Wie reagiert Ankara?

Syrische Kurden riefen autonome Region aus

Ausland
17.03.2016 15:37

Die syrischen Kurden haben ihren lang gehegten Traum in die Realität umgesetzt und am Donnerstag eine autonome Region im Norden des Bürgerkriegslandes ausgerufen. Die türkische Regierung ist empört und hat zum wiederholten Mal gedroht, dass sie einen Kurdenstaat in Nordsyrien nicht dulden werde. Das Regime in Damaskus bezeichnete die Erklärung als "wertlos". Auch die Oppositionsgruppen, die bei den Genfer Friedensgesprächen durch das Hohe Verhandlungskomitee vertreten werden, sind gegen einseitige Abspaltungen.

Ein künftiges syrisches Staatswesen, sei es zentralistisch oder föderal ausgerichtet, könne sich nur auf dem Verhandlungswege mit einer neuen Verfassung und einem anschließenden Verfassungsreferendum bilden - und keinesfalls gegen den Willen des syrischen Volkes, hieß es aus Genf.

Kurden wollen alle ethnischen Gruppen einbinden
Das Autonomiegebiet soll laut Kurdensprecher Indriss Nassan auch drei bereits existierende Selbstverwaltungen in Nordsyrien einschließen - Kobane, Afrin und Jazire. Dabei betonen die Kurden, dass sie ihr Projekt nach territorialen und nicht nach ethnischen Kriterien vorantreiben, also die arabische Bevölkerungsminderheit und andere Minderheiten in dem Gebiet einbinden wollen.

Bestimmende politische Kraft in der Region ist die kurdische Partei der Demokratischen Union (PYD). Sie ist der syrische Ableger der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK in der Türkei. Die PYD und ihr bewaffneter Arm, die Volksverteidigungseinheiten (YPG), kontrollieren weite Gebiete im Norden Syriens an der Grenze zur Türkei und führen diese faktisch bereits autonom.

Rund 200 Delegierte nahmen in der syrischen Stadt Rmeilan an einem Kongress teil, an dessen Ende nun die Ausrufung der autonomen Region steht.

Kurden sind weder für Assad noch für die Rebellen
Nachdem sie lange von der Regierung in Damaskus in den Hintergrund gedrängt worden waren, nutzten die syrischen Kurden 2011 den Aufstand gegen Präsident Bashar al-Assad, um ihren Einfluss im Norden des Landes auszuweiten. Die PYD verfolgte dabei die Strategie: weder für die Regierung noch für die Rebellen. Diese warfen ihnen daher vor, mit Damaskus gemeinsame Sache zu machen. Tatsächlich duldete das Regime lange stillschweigend, dass die Kurden die Gebiete unter ihrer Kontrolle ausweiteten.

14 Prozent des Staatsgebiets unter kurdischer Kontrolle
Dank der Luftangriffe der USA sowie Russlands auf die Terrormilizen Islamischer Staat und Al-Nusra-Front konnten sie zuletzt noch weitere Gebiete erobern. Heute beherrschen die Kurden nach eigenen Angaben rund 26.000 Quadratkilometer und damit 14 Prozent des syrischen Staatsgebiets. Zudem kontrollieren sie drei Viertel der 800 Kilometer langen Grenze Syriens zur Türkei. "Die Kurden wollen ihre drei Kantone an der türkischen Grenze verbinden, damit Rojava (das syrische Kurdistan) ein zusammenhängendes autonomes Gebiet ergibt", sagt der französische Nahost-Experte Fabrice Balanche. Der Traum der Kurden sei "ein dezentralisiertes Syrien mit ihrem Kantonsystem als Modell für das Land".

Türkei will Autonomiegebiet mit aller Macht verhindern
Die türkische Regierung wiederum will mit allen Mitteln verhindern, dass die Kurden ein eigenes Autonomiegebiet in Syrien erhalten. Sie befürchtet, dass sich die rund 15 Millionen türkischen Kurden dies zum Vorbild nehmen könnten. Ankara geht seit dem vergangenen Sommer im Südosten des Landes mit aller Härte gegen die PKK vor. Die "absolute Obsession der Türken" sei es, zu verhindern, dass die Kurden ihre Gebiete vereinen, sagt Marc Pierini von der Carnegie Foundation in Brüssel.

USA sehen Kurden als Verbündete im Anti-Terror-Kampf
Washington betrachtet die Kurden hingegen als wichtigen Verbündeten im Kampf gegen die Dschihadisten. Trotz der Vorbehalte der Türkei liefern die USA militärische Ausrüstung und Waffen an die Kurden. Außerdem unterstützen sie sie mit Luftangriffen, wodurch es den Volksverteidigungseinheiten unter anderem gelang, die Islamisten aus der Stadt Kobane und anderen Gebieten zu vertreiben. Über die Angriffe ihres NATO-Partners Türkei auf die Kurden sind die USA nicht glücklich.

Russland treibt Keil zwischen Ankara und Washington
Auch die Russen sehen die Kurden als Verbündete im Kampf gegen den IS und die Al-Nusra-Front sowie gegen andere Rebellen - und verschonten sie daher bei ihren Luftangriffen. Diese erlaubten den Kurden auch, den Rebellen Territorium wie etwa den Militärflughafen Menagh im Nordwesten des Landes abzunehmen. Vor allem aber kann Moskau durch die Unterstützung der Kurden Ankara ärgern und einen Keil zwischen die Türkei und die USA treiben. Laut Balanche hat der russische Präsident Wladimir Putin seine Militärintervention in Syrien von Beginn an davon abhängig gemacht, dass Assad Autonomie für die Kurden akzeptiert.

Damaskus: "Jede Art von Spaltung wird ein Misserfolg"
Die Regierung in Damaskus hat jedoch wiederholt betont, dass eine föderalistische Lösung nicht in ihrem Sinne ist. Das Außenministerium sieht die nunmehrige Proklamation der Kurden als "wertlos". Sie werde "keine rechtlichen, politischen, sozialen oder wirtschaftlichen Auswirkungen" haben, hieß es. Auch der Chefunterhändler der Regierung bei den Genfer Friedensgesprächen, Bashar Jaafari, äußerte sich am Donnerstag entsprechend ablehnend: "Jede Art von Spaltung wird ein absoluter Misserfolg."

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