Spannungen bleiben

Orban in Wien: “Friendly Fire” aus Österreich

Österreich
25.09.2015 15:47
Das Gespräch zwischen Bundeskanzler Werner Faymann und Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban am Freitag in Wien hat offenbar keine konkrete Annäherung hinsichtlich der Spannungen in der Flüchtlingsfrage gebracht. Faymann und Orban traten danach getrennt voneinander vor die Presse. Orban kritisierte die österreichische Regierung, die seiner Ansicht nach nicht konstruktiv handle, sondern vielmehr immer wieder "Friendly Fire" auf Ungarn regnen lasse.

Faymann sprach von einer Aussprache, "die zeigt, dass wir miteinander reden müssen". Die Unterredung dauerte laut ihm eineinviertel Stunden. Der Kanzler bezeichnete die Sicherung der EU-Außengrenzen als "rechtmäßig". Zugleich betonte er, das Asylrecht "ist gleichrangig, ist ein Menschenrecht". Es gehe nicht, dass man Flüchtlinge gemäß den europäischen Dublin-Regeln nicht in andere Länder zurückschicken könne, weil dort die Standards nicht erfüllt sind, sagte Faymann mit Blick auf Ungarn, aber auch Griechenland.

Faymann wünscht sich "bessere Kommunikation der Behörden"
Was eine bessere Information der österreichischen Behörden und Helfer in Sachen Flüchtlingsbewegungen durch Ungarn betrifft, sagte Faymann, diese würde er sich "sehr wünschen". Es gebe in dieser Frage aber keine Einmischung. Die Beziehungen zu Ungarn bezeichnete Faymann als "korrekt". Zugleich sprach er von einem "Spannungsverhältnis". Mehrmals betonte er: "Man muss eine Basis haben, um zusammenzuarbeiten."

Im Gegensatz zu Faymanns eher diplomatischem Tonfall fand Orban in seiner Pressekonferenz in der ungarischen Botschaft in Wien heftigere Worte. Während Ungarn die Schengen-Grenze verteidige und sich an EU-Recht halte, käme aus Wien laufend "Friendly Fire", erklärte der ungarische Regierungschef. "Ich würde vorschlagen, dass Österreich damit aufhört." Ungarn sei im Stich gelassen worden, das Flüchtlingsproblem betreffe aber alle EU-Staaten. "Wir wollen vergessen, dass man uns Nazis genannt hat - was von einem österreichischen Politiker schon absurd ist. Auch wollen wir vergessen, dass man uns des Rechtsbruchs bezichtigt hat", so Orban, der betonte, dass das an und für sich gute Verhältnis zu Österreich bestehen bleiben und er sich auch dafür einsetzen werde.

"Österreich soll klipp und klar sagen, was es will"
Zum wiederholten Male forderte der ungarische Regierungschef Österreich auf, klipp und klar zu sagen, was Ungarn tun solle. "Sollen wir den Vorschlag des kroatischen Premiers Zoran Milanovic umsetzen und alle Grenzbarrieren abreißen, oder die Grenzen besser schützen und Korridore von Serbien Richtung Österreich und Deutschland schaffen?", fragte Orban. Er sagte, dass er für beide Positionen noch keine klare Unterstützung aus Wien erhalten habe.

In Bezug auf den Zaun an der kroatischen Grenze sah Orban in Wien zwar keine "Unterstützung aus vollem Herzen", doch eine "Form des Hinnehmens". Aus Sicht Ungarns gebe es "keine andere Möglichkeit, als das, was bereits an der serbischen Grenze gewirkt hat, auch an der Grenze zu Kroatien umzusetzen". Es sei "kein gutes Gefühl, Zäune zu bauen", so Orban, aber angesichts der 8000 bis 10.000 Menschen, die täglich nach Ungarn kämen, sei "keine Zeit zu verlieren".

Zum abgesagten Termin mit FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache ließ Orban die Öffentlichkeit wissen, dass ein Treffen durchaus geplant gewesen sei. Allerdings habe der konservative Politiker auf Anraten der österreichischen Regierung das Treffen abgeblasen.

Mitterlehner: "Gutes und sachliches Gespräch"
Zuvor hatte der ungarische Ministerpräsident Vizekanzler Reinhold Mitterlehner zu einem Gespräch getroffen. Laut Mitterlehner war es ein "gutes und sachliches Gespräch", bei dem eine stärkere Zusammenarbeit bei der Lösung der Flüchtlingskrise vereinbart worden sei. Einig war man sich, dass die EU die Vorschläge zum Schutz der Außengrenzen und zur Errichtung von Hotspots rasch konkretisieren und umsetzen müsse. Das sei vor allem in Bezug auf die türkisch-griechische Landgrenze vor dem Winter wichtig.

"Mit dem Zaun zu Serbien schützt Ungarn seine Schengen-Außengrenze. Das Schengen-System sowie die Dublin-II- und Dublin-III-Regeln müssen umgesetzt werden, solange es kein besseres System gibt", so Mitterlehner weiter. Die Registrierung der Flüchtlinge und die Kontrollen an den EU-Außengrenzen seien daher wichtig. Mit den Methoden der ungarischen Flüchtlingspolitik sei er zwar nicht einverstanden, "auch Orban ist über die Bilder natürlich nicht glücklich", sagte der Vizekanzler. "Aber ein Grenzzaun hat natürlich nur dann einen Sinn, wenn er auch respektiert wird."

Verbesserter Informationsaustausch zugesichert
Der Informationsaustauch, was die Ankünfte von Flüchtlingen an der österreichischen Grenze betrifft, müsse verbessert werden, forderte Mitterlehner von Orban. Dieser sicherte eine bessere Zusammenarbeit zu.

Beim EU-Sondergipfel am Mittwochabend war es zwischen Orban und Faymann zu einem verbalen Schlagabtausch gekommen. Orban kündigte an, er werde einen angeblichen Vorschlags Faymanns erwägen, seine Bemühungen zum Bremsen des Flüchtlingsstroms zu beenden und sämtliche Flüchtlinge durchreisen zu lassen. Faymann forderte indes Orban auf, die Gesetze einzuhalten. "Das gilt sowohl für die Schengen- und Dublin-Regelung als auch für Menschenrechte und das Recht auf Asyl", so der Bundeskanzler.

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