Leitkultur-Katalog

De Maiziere betont: “Wir sind nicht Burka”

Ausland
30.04.2017 15:45

Um die oft kritisierte Integrationsunwilligkeit von Menschen anderer Kulturen in den Griff zu bekommen, hat Deutschlands Innenminister Thomas de Maiziere (CDU) nun einen Zehn-Punkte-Katalog für eine deutsche Leitkultur vorgelegt. Dieser spricht sich unter anderem klar gegen eine Vollverschleierung im öffentlichen Raum aus. "Wir sind eine offene Gesellschaft. Wir zeigen unser Gesicht. Wir sind nicht Burka", heißt es im ersten Punkt des Katalogs. Wer diese Leitkultur nicht kenne oder gar ablehne, dem werde "Integration wohl kaum gelingen", so de Maiziere. Für seinen Vorstoß erntete der Minister umgehend massive Kritik von allen Seiten.

Der Minister führt Eigenschaften an, die seiner Auffassung nach Teil einer deutschen Leitkultur sind. "Ich will mit diesen Thesen zu einer Diskussion einladen", schreibt der CDU-Politiker in einem Gastbeitrag für die "Bild am Sonntag". Es gehe dabei um eine Richtschnur für das Zusammenleben in Deutschland. "Wer sich seiner Leitkultur sicher ist, ist stark."

Noch kein gesetzliches Burkaverbot in Deutschland
Zur Erinnerung: In Deutschland gibt es - anders als etwa in Österreich ab 1. Juli - noch kein gesetzliches Burkaverbot im öffentlichen Raum. Im Februar 2017 wurde von der deutschen Bundesregierung ein Gesetzentwurf zum Verbot der Verschleierung im öffentlichen Raum in den Bundestag eingebracht.

"Der Leistungsgedanke hat unser Land stark gemacht"
Teil der deutschen Leitkultur sei zudem der Leistungsgedanke, erklärt de Maiziere: "Wir fordern Leistung. Leistung und Qualität bringen Wohlstand. Der Leistungsgedanke hat unser Land stark gemacht."

Das Erbe der deutschen Geschichte "mit all ihren Höhen und Tiefen" gehöre ebenfalls zur deutschen Leitkultur. "Unsere Vergangenheit prägt unsere Gegenwart und unsere Kultur. Wir sind Erben unserer deutschen Geschichte", schreibt de Maiziere.

"Deutschland ist christlich geprägt"
Zur Rolle der Religion meint der Innenminister, sie müsse "Kitt und nicht Keil der Gesellschaft" sein. "Unser Staat ist weltanschaulich neutral, aber den Kirchen und Religionsgemeinschaften freundlich zugewandt. Kirchliche Feiertage prägen den Rhythmus unserer Jahre. Kirchtürme prägen unsere Landschaft. Unser Land ist christlich geprägt." Grundlage für den religiösen Frieden im Land sei aber der "unbedingte Vorrang des Rechts über alle religiösen Regeln im staatlichen und gesellschaftlichen Zusammenleben".

"Nationalfahne und -hymne sind Teil unseres Patriotismus"
Zum Patriotismus schreibt de Maiziere: "Wir sind aufgeklärte Patrioten. Ein aufgeklärter Patriot liebt sein Land und hasst nicht andere. Auch wir Deutschen können es sein." Es habe in der Vergangenheit zwar "Probleme" mit dem deutschen Patriotismus gegeben. Doch das sei vorbei, vor allem in der jüngeren Generation. "Unsere Nationalfahne und unsere Nationalhymne sind selbstverständlicher Teil unseres Patriotismus." De Maiziere definiert auch, was er unter "wir" versteht: "Wir - das sind zunächst einmal die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes. Nicht jeder, der sich für eine gewisse Zeit in unserem Land aufhält, wird Teil unseres Landes."

De Maiziere wirft auch die Frage auf, was mit jenen Menschen passieren solle, die nach Deutschland gekommen seien und eine Bleibeperspektive hätten, eine solche Leitkultur im schlimmsten Fall aber ablehnen würden. "Im Umgang mit diesen Menschen soll man sich dann von der Unterscheidung zwischen dem Unverhandelbaren und dem Aushaltbaren leiten lassen."

"Möchte an dem Begriff 'Leitkultur' festhalten"
Die Verwendung des Begriffs "Leitkultur" verteidigte der Minister: "Ich finde den Begriff 'Leitkultur' gut und möchte an ihm festhalten." Die Leitkultur präge und solle daher auch vermittelt werden, meint de Maiziere. "Leitkultur kann und soll vor allem vorgelebt werden. Stärke und innere Sicherheit der eigenen Kultur führen zu Toleranz gegenüber anderen. Wenn wir uns klar darüber sind, was uns ausmacht, was unsere Leitkultur ist, wer wir sind und wer wir sein wollen, wird der Zusammenhalt stabil bleiben, dann wird auch Integration gelingen - heute und in Zukunft."

Massive Kritik von allen Seiten an de Maiziere
Mit seinem Zehn-Punkte-Katalog stieß de Maiziere auf heftige Kritik aus den Reihen von SPD, Grünen, FDP und AfD, aber auch aus seiner eigenen Partei. SPD-Vize Thorsten Schäfer-Gümbel nannte de Maizieres Vorstoß "eine peinliche Inszenierung". Aus Sicht von Grünen-Chefin Simone Peter braucht Deutschland keine Debatte über eine Leitkultur, sondern "eine neue Innenpolitik, die Integration voranbringt, rechte Netzwerke prüft und islamistische Gefährder im Auge hat".

FDP-Chef Christian Lindner sagte, de Maiziere wolle mit dem nunmehrigen Vorstoß lediglich Wahlkampf machen. AfD-Vorsitzende Frauke Petry ging den Innenminister über Twitter persönlich an: "Modell #deMaiziere: Deutsche #Leitkultur während der Legislatur torpedieren, zwei Wochen vor der Wahl den großen Kulturverteidiger spielen", schrieb sie.

Aber auch der frühere CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz kritisierte in einem Beitrag für die "Huffington Post", dass de Maiziere in seiner Liste nicht zwischen verpflichtendem Recht und unverbindlicher Tradition unterscheide. Für eine verpflichtende Leitkultur gebe es in der deutschen Verfassung keine Rechtsgrundlage, so Polenz.

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