The Doors sind 40

“Jim Morrison is still alive!”

Musik
23.03.2007 09:23
Ray Manzarek bejaht die Frage, ob er ein lebendes Monument ist. Ja, obwohl ihn selten jemand auf der Straße anspricht, obwohl ihn auf einem Foto kaum jemand als die Person identifizieren würde, die er tatsächlich ist. Ray Manzarek hat zusammen mit Robby Krieger, John Densmore und Jim Morrison Musikgeschichte geschrieben - er ist der Keyboarder der Doors. Im Jänner 1967, vor 40 Jahren, brachte die legendäre US-Rockgruppe ihr erstes Studioalbum heraus. Eines von insgesamt sechs, die mit Songs wie „Riders On The Storm“, „Light My Fire“ und „Break On Through“ als Meilensteine der Rockgeschichte gelten. Heuer feiern sie 40-jähriges Bandjubiläum, Krone.at hat Ray Manzarek zum Interview getroffen.
kmm

Ray Manzarek ist groß, gut 1,80 Meter. Er trägt schwarzes Sakko, Jeans und ein schwarzes T-Shirt, das kurze, aschgraue Haar hat er scheinbar zerzaust mit Haargel fixiert. Ray wohnt zusammen mit seiner Frau Dorothy in Napa Valley, California. Er ist braungebrannt und im Gegensatz zu seinem jüngeren Bandkollegen Robby Krieger, der nebenan Interviews gibt, sieht er ganz und gar nicht „verbraucht“ aus. Der George Clooney unter den drei verbliebenen Doors-Mitgliedern also, der heute in einem gemütlichen Londoner Hotelzimmer auf der Couch sitzt um hier seine Memoiren scheibchenweise auszuteilen.

Die Geschichte der Doors ist eine der schillerndsten und spannendsten der Rockgeschichte. Und eine der kürzesten. Gegründet 1975 hatten sie n viereinhalb Jahren ab 1967 sechs Alben aufgenommen, jedes wurde zum Meilenstein. Doch 1971, am dritten Juli, bereitete der Tod des charismatischen Frontmanns Jim Morrison der Band ein jähes Ende. Mit Morrison starb der wichtigste Teil der Doors in einer Pariser Badewanne und obwohl die drei Hinterbliebenen es danach bis 1973 noch mit zwei Alben versuchten, der Verlust konnte nicht kompensiert werden. Die beiden Post-Morrison-Alben stehen in der offiziellen Diskografie immer separat. Was blieb, ist der Kult, der danach um sie ausbrach und bis heute nicht versiegte. Millionenfach gingen ihre Alben über den Tisch, die Preise für Original-Schallplatten aus den Sechzigern und Siebzigern sind exorbitant und bis heute findet sich im CD-Regal des Rockfans, der was auf sich hält, ein Platte der Doors.

Man möchte meinen, dass so ein Bandjubiläum die alte Bande wieder zusammenknüpft. Doch seit Drummer John Densmore 2002 begann, die Pläne der anderen beiden Doors-Mitglieder, die die Band als „Doors of the 21st Century“ mit Gastmusikern wiederbelebten, mit Klagen Stück für Stück zu vernichten, ist die Freundschaft dahin. Anstatt selbst mitzumachen, zwang er sie 2005 dazu, ab sofort als „Riders On The Storm“ auf Tour zu gehen. John Densmore sprach heute in London, wo die Doors nur etwa drei Dutzend Journalisten aus halb Europa zu Nostalgie-Gesprächen einluden, mit niemandem. Er fühlte sich (angeblich) nicht besonders und sagte seine Termine, die in einem anderen Hotel in gebührendem Abstand stattgefunden hätten, ab. 

