Interview & Album

Lorna Shore: Die Heilsbringer des brachialen Metal

Musik
13.09.2025 09:00

Mit „Pain Remains“ und dem damals neuen Sänger Will Ramos wurde aus der US-Deathcore-Band Lorna Shore ein global erfolgreicher Deathcore-Export. Für ihr neues Album, das sie Anfang 2026 in Wiener Neustadt präsentieren, haben sie noch eine Schippe draufgelegt. Ramos und Gitarrist Adam DeMicco erzählen uns, wo die Reise hingeht.

kmm

Als Gitarrist Jeff Moskovciak seine Band Lorna Shore, benannt nach der ersten großen Liebe der Comicfigur Batman, 2009 in New Jersey gründete, konnte er freilich noch nicht wissen, welche Größe die nach einem nerdigen Insider-Schmäh benannte Combo einmal erreichen würde. Zumal er schon zwei Jahre später das Handtuch schmiss, nachdem der durchschnittlich interessante Metalcore auf der Debüt-EP „Triumph“ keinen Hund vor den Ofen lockte. Nach Moskovciaks Abgang übernahm Adam DeMicco das Ruder und trieb die Band in eine neue Richtung. Die Gitarren wurden tiefergestimmt, Sänger Tom Barber schärfte bei den Growls am Mikrofon nach und progressive Elemente sollten zeigen, dass man auch musikalisch dazugelernt hat. Mit „Godmaker“ gab es 2013 einen ersten YouTube-Hit, die Alben „Psalms“ (2015), „Flesh Coffin“ (2017) und „Immortal“ (2020) erschienen, aber trotz stattlicher Szene-Credibility war man meilenweit von richtigen Erfolgen entfernt.

Entscheidende Veränderung
Für Lorna Shore galt in den Corona-Monaten, was unser damaliger Gesundheitsminister Rudi Anschober bis zum Exzess predigte: „Die nächsten Tage werden entscheidend sein.“ Als Barber Lorna Shore nämlich Richtung Konkurrenzband Chelsea Grin verließ, verpflichtete DeMicco den jungen Will Ramos als Ersatz, der sich und die Band ab Juni 2021 in lichte Höhen führen sollte. Der Track „To The Hellfire“, das dazugehörige Video und Ramos‘ unglaubliche Gesangsleistung samt seiner erfolgreichen Social-Media-Präsenz führten dazu, dass eine mehr als zehn Jahre in der Genre-Durchschnittlichkeit dümpelte Deathcore-Band plötzlich zum „heißesten Scheiß“ der Gegenwart mutierte. Die dazugehörige EP „…And I Return To Nothingness“ (2021) wurde ihnen aus den Händen gerissen, das Full-Length-Album „Pain Remains“ eroberte trotz brachialer Klanghärte die Mainstream-Charts. In Österreich durften sich Ramos, DeMicco und Co. etwa über Platz sechs erfreuen. Dementsprechend schwierig war es für die Über-Nacht-Superstars, dem bereits 2021 geschriebenen Werk einen adäquaten Nachfolger anzuhängen, wie die beiden im launigen Doppeltalk mit der „Krone“ am Rande des Nova Rocks beteuern.

„Uns mit dem Erfolg dieses Albums zu messen, war wirklich brutal“, blickt Publikumsliebling Ramos schelmisch auf schwierige Songwriting-Jahre zurück, „man will als Musiker immer den größten Erfolg übertreffen, ohne sich dabei zu wiederholen und dieselbe Formel anzuwenden. Wir haben uns früh im Songwritingprozess geschworen, dass wir nie wieder ein weiteres ,To The Hellfire‘ schreiben werden, also wie setzen wir neue Farben so ein, dass sie die alten nicht völlig übermalen? Der Druck war gewaltig, denn auch die Erwartungshaltung der Fans war riesig. Am meisten Druck haben wir uns aber definitiv selbst gemacht, weil wir einen neuen Standard setzen wollten und uns bis zum letzten Tag nicht damit zufriedengaben, weniger als das Beste zu kreieren.“ Mit „I Feel The Everblack Festering Within Me“ hat man einen Albumtitel gewählt, der nicht düsterer sein könnte, was laut DeMicco aber etwas in die Irre führt. „Es war einfach die coolste Textzeile aus den Songs vom Album“, lacht er, „ansonsten, würde ich sagen, haben wir so viele helle Momente, wie nie zuvor.“

