Wiener Volksoper

„Nacht in Venedig“: Gschnas, sehr bunt bitte!

Kritik
26.10.2025 12:03

Das Johann-Strauss-Jahr 2025 ist punktgenau zum 200. Geburtstag des Walzerkönigs am absoluten Tiefpunkt angelangt: Die Volksoper verblödelt „Eine Nacht in Venedig“ unbeholfen tief und scheitert dazu musikalisch eklatant.

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Wenn dem Strauss-Jahr bisher eines am allerbesten gelungen ist, dann zu zeigen, dass die Werke des Walzerkönigs auf den Bühnen seiner Heimatstadt kein Leiberl mehr haben. Das witzige, kluge, hinreißend musizierte und gespielte „Waldmeister“-Gastspiel vom Münchner Gärtnerplatztheater im April machte prachtvoll sicher, dass Wiens Musiktheaterbühnen ein schweres Operettenproblem haben.

Denn was partout am 200. Geburtstag von Johann Strauss Junior in der Volksoper als „Nacht in Venedig“ präsentiert wurde, grenzt an Rufmord: Wo man sich ein Fest höchster Güte erwartet hätte, bekommt man ein Operettenbegräbnis erster Klasse. In Form eines Faschingsgschnas’ mit allen Comic-, Film- und Computerspielheld-Kostümen, die man in einschlägigen Fachgeschäften zusammenkaufen kann.

Aber noch schlimmer als die alle dilettierenden Vorstadt-Komödianten verhöhnende Scherz-lass-nach-Inszenierung von Nina Spijkers im hässlichsten Plattenbau-Venedig, ist der musikalische Gesamtzustand des Abends: Die Volksoper hat offensichtlich verlernt, wie man Johann Strauss musiziert. Schon in der die Saison eröffnenden „Zauberflöte“ staunte man über das dürftige musikalische Niveau. Das wurde jetzt noch einmal krachend unterboten. Oder wann hat man eine Operettenaufführung erlebt, in der nicht eine einzige(!) der wichtigeren Partien rollendeckend besetzt war?

Eine Polonaise geht immer! Strauss als Faschingsgschnas in der Volksoper.
Eine Polonaise geht immer! Strauss als Faschingsgschnas in der Volksoper.(Bild: © Jenni Koller/Volksoper Wien )

Aber fangen wir mit den Besseren an: Johanna Arrouas besingt als Fischermädchen Annina ihre Frutti di Mare zumindest so tapfer, mutig und solide, dass die tanzenden Hummer ihre Scheren nicht gleich verschreckt abwerfen müssen. Juliette Khalil kann wirklich komisch sein, womit das Stimmliche dann etwas weniger ins (Leicht-)Gewicht fällt. Marco Di Sapia (Delacqua) darf als gefühlt hundertmal über die Bühne rennender Batman-Joker zumindest ein paar Lacher für sich verbuchen. Jakob Semotan schaut drollig in seinem Super-Mario-Kostüm aus, doch ist er der ausgewachsenen Buffo-Rolle des Pappacoda nicht gewachsen.

Absolute Ebbe herrscht in der Tenorlage: Lucian Krasznec versemmelt seine Auftrittsarie als Herzog von Urbino grandios, um später als steifer Batman den wenig attraktiven Frauenverführer zu geben. Das noch größere Tenor-Problem steht ihm mit seinem kehlig verengt singenden Leibbarbier von David Kerber im Robin-Kostüm gegenüber.

Für ihre Regie hat die Niederländerin Nina Spijkers wenig mehr als die große Alles-geht-weil-Karneval-Vertrottelung anzubieten. Ein Flachwitz nach dem anderen krepiert ihr im müden Tempo und dank der neuen Dialoge von Fabian Pfleger, die extemporierend sein wollen, aber eher zum Fremdschämen sind – so wie die Zumba-für-Anfänger-Choreografien von Florian Hurler. Auch das Orchester pflegt unter Alexander Joel einen eher robusteren Walzertritt.

Man wartet nur noch darauf, dass Rudi Carrell kalauernd die Bühne entert und „Lass dich überraschen“ trällert. Doch stattdessen bekommt Ensemble-Urgestein Ulrike Steinsky im Supergirl-Kostüm ihren Karacho-Auftritt nach der Pause: als Joint paffende und das „Schwipslied“ dudelnde Senatorengattin Barbara. Spätestens hier lösen sich auch die letzten Hoffnungen in Rauch auf. Tröstlich, dass wenigstens Johann Strauss diesen Unfall nicht mehr erleben konnte.

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