Die Lust, über die nunmehr 40 Jahre alte Legende „The Doors“ zu sprechen, kann Ray Manzarek niemand vermiesen. Wenn er erzählt, ist er Feuer und Flamme. Er holt weit aus – inhaltlich und im wahrsten Sinn der Worte. Mit dem Pathos eines Feldherren rezitiert er Jim Morrisons Songtexte, lässt sich dabei jedes Wort auf der Zunge zergehen. Und: Wenn Ray Manzarek von den Doors erzählt, dann in der Gegenwart. So erklärt er den Umstand, warum er in vier Jahren The Doors auf dem linken Ohr gleich 15% seines Hörvermögens eingebüßt hatte: „Es ist kein Wunder: Rechts neben mir das Publikum, direkt vor mir singt Jim, dahinter macht John an den Drums Lärm und links neben mir stehen die ganzen Verstärker und plärren mir gnadenlos ins Ohr.“ 

Das hat eine ungeheure Wirkung auf Menschen, die mit ihm im Raum stehen. Es klingt nicht, als wolle er bloß so tun, als säße Jim Morrison ein Zimmer weiter und verarsche gerade die Journalisten – er lässt ihn in seinen Erzählungen und Anekdoten auf und abgehen, so als würde Jim mithören und hin und wieder zustimmend nicken. Was Ray Manzarek nach der Hörsturz-Anekdote sagt, klingt im Original viel zu gut, als dass man es übersetzen sollte: „I can feel, Jim Morrison is still alive. The spirit of Jim Morrison lives with me. And I get a little tear, because my friend is no longer there and that is a great loss.“ 

Für den neuen Albumkatalog „The Doors 40th Anniversary 1967-2007“, der als Boxset oder Einzel-CDs am 23. März bei uns rauskommt, haben sie alle Doors-Alben noch einmal neu abgemischt und laut Ray „kleine Feinheiten, die es aufgrund der damaligen technischen Gegebenheiten nicht in den Song geschafft haben, endlich mit hineingenommen“. Sie haben auch verschiedene Takes einzelner Songs auf die CDs gepackt, da – so sagt Ray – „auf einer CD ja wesentlich mehr Platz ist als auf Schallplatten und den willst du ja nicht unbenutzt lassen“. Jede Version repräsentiert den jeweiligen Song in einem vorfinalen Stadium, bei dem man dachte, dass man es jetzt genau so aufs Album geben könnte. Ray: „Es ist, als könntest du mitverfolgen wie die vier Doors einen rohen Diamanten bearbeiten – so lange, bis man sich einvernehmlich zunickt und weiß, jetzt ist es perfekt!“

Das Ergebnis: „Werft die alten Scheiben weg, wenn ihr wirklich hören wollt, was diese Band ausmacht!“ Die neu gemixten Alben klingen, „als wärst du mit den Doors im Studio“. Ray: „Als ich ‚Break On Through’ und ‚Light My Fire’ zum ersten Mal durch den Kopfhörer ganz allein hörte, war es, als stünde Jim neben mir. Mir kamen die Tränen.“ Ob er oft daran denkt, wie es wäre, wenn Jim jetzt hier neben ihm am Sofa sitzen würde, und sie beide würden über das dreißigste Doors-Album plaudern. „Natürlich. Und wenn Jim jetzt hier wäre, würden wir über Politik reden. Und über den Krieg, in den Amerika da hineingeraten ist.“ 

Rays Mine verfinstert sich, er wird ernst und zugleich lässt er Jim Morrison vom gemütlichen Spaziergang in einen wild gestikulierenden Monolog rasen: „Wir würden darüber sprechen, wie unglaublich dumm, how incredibly stupid, unser Präsident ist. Wir würden nicht über Doors-Songs sprechen – Jim würde sagen, dass es über das Schaffen von Musik nichts zu diskutieren gibt.“ Er lässt den tobenden Morrison verblassen und wechselt für eine Anekdote wieder in die Gegenwart - wobei diese eigentlich die Vergangenheit ist: „Wenn wir vier zusammen Musik machen, sprechen wir nie miteinander. Wir müssen uns nicht austauschen, wir vereinbaren nur technische Dinge. Jim sagt nie etwas. Robby und ich beraten allenfalls, ob wir hier von einem C auf ein E-moll wechseln sollen, oder doch lieber andersrum...“

