"Bürger für EU-Weg"

Präsidentenwahl: Vucic nun als allmächtiger Serbe

Ausland
03.04.2017 05:46

Bei der Präsidentschaftswahl in Serbien hat sich der bisher schon fast alles beherrschende Premierminister Aleksandar Vucic endgültig zum allmächtigen Serben aufgeschwungen. Umfragen sagten ihm schon im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit voraus und sie behielten recht: Am Sonntag gewann Vucic bei der Abstimmung rund 56 Prozent der Stimmen.

Vucic hat schon als Informationsminister unter dem Balkan-Schlächter Slobodan Milosevic gelernt, was es bedeutet, mit Gegnern nicht zimperlich umzugehen und für eine gleichgeschaltete Presse zu sorgen. Lange Zeit war er Mitkämpfer des Ultranationalisten Vojislav Seselj, bevor er sich von diesem lossagte und sich zum Proeuropäer mauserte. Tatsächlich ist Serbien als EU-Beitrittskandidat unter Vucic besser und verlässlicher unterwegs als alle anderen Balkanstaaten außerhalb der Union. Da ist man in Brüssel, Berlin und auch Wien bereit, über so manche demokratiepolitisch mehr als fragwürdige Aktion von Vucic hinwegzusehen.

Seit fünf Jahren das Maß aller Dinge
Das nennt man Realpolitik, schließlich ist der 47-jährige Vucic in Serbien seit fünf Jahren das Maß aller Dinge. Im Parlament verfügt seine Partei über eine Zweidrittelmehrheit, die Opposition ist zerstritten und auf ein Zwergenmaß zurückgestutzt. Alle wichtigen Medien sind entweder auf Vucics Seite oder gar im Besitz der Regierung. So ist es ein Leichtes, Gegner abzukanzeln, niederzumachen oder einfach nicht vorkommen zu lassen.

Dennoch kandidierte Vucic nur sieben Monate nach seinem neuerlichen Antritt als Premierminister für das Präsidentschaftsamt, das nach der Verfassung eigentlich vor allem repräsentative Aufgaben hat. Aber man kann davon ausgehen, dass Vucic sich als Staatsoberhaupt einen treuen Vasallen auf den Sessel des Regierungschefs setzen und damit noch mehr Macht in seinen Händen konzentrieren wird - eine Praxis, die in Serbien durchaus Tradition hat.

Absolute Mehrheit kaum mehr zu nehmen
Neben Vucic bewarben sich zehn Kandidaten der zersplitterten Opposition um das fünfjährige Mandat - unter ihnen der frühere Außenminister Vuk Jeremic und der Ultranationalist Vojislav Seselj, die laut Ipsos jeweils mit fünf bis sechs Prozent der Stimmen rechnen können. Mit dem Erreichen der absoluten Mehrheit kam Vucic um eine Stichwahl in zwei Wochen herum. Es gebe kaum noch die Möglichkeit, dass Vucic unter 50 Prozent der Stimmen lande, erklärte CESID-Chef Bojan Klacar dem TV-Sender "B-92".

Auf Platz zwei der Präsidentschaftswahl kam laut CESID der frühere Ombudsmann für Menschenrechte, Sasa Jankovic, auf den knapp 15 Prozent der Stimmen entfielen. Jankovic war als unabhängiger Kandidat der Mitte ins Rennen gegangen. Im Wahlkampf hatte er sich als liberale Alternative zu Vucic präsentiert, dem er autoritäre Tendenzen vorwarf. An dritter Stelle lag der Komiker Luka Maksimovic (Ljubisa Preletacevic Beli) mit knapp zehn Prozent der Stimmen. Maksimovic nahm im Wahlkampf die Korruption und die Politiker des Landes aufs Korn.

Vucic: Bürger stimmten für EU-Weg
Vucic bedankte sich bei seinen Wählern für den "großartigen Sieg". Bei einer Pressekonferenz am Sitz der Serbischen Fortschrittspartei (SNS) bezeichnete er seinen Sieg als "sauber wie eine Träne". Sein Wahlsieg markiere einen wichtigen Tag, da die Bürger Serbiens gezeigt hätten, in welche Richtung sich ihr Land weiter bewegen solle. Mit dem Wahlergebnis habe sich die Bevölkerung für eine Fortsetzung des Reformkurses, den "EU-Weg" und gute Beziehungen zu Russland und China ausgesprochen, deutete Vucic das Wahlresultat. Mit dem Wahlergebnis bleibe das Land stark, stabil und sicher, so der Ministerpräsident.

Die neue Regierung sollte in den nächsten zweieinhalb Monaten stehen, kündigte Vucic an. Seine Gegner werfen Vucic vor, Serbien autoritär regieren zu wollen. Vucic wies derartige Vorwürfe als "lächerlich" zurück. "Ich werde die serbische Verfassung achten", sagte er bei seiner Stimmabgabe.

Die Wahlbeteiligung lag bei rund 55 Prozent. Zur Wahl aufgerufen waren zusammen mit den im Ausland lebenden Serben etwa sieben Millionen Stimmberechtigte.

Christian Hauenstein, Kronen Zeitung/krone.at

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