Christen Syrien verlassen. Zehntausende wurden von islamistischen Aufständischen vertrieben, ihre Wohnungen und Häuser geplündert und zerstört. Viele suchten Zuflucht im benachbarten Libanon, den Papst Benedikt XVI. in den kommenden Tagen besucht.

Für die christlichen Bevölkerungen im Nahen und Mittleren Osten haben der Irak-Krieg und der israelisch-palästinensische Dauerkonflikt katastrophale Folgen. Der vom früheren US-Präsidenten George W. Bush propagierte "Kreuzzug" habe den Christen in der Region allergrößten Schaden zugefügt und es ihnen schwerer gemacht, sich im täglichen Leben zu ihrem Glauben zu bekennen, wie der melkitische (griechisch-katholische) Erzbischof Elias Chacour mehrmals betont hat. Viele fühlen sich von Europa und Amerika im Stich gelassen. In einer radikalisierten islamischen Welt sind die Christen heute nur im Libanon keiner Diskriminierung und Gewalt ausgesetzt.

Unter den 40 Ländern, in denen die Verfolgung von Christen am stärksten ist, befinden sich nach Angaben von "Pro Oriente" 30 islamische. Besonders dramatisch stelle sich die Situation für Christen in Afghanistan, Somalia, Eritrea, Ägypten, Nigeria sowie dem Irak und Pakistan dar. Zahlreiche Opfer haben im indischen Unionsstaat Orissa organisierte Ausschreitungen gegen Christen gefordert. Auch in Indonesien, dem bevölkerungsreichsten islamischen Staat, klagen Christen zunehmend über Einschränkung ihrer Rechte und Attacken radikaler Muslime gegen Kirchen.

Irak:
Die Lebensbedingungen der Christen, von denen die mit Rom unierten Chaldäer die zahlenmäßig größte Gemeinschaft bilden, sind seit der US-Militärinvasion 2003 unerträglich geworden. Vor dem Krieg lebten bis zu einer Million Christen in dem Zweistromland, die unter dem säkularen Baath-Regime geschützt waren. Weit mehr als die Hälfte ist seither geflohen. Dutzende von Geistlichen kamen bei Mordanschlägen ums Leben, unter ihnen der entführte chaldäisch-katholische Erzbischof von Mossul, Paulos Faraj Rahho, dessen Leiche auf einer Müllhalde gefunden wurde.

Saudi-Arabien:
Christen (Zehntausende Gastarbeiter, viele aus den Philippinen) ist jedwede religiöse Betätigung strengstens untersagt. Kreuze und andere christliche Symbole dürfen nicht zur Schau gestellt, religiöse Bücher nicht eingeführt werden. Nach der wahhabitischen Staatsdoktrin des Königshauses ist auf der arabischen Halbinsel, dem Heimatland des Propheten, wegen der dortigen islamischen Heiligtümer jede andere Religion verboten.

Ägypten:
Die christlichen Kopten mit einem Bevölkerungsanteil von annähernd zehn Prozent sind behördlichen Diskriminierungen und wachsender Gewalt seitens fanatisierter Islamisten ausgesetzt, wenngleich die Führung der Muslimbruderschaft und der neue Präsident Mohammed Mursi Toleranz predigen. Der inzwischen verstorbene Kopten-Papst Shenouda III. war unter dem früheren Regime jahrelang in ein Wüstenkloster verbannt.

Israel und Palästina:
Die überwiegend arabischen Christen machen nur noch etwa zwei Prozent der Bevölkerung im Heiligen Land aus. Immer weniger sehen noch Zukunftsperspektiven für sich und ihre Kinder und wandern aus.

Libanon:
Die Christen, von denen die mit Rom unierten Maroniten die stärkste Gruppe sind und traditionell den Staatspräsidenten (seit 2008 Ex-General Michel Sleimane) stellen, machen zwischen 35 und 40 Prozent der Einwohner aus. Nach der einmonatigen israelischen Militäroffensive vom Sommer 2006 sind mehrere Zehntausend ausgewandert.

Syrien:
Unter dem Baath-Regime (Gründer der panarabischen sozialistischen Baath-Partei des heutigen Staatschefs Bashar al-Assad war der Christ Michel Aflak) konnten die Christen (acht Prozent) ihren Glauben uneingeschränkt ausüben und auch hohe Partei- und Staatsämter bekleiden. Vier Patriarchate (darunter das orthodoxe und das melkitische von Antiochien) haben ihren Sitz in Damaskus. Viele Christen stehen heute notgedrungen auf der Seite des Regimes und werden von islamistischen Aufständischen terrorisiert.

Iran:
Die Bevölkerung ist zu 99,6 Prozent muslimisch (über 90 Prozent Schiiten). Christen (mehrheitlich Armenier), Juden und Mandäer klagen verschiedentlich über Unterdrückungsmaßnahmen, die einem "religiösen Genozid" gleichkommen würden. Die Baha'i-Religion ist verboten, ihre Anhänger werden brutal verfolgt.

Türkei:
Es gibt nur noch weniger als 200.000 Christen (mehrheitlich armenische), deren Situation sich infolge des Erstarkens islamisch-fundamentalistischer Kräfte verschlechtert hat. Die christlichen Kirchen sind ohne Rechtsstatus und müssen vielfältige Schikanen erdulden. Das Ökumenische Patriarchat, geistliches Zentrum der Weltorthodoxie, im Phanar in Istanbul darf seit 1970 keinen Priesternachwuchs ausbilden. Patriarch Bartholomaios I. hofft, dass ein EU-Beitritt der Türkei die Lage der Christen im Land verbessern würde.

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