Ray Manzarek ist 68. Er sieht blendend aus - für einen Rockstar, der auf den Bühnen dieser Welt so einiges erlebt hat. Ray: „Klar, ich denke mir oft thank God, I’m alive. Ich hab zwei Möglichkeiten: Entweder tot sein oder leben. Und in diesem Moment entscheide ich mich fürs Leben. Ich habe viel zu viel Spaß, als dass ich diesen Zug jetzt schon verlassen möchte.“ Und andere haben viel zu viel Spaß mit ihm, besser gesagt seiner Band: „Es ist gut, dass die Kids intelligent genug für die Doors sind. Nicht dass wir schwierig zu verstehen wären, aber in der heutigen Zeit heißt das, dass diese Kids lesen, sie haben Grips und Britney Spears ist ihnen scheißegal. Britney Spears doesn't rule the world!“ Warum findet man heute auf den Titelblättern, die vor 35 Jahren noch Jim Morrison höchstpersönlich zierte, Britney Spears? „Weil wir dumm sind, because we’re so dumb! Weil das alles ist, was wir verstehen. Die niederen Instinkte, die primitiven Triebe.“ Ray könnte man in diesem Moment mitsamt dem Sofa, auf dem er sitzt, ins Globe Theatre um die Ecke stellen: „Sex – das ist wirklich alles, was wir verstehen. Und ein paar Leute können noch Drogen dranhängen.“

Und von Britney Spears wechselt er wieder nahtlos zu seinem heutigen Lieblingsthema, George Walker Bush. Ray echauffiert sich gerne über den leader of my country: „Nach der Wahl hab ich gehört, dass viele Amerikaner George Bush gewählt haben, weil er ein Typ ist, mit dem sie auf ein Bier gehen würden. Well, you don’t have a fucking beer with the President of the United States! Bei Al Gore sagten die Leute, dass sie sich bei ihm dumm fühlen. Er hob sich selbst in die Höhe, er machte sich größer als die breite Masse. Er war auch schlauer als der Mob und der Mob hat ihm seine Stimmen deswegen nicht gegeben. Ich hätte gerne einen Präsidenten, der schlauer ist als ich. Bitte, er führt die Nation an. Aber die Amerikaner wollten lieber einen, mit dem sie sich betrinken können. Fucking morons! Was willst du da noch sagen?“ 

Ray Manzarek hat konkrete Vorstellungen vom Kurs, den seute ja noch immer, dass die Erderwärmung nicht durch Abgase verursacht wird.“ „Nein“, sagt er und schraubt seine sonore Stimme höher, während er die Hände faltet, „das kann doch verdammt noch mal nicht sein, dass wir Schuld am Klimawandel sind. Mein Gott, UNSERE Autoabgase können das nicht sein! Bullshit!“ 

Die theatralische Einlage dauert nicht lange, der Zynismus hat ihn wieder. „Okay, das mit dem Klima hätten wir. Danach sollten wir uns um alternative Energieformen umsehen, anstatt mit Kohle und Öl Wasser zu kochen, mit dessen Dampf dann per Turbine Strom erzeugt wird. Dann sollten wir uns um gutes Essen kümmern und schließlich organische Substanzen wie Marihuana und LSD legaliseren oder zumindest entkriminalisieren.“ Bitte wie, legalize? Ray: „Ja, verdammt! In Amerika glauben die Leute immer noch, dass LSD dasselbe ist wie Heroin. Aber was rede ich...“ Bevor er wieder abschweift, taucht der bekennende „Ungläubige“ seinen Finger tief in eine andere Wunde: „Dieses Land ist ein Zustand, this country is a fucking mess! Wenn du mir 1967 gesagt hättest, dass wir in vierzig Jahren Krieg zwischen fundamentalistischen Katholiken und fundamentalistischen Islamisten haben, hätte ich dir den Vogel gezeigt! In den Sechzigern nahmen wir an, dass wir 2007 im 21. Jahrhundert sind, nicht im dreizehnten!“ 

