Bio-Drama

Oscar-reif! Natalie Portman ist “Jackie”

Kino
25.01.2017 16:33

Camelot - diesen Namen, angelehnt an den Hof des mythischen König Artus, gab Jacqueline Kennedy der Präsidentschaft ihres Mannes John F. Kennedy, die mit dem Attentat am 22. November 1963 ein tragisches Ende fand. "Menschen glauben gerne an Märchen", sagt Natalie Portman in der Titelrolle der vielschichtigen, bewegenden Charakterstudie "Jackie" (Kinostart: 27. Jänner). Und ist damit dem Oscar nahe.

Mit Tränen in den Augen und bebender Stimme erinnert sich die Präsidentenwitwe an jene Sekunden nach dem tödlichen Schuss, die ins kollektive Gedächtnis eingebrannt sind. Wie ihr Mann nur eine Woche zuvor auf ihrem Schoß zusammensackte, das Blut spritzte, die Gehirnmasse austrat und sie versuchte, "seinen Kopf zusammenzuhalten". Eifrig schreibt der Journalist (Billy Crudup) des "Life"-Magazins, der sie für ein exklusives Interview im Familienanwesen in Hyannis Port besucht, mit. Doch dann blickt Jackie auf, sagt gefasst, gar ein wenig neckisch: "Glauben Sie keine Sekunde lang, dass Sie das veröffentlichen dürfen."

Mit 31 Jahren war Jacqueline Kennedy 1961 als eine der jüngsten First Ladies der US-Geschichte ins Weiße Haus eingezogen, hatte dieses mit Leben erfüllt und war zur eleganten Stilikone aufgestiegen. Der chilenische Regisseur Pablo Larrain ("Neruda", "No!") wirft flüchtige Blicke auf dieses öffentliche Bild, stellt in seinem englischsprachigen Debüt in körnigem Schwarz-weiß etwa das legendäre TV-Special aus dem Jahr 1962 nach, in dem eine schüchterne Jackie durch das von ihr umdekorierte Weiße Haus führt. Der Fokus in seiner klug und dicht gewobenen, stets zwischen Vergangenheit und Gegenwart wechselnden Narration aber liegt auf der Woche nach jenem tragischen Freitag aus Jackies Perspektive.

"Lasst sie sehen, was sie angerichtet haben"
Wir sehen eine geschockte, erschöpfte Frau, die versucht, Haltung zu bewahren, sich um ihre sowie die Zukunft ihrer Kinder, vor allem aber um das Vermächtnis ihres Mannes sorgt. Das blutbespritzte Kostüm zieht sie nicht aus, bevor sie vor die Kameras tritt: "Lasst sie sehen, was sie angerichtet haben." Und während im Weißen Haus angesichts der unklaren Motive des Attentäters Lee Harvey Oswald alle auf Zurückhaltung pochen, ist sie besessen von der einst staatstragenden Beerdigung Abraham Lincolns, will mit ihren Kindern den Sarg am Weg zum Friedhof auf offener Straße zu Fuß begleiten, fordert "mehr Pferde, mehr Soldaten, mehr Tränen, mehr Kameras" - damit ihr Mann als einer der Großen in die Geschichte eingeht.

Natalie Portman hat sich für ihre nuancierte Darstellung beeindruckend genau vorbereitet, die Bewegungen Kennedys ebenso übernommen wie deren hauchende Stimme. Geradezu hypnotisierend sind die Szenen, in denen Jackie nur für sich ist, sich nach dem Attentat Blut aus Gesicht und Haaren wäscht, oder wenige Tage später alleine durch die Räume des Weißen Hauses streift, Wodka trinkt, verschiedene Kleider anprobiert und das Lied aus dem Lieblings-Musical ihres Mannes, "Camelot", hört - ein kurzer, bizarrer Bruch mit dem nervösen, Streicher-lastigen Soundtrack von Mica Levi.

Den geschichtsverändernden Moment an jenem Tag in Dallas selbst zeigt Larrain in seiner Gänze und Brutalität erst gegen Ende. Ebenso wie Momente zwischen Jackie und ihrem "Jack" (Caspar Phillipson) aus glücklicheren Tagen, die sich in der Erinnerung unweigerlich mit den schlimmen vermischen, so Jackie zu ihrem Priester. Es ist das aufwühlende Ende eines in seiner Struktur, schauspielerischen Leistung und emotionaler Intensität außergewöhnlichen Dramas.

Beim Filmfestival Venedig gab es dafür verdient den Preis für das beste Drehbuch an Noah Oppenheim. Und bei den Academy Awards am 24. Februar könnte durchaus der Oscar für die beste Hauptdarstellerin folgen - es wäre der zweite für Portman nach "Black Swan" 2011.

APA

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