Von Voest geklagt

Umweltschützer: “Man will mich mundtot machen”

Österreich
16.02.2014 18:30
Kleiner Umweltschützer legt sich mit der mächtigen Voest an: Nun hat Gerhard Heilingbrunner (56) eine Millionenklage am Hals. Im Interview mit Conny Bischofberger spricht der Umweltschützer, 30 Jahre nach Hainburg, über Angst und Mut, einen existenzgefährdenden Rechtsstreit und warum ihn das alles an die Besetzung der Au erinnert.

In der majestätischen Wildnis der Stopfenreuther Au bewegt Gerhard Heilingbrunner sich wie ein Fisch im Wasser. Für "Krone"-Fotograf Martin Jöchl klettert der Niederösterreicher über Baumstämme, posiert vor Tümpeln, auf denen Schwäne schlafen und erinnert sich, begleitet von Vogelgesängen, an das historische Jahr 1984: "Hier haben wir gemeinsam mit Günther Nenning die Au besetzt und uns vor den Scheinwerfern der Polizei versteckt..."

30 Jahre nach Hainburg steht der passionierte Umweltschützer mit dem Rücken zur Wand. In einem brutalen Rechtsstreit um die sogenannte LD-Schlacke - Heilingbrunner bezeichnet das vom Stahlkonzern im Straßenbau verwendete Material als potentiell gefährlich - hat die Voest den ehrenamtlichen Präsidenten des Umweltdachverbandes vergangene Woche auf 5 Millionen Euro geklagt. Beim Interview im Nationalpark Donauauen, wo heute kein Kraftwerk Hainburg steht, erzählt Heilingbrunner, wie er das durchstehen will.

"Krone": Herr Heilingbrunner, können Sie noch ruhig schlafen mit einer Millionenklage im Nacken?
Gerhard Heilingbrunner: Heute Nacht habe ich fast nichts geschlafen. Es rasen so viele Gedanken durch den Kopf. Einmal denke ich mir: Das kann es doch nicht sein! Und dann wieder: Letzten Endes stehst du doch allein da.

"Krone": Sind Sie deshalb am Freitag mit einer Online-Petition in die Offensive gegangen?
Heilingbrunner: Ich möchte einfach verhindern, dass sich in diesem Land ein Usus entwickelt, der jegliche Initiative im Keim erstickt. Denn dann haben wir irgendwann eine Gesellschaft, wo die Leute sagen: 'Das bringt doch eh nichts! Wenn du dich aufregst, hast du nur Schwierigkeiten!' Deshalb reg' ich mich auf. Auf "nimmerwurscht.at" können alle ihre Stimme für das Recht auf kritische Fragen erheben.

"Krone": Sie haben ja in Ihrem Fall nicht nur kritisch gefragt, sondern festgestellt, dass die Schlacke der Voest angeblich Schwermetalle enthält und damit Gesundheit und Umwelt gefährdet. Wir werden hier nicht feststellen können, ob das so ist... Warum ist Ihnen dieses Thema so wichtig?
Heilingbrunner: Weil der Umweltschutzdachverband aus allen Bundesländern, wo Schlacke zwischengelagert wird, alarmierende Daten bekommen hat. Ich hab' ja mehrere Jahre im Umweltministerium gearbeitet und kenn' mich mit dem Abfallwirtschaftsgesetz aus. Ich habe auch nicht mehr gesagt, als das Umweltministerium bereits amtlich festgestellt hat: Die Hochofenschlacke der Voest ist Abfall, nicht mehr und nicht weniger. Dieser Abfall muss entsorgt werden und darf nicht in den Straßenbau kommen, weil es zu einer Gefährdung von Boden und Wasser kommen kann. Durch die Schwermetalle im Asphalt kann sogar Feinstaub in die Luft gelangen.

"Krone": Für die Voest, die das bestreitet, ist das ein Millionengeschäft. Warum legen Sie sich mit diesem Konzern an?
Heilingbrunner: Weil es nicht sein kann, dass wir Kindern sagen: Bitte haut keinen Abfall auf die Straße, aber die Voest darf das sehr wohl! Wenn ich ein verantwortungsbewusstes Unternehmen bin, dann muss ich Abfälle umweltgerecht entsorgen. Etwa indem ich sie auf eine Reststoffdeponie bringe. Und irgendwann wird es technisch vielleicht sogar möglich sein, Eisen daraus zu gewinnen.

"Krone": Haben Sie denn versucht, mit Herrn Eder von der Voest zu sprechen?
Heilingbrunner: Ich glaube, da würde ich meine Position überbewerten. Ich hätte sicher keinen Termin bekommen...

"Krone": Aber Sie haben auch nicht versucht, einen zu bekommen.
Heilingbrunner: Nein, das muss ich sagen, habe ich nicht.

