Zunächst ist Gruwell allerdings genauso hilflos wie die anderen Lehrer. In ihrer ersten Unterrichtsstunde muss sie wegen einer Schlägerei gleich den Sicherheitsdienst rufen. Die Wende bringt schließlich eine rassistische Zeichnung, die in der Klasse die Runde macht. Sie zeigt einen schwarzen Schüler mit extrem dicken Lippen. Da platzt Gruwell der Kragen: Sie erzählt den Kids, dass auch die Nazis Karikaturen von Juden verbreiteten und die Deutschen so auf den Holocaust vorbereiteten. Aus den verdutzten Gesichtern der Kids schließt sie, dass diese keine Ahnung vom Genozid an den Juden haben.
Was ist eigentlich der Holocaust?
Hier hat der Film eine seiner stärksten Szenen: Die Lehrerin fragt die Jugendlichen, wer von ihnen schon einmal eine Schießerei erlebt hat, jemanden in einem Bandenkrieg verloren hat oder die neuesten Gangster-Rap-Platten kennt. Jeweils meldet sich ein Großteil der Klasse. Als sie jedoch fragt, wer weiß, was der Holocaust ist, bleiben alle Arme unten. Also beschließt Gruwell, den Schülern "Das Tagebuch der Anne Frank" lesen zu lassen, um ihnen zu zeigen, was Verfolgung und täglicher Kampf ums Überleben wirklich bedeutet.
Ihre Gedanken sollen die Schüler in einem Tagebuch niederschreiben. So entstand die Vorlage für den Film, das Buch "The Freedom Writers Diary". Der Film beruht nämlich auf einer wahren Begebenheit aus dem Jahr 1994, zwei Jahre nach den schlimmsten Rassenunruhen, die Los Angeles je erlebt hat.
Hilary Swank mit (zu) viel Enthusiasmus
Diese Authentizität unterscheidet "Freedom Writers" von zahlreichen Filmen gleichen Strickmusters. Der Zuschauer kann sich so auch mit Klischees arrangieren, die bei einem fiktiven Film unglaubwürdig wären: So nimmt Gruwell zwei Nebenjobs an, um den Schülern Bücher kaufen zu können, die die Schulbibliothek nicht herausrücken will. Doch trotz der realen Grundlage wirken einige Plotwendungen arg überzogen: Der schnelle Wandel einiger Schüler vom knallharten Gangster zu Lehrers Liebling ist kaum nachvollziehbar. Der Enthusiasmus, den Swank ("Million Dollar Baby") ihrem Part zu Beginn verleiht, wirkt etwas zu naiv. Insgesamt überzeugt sie jedoch mit ihrer Charakterdarstellung und ist damit neben der realen Vorlage der größte Trumpf von Regisseur Richard LaGravenese.
Alle Bilder (c) 2006 Paramount Pictures
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