Mut zu Melodien
Etwaige Sorgen der Fans, die Band würde sich für größere Erfolge von der erbarmungslosen Härte ihres Grundsounds trennen, können schon nach den ersten Sekunden des Openers „Prison Of Flesh“ ausgeräumt werden. Stimmwunder Ramos schreit, grölt, quiekt und – ja – singt sich zuweilen auch durch die einzelnen Tracks, Doublebass und sphärische Keyboards duellieren sich, während die Gitarren im Drop-D-Modus ballern und der Bass für seismische Schwingungen sorgt. Was man Songs wie „Glenwood“ oder „Lionheart“ aber anhört, ist der Mut zu mehr Melodie. In der Gegenwart von Lorna Shore wird das Fell nicht mehr durchgehend durchgedrückt, Songwriter DeMicco hat im quälenden Songwritingprozess eine markante Liebe zur Entschlackung und zu Refrains gefunden, die auch für jene greif- und hörbar sind, die ob des harschen Death Metals der Band ansonsten einen weiten Bogen um ebenjene machen würden. Musik wie Lorna Shore macht gegenwärtig keine andere Band. Die Single-Auskoppelung „Oblivion“ etwa wirkt auch ohne das dazugehörige Video wie ein achtminütiger Kurzfilm für Hirn und Ohren und reitet so behände durch sämtliche Subgenres der härteren Gangart, dass einem ganz schwindlig wird.

Dass man seit gut vier Jahren einen nicht enden wollenden Erfolgsrun hat, verdankt man aber nicht nur Stimme und Charisma Ramos‘, sondern auch der Tatsache, dass sich DeMicco als Songwriter zu den besten seiner Zunft entwickelt hat. „Der Schritt vom alten zum neuen Album ist aber kleiner, als das für manche klingt“, versucht der Bandchef zu beschwichtigen, „wir gehen jetzt nicht von Wills wildestem Geschrei runter zu einem Akustikalbum, das ist natürlich Bullshit. Es gibt für mich zwei Arten von Bands im Metalsektor. Der einen Art gehören etwa Parkway Drive oder Lamb Of God an, die grob in ihrem Korsett bleiben, sich darin aber entwickeln und verändern. Zur anderen Art zählen Bring Me The Horizon, wo jeder neue Song ein neues Abenteuer ist und der Erfolg trotzdem größer wird. Ich würde sagen, wir stecken da irgendwo dazwischen und bewegen uns in beiden Welten.“ Über allem steht ihnen aber die persönliche Evolution. „Nichts ist langweiliger, als sich zu wiederholen. Wir haben ,Pain Remains‘ fast vier Jahre lang live gespielt. So sehr die Menschen das Album lieben – es war dringend Zeit für etwas Neues und Anderes.“

Gemeinschaft der Außenseiter
Die Songs auf „I Feel The Everblack Festering With Me“ stehen unabhängig voneinander und vermischen persönliche Unsicherheiten, Erfahrungen und Krisen der Musiker mit einem dystopischen Gesamteindruck, der sich aufgrund der aktuellen Weltlage nicht verhindern ließ. „Es gibt Songs über die Beziehung zwischen mir und meinem Vater, wir haben Songs über innere Dämonen und wir haben Songs, wie den Closer ,Forevermore‘, der so episch ausgefallen ist, dass ich noch nicht einmal mehr weiß, welche Gedanken ich dort alle versammelt habe“, so Ramos, „Adam und ich haben beide Familienmitglieder und wichtige Menschen in unserem Leben verloren. Musik und Texte dazuzuschreiben ist der beste Weg, um mit diesem harten Thema klarzukommen. ,In Darkness‘ etwa ist ein Lied für Außenseiter, wie auch wir sie sind. Es ist okay, dass ihr anders seid. Wir sind es auch und wir sind viele und gehören zusammen. Ich habe es auch mit Malen versucht, bin darin aber furchtbar. Dann lieber texten und singen.“ DeMicco freut sich darüber, dass man sich nach so vielen Jahren „sehr gut ausdrücken“ könne, „es ist für uns leichter, uns klarer zu artikulieren und unseren Emotionen freien Lauf zu lassen. Das macht auch die Songs noch ehrlicher und besser.“

Live in Wiener Neustadt
Wer Lorna Shore und die Songs ihres Meisterwerks „I Feel The Everblack Festering With Me“ live sehen und hören möchte, hat die Chance dazu am 30. Jänner in der Arena Nova in Wiener Neustadt. Mit im Gepäck haben Ramos und Co. dort auch die stilistisch ähnlich gelagerten Mitstreiter Whitechapel, Shadows Of Intent und Humanity’s Last Breath. Unter www.oeticket.com gibt es noch Karten und weitere Informationen zum ruppigen und frühen Live-Highlight 2026.

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