"Krone": Verstehen Sie nicht auch die Voest, die sich ja im Recht fühlt und sich jetzt gegen Ihre Behauptungen zur Wehr setzt?
Heilingbrunner: Die Voest hätte mich nicht als Erstbeklagten führen müssen. Ich arbeite seit mehr als 20 Jahren ehrenamtlich für den Umweltdachverband. Offenbar will man mich mit dieser hohen Summe mundtot machen. Allein die Gerichtsgebühren betragen bereits mehr als 70.000 Euro.

"Krone": Mundtot wirken Sie nicht gerade...
Heilingbrunner: Noch nicht. Noch habe ich den Mut, mich zu wehren. Ich lasse mir das Rückgrat nicht brechen. Obwohl ich mir das eigentlich gar nicht leisten kann. Mein Nettoeinkommen beträgt 1.600 Euro pro Monat.

"Krone": Wenn Sie ganz ehrlich sind, Herr Heilingbrunner: Können Sie diesen Kampf gewinnen?
Heilingbrunner: Ich weiß es nicht... Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand.

"Krone": Um bei diesem Bild zu bleiben: Haben Sie sich mit dieser Sache nicht zu weit aufs Wasser hinausgewagt?
Heilingbrunner: Ich glaube nicht. Weil es hier um mehr geht als um einen Streit zwischen dem großen Konzern Voest und dem kleinen Umweltschützer Heilingbrunner. Hier geht es um wichtige gesellschaftspolitische Fragen. Wie gehen wir mit Ehrenamtlichen um? Darf man in dieser Republik kritisch sein oder wird alles unter den Teppich gekehrt? Dürfen Konzerne NGOs mit millionenschweren Klagen einschüchtern? Deshalb ist das Logo unserer "Nimmerwurscht"-Kampagne ein Gänseblümchen mit rotem Sprachrohr. Gänseblümchen sind zart und verletzlich, aber wenn Hunderttausende Gänseblümchen ihre Stimme erheben, dann wird das Echo sehr, sehr groß sein.

"Krone": Und was bewirken?
Heilingbrunner: Ich hoffe, dass die Voest ihre Klage zurückzieht...

"Krone": Und wenn sie das nicht tut?
Heilingbrunner: Dann bin ich persönlich ruiniert. Mausetot. Und all jene, die für Natur- und Umweltschutz kämpfen, geraten noch massiver unter Druck.

"Krone": Haben Sie sich überlegt, was es für Sie persönlich bedeuten würde, wenn es zu einem Gerichtsverfahren kommt und Sie gegen die Voest verlieren?
Heilingbrunner: Ich habe mir das in vielen Nächten, in denen ich wachgelegen bin, durchgedacht. Wenn es zum Schlimmsten kommt, würde ich auf das Existenzminimum gepfändet. Von dem müssen in Österreich 350.000 Menschen leben, also werd' ich es auch schaffen. Es ist sicher ein betrüblicher Gedanke, aber das Gute daran ist: Ich werde noch immer mit aufrechtem Rückgrat durch die Welt gehen und nicht vor den Mächtigen kriechen.

"Krone": Sie haben als Treffpunkt für dieses Interview die Stopfenreuther Au bei Hainburg gewählt. Warum?
Heilingbrunner: Weil auch damals ein Großkonzern, die DoKW, versucht hat, uns Umweltschützer zu klagen und einzuschüchtern. Das ist vielleicht in dem einen oder anderen Fall gelungen. Aber in der Gesamtheit ist es misslungen, und deshalb gibt es heute diesen unvergleichlichen Nationalpark Donauauen. Insofern erinnert mich die Klage gegen mich an damals, ich bin eben ein bisschen sentimental...

"Krone": Was würde Günther Nenning sagen, wenn er Sie jetzt hören könnte?
Heilingbrunner: Ich glaube, dass er mir Kraft gibt. Er hat mir übrigens sein Hirschkostüm vererbt. Gemeinsam mit den anderen Kostümen aus der Besetzungszeit - Prachtkäfer, Purpurreiher, Fisch, Schwarzstorch und Eisvogel - wachen sie heute in unserem Büro über unsere Arbeit, über eine gute Zukunft für die Umwelt.

Seine Geschichte
Geboren am 24. 9. 1957 als jüngstes von sechs Kindern im Waldviertel, seine Eltern waren Bauern. Heilingbrunner studiert Jus und engagiert sich schon früh für die Umwelt (zum Beispiel bei der Besetzung der Hainburger Auen). 1987 bis 1991 arbeitet er für die damalige Umweltministerin Marilies Flemming. Seit 1993 ehrenamtlicher Präsident des Umweltdachverbandes. Heilingbrunner ist Initiator des Lebensbaumkreies "Am Himmel" in Wien. Er ist auch als Umweltjurist tätig.

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