Oper Graz

Mozarts „Idomeneo“: Ein Drama voller Blut und Sex

Steiermark
28.09.2025 16:00

In der konzentrierten Form einer griechischen Tragödie bringt Regisseur Philipp Westerbarkei Mozarts Lieblingsoper von 1781 auf die Grazer Opernbühne. Mit Johannes Braun am Pult und einem hervorragenden Ensemble kann er einen emotionalen Sturm entfesseln.

Bei den alten Griechen war der Mensch ganz den Göttern und somit seinem Schicksal ausgeliefert. Das hat Mozart nicht gefallen, der in seinem „Idomeneo“ die Liebe über das Schicksal siegen lässt. Dem wiederum traut Regisseur Philipp Westerbarkei nicht, wie er in seiner düsteren, psychologisierenden, aber hochemotionalen Grazer Inszenierung verdeutlicht.

Nach zehn Jahren Krieg ist das Land verwüstet, sind die Menschen verroht, scheint die Gewalt allgegenwärtig und bereit, jederzeit wieder das Kommando zu übernehmen. Tatjana Ivschinas Ausstattung lässt daran keinen Zweifel. Ein großes, leicht metallisch schimmerndes Element beherrscht die Bühne und beengt den Raum. Blut trieft nicht nur von den Wänden, auch von Händen und Kleidern der Menschen. In dieses Setting kehrt Idomeneo als einer der „Sieger“ in seine Heimat Kreta zurück – gerade noch: Nur ein Opferschwur an Gott Neptun hat die Landung ermöglicht. Dieser trifft seinen Sohn Idamante, der sich in die gefangene Prinzessin Ilia verliebt, was wiederum der rasend eifersüchtigen Elettra nicht gefällt.

Ekaterina Solunya als Ilia
Ekaterina Solunya als Ilia(Bild: Werner Kmetitsch)

Konflikte ohne Ende also, die Westerbarkei nützt, um seine vier Protagonisten, auf die er die Inszenierung zugespitzt hat, und mit ihnen das Publikum auf emotionale Achterbahnfahrten zu schicken. Der Vater, der den Vollzug des Opfers unbedingt vermeiden will, schließlich aber seinem Volk verpflichtet ist; Ilia, die den Feind, der für den Tod ihrer Familie verantwortlich ist, nicht lieben will, es aber trotzdem tut. Der von der Situation völlig überforderte Sohn, der mit der Zurückweisung durch den Vater nicht zurechtkommt, und die dem Wahnsinn verfallende Elettra, die bis zum Äußersten geht, um zu bekommen, was sie will – der Regisseur kann aus dem Vollen schöpfen.  Alles, was von den zwischenmenschlichen Spannungen ablenkt, hat er eliminiert. Kaum Requisiten, nur die stilisierten, sehr zurückgenommenen Kostüme, die starke Geschichten erzählen, ergänzen eine akribische und bis ins Detail durchdachte Personenführung.

Traumensemble sorgt für Gänsehaut
Die Stärke des Ensembles liegt aber nicht nur im fantastischen Zusammenspiel, sondern auch im hervorragenden Zusammenklang. Dmitry Ivanchey ist als Idomeneo kein Machtmensch, sondern ein weiser König, der zu viel an Grauen gesehen hat, auch stimmlich setzt er nicht auf Power, sondern auf die lyrische Kraft und beeindruckende Koloraturen. Anna Brull ist ein sehr jungenhafter Idamante, stimmlich verleiht sie dem Prinzen viele spannende Zwischentöne. Auch Ekaterina Solunyas Ilia ist nicht ganz das sanfte, zarte Wesen, das man gewohnt ist. Zweifel und Schmerz fasst sie in durchaus härtere Töne, die ihrem klaren schönen Sopran Tiefgang verleihen.

Rasende Eifersucht: Marjukka Tepponen als Elettra
Rasende Eifersucht: Marjukka Tepponen als Elettra(Bild: Werner Kmetitsch)

Ein Ereignis ist Marjukka Tepponen als Elettra, ihre Stimme wie auch ihr Spiel legen eine immense Bandbreite an Gefühlen frei. Und auch der von Johannes Köhler einstudierte Chor sorgt mit seinen eindringlichen Interpretationen für Gänsehautmomente.

Die bleibt Johannes Braun im Orchestergraben ein wenig schuldig. Er hat seinen Mozart mit den Grazer Philharmonikern fein gearbeitet, Tempo und Spannung stimmen perfekt, die emotionale Tiefe des Bühnengeschehens wird aber nicht ganz erreicht.

Dieser „Idomeneo“ macht deutlich, wie spannend Oper sein kann, wenn sie zeitlose Themen verhandelt, ohne sie gewaltsam ins Heute zu verfrachten. Ein mehr als gelungener Saisonauftakt.

Loading...
00:00 / 00:00
Abspielen
Schließen
Aufklappen
kein Artikelbild
Loading...
Vorige 10 Sekunden
Zum Vorigen Wechseln
Abspielen
Zum Nächsten Wechseln
Nächste 10 Sekunden
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
Loading
Kommentare
Eingeloggt als 
Nicht der richtige User? Logout

Willkommen in unserer Community! Eingehende Beiträge werden geprüft und anschließend veröffentlicht. Bitte achten Sie auf Einhaltung unserer Netiquette und AGB. Für ausführliche Diskussionen steht Ihnen ebenso das krone.at-Forum zur Verfügung. Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.

User-Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Betreibers/der Redaktion bzw. von Krone Multimedia (KMM) wieder. In diesem Sinne distanziert sich die Redaktion/der Betreiber von den Inhalten in diesem Diskussionsforum. KMM behält sich insbesondere vor, gegen geltendes Recht verstoßende, den guten Sitten oder der Netiquette widersprechende bzw. dem Ansehen von KMM zuwiderlaufende Beiträge zu löschen, diesbezüglichen Schadenersatz gegenüber dem betreffenden User geltend zu machen, die Nutzer-Daten zu Zwecken der Rechtsverfolgung zu verwenden und strafrechtlich relevante Beiträge zur Anzeige zu bringen (siehe auch AGB). Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.

Kostenlose Spiele
Vorteilswelt