Was würde Jim Morrison, wenn er als Geist zurück auf die Erde gehen könnte, in George Bushs Ohr flüstern? Ray: „Er wäre ganz ruhig, er würde mit tiefer Stimme sprechen und er würde sagen: ‚Stop it, Sir. Es reicht, du hast genug Unheil angerichtet. Bring die Jungs nach Hause, beende das. Es ist genug.’“ Rays Augen leuchten, er lässt seinen besten Freund wieder durchs Zimmer wandern: „Jim kann die Leute auch wunderbar auf dem Level eines Südstaatlers ansprechen. Er kann hingehen, legt seinen Arm um die Schultern und sagt: ‚Come here, fella. Relax, man. Too much cocaine, too much booze. Take it easy. Hör mit dem Trinken auf, lass das Koks sein. Meinetwegen rauch einen Joint, aber relax! Und jetzt hör mir zu...’“ Die Szene, die darauf folgt, spricht Bände: Ray sieht Jim Morrison vor sich, flüsternd dem Texas-Boy George W. Bush auf die Schultern klopfen – und lacht sich erst einmal eine Minute lang einen Ast ab.

Wir bewegen uns wieder nach vor in die Gegenwart. Ray arbeitet mit Robby an einem neuen Doors-Album oder an dem „Album einer Band, deren Namen mir irgendwann ein Richter verraten wird“. Seit längerem schon sind sie dabei, die Nachricht ist nicht neu - aber es nimmt immer mehr Gestalt an. Die Musik kommt von ihnen beiden, für die Texte sind Poeten und Dichter verantwortlich. Auch der ehemalige „Riders On The Storm“-Sänger Ian Astbury (Ex-The-Cult) schrieb Texte. Wann es kommt, kann er nicht sagen. Es könnte auch noch Jahre dauern. 

Auf die Tour mit „Riders On The Storm“, die Ray Manzarek und Robby Krieger am 6. Juli nach St. Pölten führen wird, freut er sich natürlich. Mit Brett Scallions von der bei uns weitgehend unbekannten US-Band Fuel hätte man auch einen glaubwürdigen Sänger gefunden. Er könne natürlich nicht Jim Morrison ersetzen („Nobody can“), „aber seine Stimme kommt ihm sehr nahe und er ist ein netter Typ“. Ray hat in den letzten 15 Jahren keine Rockmusik gehört, nur Jazz, Klassik und ein bisschen Electronic. Bei den eigenen Songs – der historisch wichtigste Doors-Song ist für ihn übrigens „Light My Fire“ - steht er aber wieder parat und gibt sich dem Rausch des Psychedelic-Rock hin. „Playing keeps the blood flowing“, sagt er, Spielen hält das Blut in Wallung. 

Als die Doors auf dem Höhepunkt ihrer kurzen Laufbahn waren, gab es nur zwei andere Bands, die man in Sachen Popularität mit ihnen vergleichen konnte: Die Rolling Stones und die Beatles. Letztere nimmt Ray Manzarek gern aufs Korn – um der alten Rivalität wegen. Die Gerüchte, Paul McCartney hätte nach Morrisons Tod bei den Doors vorgesungen, zerstreut er mit einem schallenden Lachen. Aber: „Paul hätte Bass bei uns spielen können, dann hätte ich mir manchmal die Arbeit mit zwei Keyboards erspart. ‚Riders On The Storm’ hätte sicher toll geklungen. Bam-bam-bam-bam-bam-bam-bam-bam...“ 

Wo würden die Doors heute stehen, hätte Jim Morrisons Tod sie nicht in die Knie gerungen? Ray: „Wir wären sicher groß geworden. Aber wir wären auf keinen Fall größer als die Rolling Stones – die kann keiner übertreffen.“ „Aber“, sagt Ray und lacht sich schon vor Ende des Satzes ins Organistenfäustchen, „wir hätten noch immer den besseren Gitarristen!“ Von der Klasse, die ein Jim Morrison mit heute 65 hätte, wollen wir erst gar nicht reden. Auch wenn es unvorstellbar wäre, denn während seine Mitstreiter altern und sich um Namensrechte streiten, bleibt James Douglas Morrison ewig 27, der lockige Jüngling, der an den Zimmerwänden seiner glühenden Verehrer einen Ehrenplatz hat. Nur im jeweils siebenten Jahr eines Jahrzehnts kommt er ausgiebig zu Wort: Dann, wenn Ray Manzarek den spirit seines dear friend mit seinen Erzählungen durch die Hotelzimmer wandern lässt...

Christoph Andert, London

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