Blutbad in Tennessee

Was ging im Kopf des 24-jährigen Attentäters vor?

Ausland
17.07.2015 16:56
High School, Freunde, Ringkampf-Mannschaft: Der Todesschütze von Tennessee führte vor dem Blutbad am Donnerstag mit insgesamt fünf Toten ein Leben wie Millionen US-Amerikaner. Eine TV-Moderatorin spricht gar von einer "amerikanischen Standard-Kinderstube". Was ging im Kopf des jungen Mannes vor? Hätte die Fahnder den Attentäter auf dem Radar haben müssen? Die Suche nach Antworten auf den Anschlag im idyllischen Chattanooga läuft auf Hochtouren.

Wieder hat es niemand kommen sehen: Jahrelang plätscherte die amerikanische Vorstadtidylle in Chattanooga vor sich hin, bevor die mittelgroße Stadt im Südosten der USA nun plötzlich in die weltweiten Schlagzeilen katapultiert wurde. Wieder tröpfelten die ersten Meldungen der Lokalpresse ein, gefolgt von Berichten der großen TV-Sender, bis nach Stunden der Angst und Ungewissheit feststand: Ein schwer bewaffneter 24-Jähriger hat vier Soldaten getötet und starb im Gefecht mit der Polizei. Die Bundespolizei FBI ermittelt wegen eines terroristischen Hintergrunds.

Hätten die Fahnder den Mann auf dem Radar haben müssen? Auf den ersten Blick lautet die Vermutung: Nein. Muhammad Youssef Abdulazeez wuchs in einer muslimischen Mittelschichtsfamilie in einem ruhigen Vorort des knapp 170.000 Einwohner zählenden Chattanooga auf. Der in Kuwait geborene Sohn eines Ingenieurs war mit seinen jordanischen Eltern als Kleinkind in die USA gekommen und besaß nach Angaben von Freunden und seiner Schwester die US-amerikanische Staatsbürgerschaft. Er besuchte eine High School, war ein aktiver Ringkämpfer und wurde von Freunden als lustiger, freundlicher Jugendlicher beschrieben.

Nachbar: "Er muss einfach durchgedreht sein"
"Ich hätte in Millionen Jahren nicht gedacht, dass es dieser Typ sein würde", sagt Ex-Klassenkameradin Kagan Wagner der Lokalzeitung "Times Free Press". "Das sind nette Leute, wissen Sie?", meint Nachbar Elijah Wilkerson, dessen Frau mit dem Jugendlichen Spaziergänge machte. "Er muss einfach durchgedreht sein." Bis auf einige Verkehrsverstöße, darunter eine Autofahrt unter Einfluss von Alkohol und Marihuana war seine Polizeiakte leer.

Aber es wäre wohl zu kurz gegriffen, Abdulazeez nach dem Angriff auf zwei Militäreinrichtungen als "einfach durchgedrehten" Todesschützen in eine Schublade zu stecken. Das FBI hatte seinen Vater wegen möglicher Verbindungen zu Terrorgruppen bereits vor Jahren unter die Lupe genommen, ihn dann aber wieder von der Beobachtungsliste gestrichen. Abdulazeez kommentierte seinen arabisch klingenden Namen im High School-Jahrbuch provokant: "Mein Name löst Warnungen zur nationalen Sicherheit aus. Was macht Deiner?"

Schütze bezeichnete Leben auf der Erde als "Gefängnis"
Im Internet entdeckten Ermittler kleinere Anzeichen dafür, dass der 24-Jährige sich zuletzt radikalisiert haben könnte. In einem auf Montag datierten Blogeintrag beschreibt er das Leben auf der Erde als "Gefängnis". Das nicht übermäßig extremistisch wirkende Online-Tagebuch könnte Aufschluss darüber geben, warum er die vier Angehörigen des US-Militärs ausgerechnet am Donnerstag tötete: Es war der letzte Tag des muslimischen Ramadan-Fests. In einem anderen Beitrag bemerkt Abdulazeez, dass die Zeitgenossen des Propheten Mohammed "den Dschihad um Allahs Willen kämpften".

Als Beweis für "inländischen Terrorismus", wie das FBI die Tat derzeit einstuft, wird das bei Weitem nicht reichen. Vermutlich habe er allein gehandelt, sagt Präsident Barack Obama am Abend der Tat. Nach Einschätzung von drei Terrorismus-Experten der Regierung passt die Attacke in das Schema von Angriffen, zu denen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) aufgerufen hat, berichtet die "New York Times". Nun soll eine Auswertung seines Computers und seines Telefons Licht ins Dunkel bringen. Wenn es schlecht läuft für die Ermittler, hat Abdulazeez die entscheidende Antwort mit ins Grab genommen.

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