Drei Monate nach dem schrecklichen Amoklauf am 10. Juni starten die Jugendlichen des Grazer BORG Dreierschützengasse mit professioneller Hilfe in das neue Schuljahr. Bis zu den Herbstferien gibt es keine Schularbeiten, ein Jahr lang wird in einem Ausweichquartier unterrichtet.
Genau drei Monate sind seit dem schrecklichen Amoklauf am Grazer BORG Dreierschützengasse vergangen. Zum Schulstart am Montag wurde die schwarze Trauerfahne am Schulgebäude entfernt und eine neue Fahne gehisst, die Schüler gemeinsam mit dem Künstler Andreas Stern gestaltet haben. Darauf ist ein Leuchtturm, durchzogen von Menschenketten, zu sehen.
„Der Leuchtturm steht für Orientierung, Sicherheit und Hoffnung. Die Menschenkette symbolisiert Gemeinschaft und Zusammengehörigkeit“, erklärt eine Schülerin am Dienstag bei einer Pressekonferenz zum Neubeginn für die Schule.
Sanfte Rückkehr ins Schulgebäude
Diesen hat eine Steuerungsgruppe mit Experten verschiedener Institutionen sowie Vertretern von Eltern und Schülern über die Ferien akribisch vorbereitet. Die Schülerinnen und Schüler werden im kommenden Schuljahr in einem Ausweich-Gebäude der AVL bei der List-Halle unterrichtet. Sonderunterrichtsräume, wie etwa der Chemie- und Musiksaal oder Sporthallen, werden im Stammgebäude genutzt.
Nach den sehr herausfordernden Monaten starten wir am betroffenen BORG mit Zuversicht in ein neues Schuljahr.
Bildungsdirektorin Elisabeth Meixner
„Wir sind gerade dabei, die Schüler in einen ganz normalen Schulalltag zurückzuführen. Wir hatten gestern eine Zeremonie zur Eröffnung und sind dann schon wie üblich zu administrativen Aufgaben übergegangen“, erklärt Schuldirektorin Liane Strohmaier. „Es sind auf jeden Fall Tränen geflossen, aber weniger, als wir befürchtet haben“, sagt Schülervertreter Daniel Hoffmann.
Die Nachwirkungen seien bei Schülern ganz unterschiedlich, „ich habe aber das Gefühl, der Großteil hat es recht gut überstanden und blickt wieder nach vorne.“ Es habe auch kein Lehrer infolge der Ereignisse die Schule verlassen, sagt Direktorin Liane Strohmaier.
Keine Schularbeiten und Tests bis zu den Herbstferien
Den Jugendlichen stehen so lange wie nötig laufend Psychologen zur Verfügung. „Wir werden behutsam mit den Schülern umgehen, aber auch darauf achten, dass sie lernen und ihre Leistungen erbringen“, so die Schulleiterin. Im Sinne eines sanften Einstiegs werde es bis zu den Herbstferien aber keine Leistungsfeststellungen in Form von Tests oder Schularbeiten geben.
Das Schulgebäude wird in den kommenden Monaten umgebaut und von Schülern gemeinsam mit Künstler Andreas Stern umgestaltet. Die stark belasteten Bereiche werden neu gewidmet. Auch eine Gedenkstätte soll entstehen.
Psychologin Heidrun Nedoma zur Aufarbeitung des Amoklaufs in Graz.
„Krone“: Wie äußert sich das Geschehene bei Betroffenen drei Monate nach dem Amoklauf?
Heidrun Nedoma: Es ist ganz unterschiedlich, weil jeder ganz individuell reagiert. Und es ist noch zu früh, per Diagnose zu sagen, ob jemand traumatisiert ist oder nicht. Was natürlich vorkommt, sind akute Belastungsreaktionen, dass Leute übererregt sind oder Konzentrations- und Schlafprobleme haben. Und es kommt auch zu Intrusionen, das ist unkontrolliertes Wiedererleben, das kann ganz plötzlich durch äußere Reize passieren. Aber das sind normale Reaktionen auf dieses abnormale Ereignis. Es ist zu früh, zu sagen, ob so etwas jetzt schon pathologisch ist.
Wie werden Schüler jetzt weiter psychologisch betreut?
Das schulpsychologische Unterstützungsteam – bestehend aus Psychologen, Pädagogen, Schulärzten und Beratungslehrern – ist permanent vor Ort. Jeder, der Unterstützung braucht, bekommt sie. Und es besteht natürlich die Kontaktmöglichkeit zu uns Traumapsychologen und anderen externen Kollegen. Wir halten auch laufend engen Kontakt zum Lehrerteam.
Wie kann die Rückkehr ins alte Schulgebäude gelingen?
Zum einen ist es diese neue Normalität über das AVL-Gebäude, man ist da jetzt wieder im Schulbetrieb drinnen. Und es werden ja einige Klassen in Spezialunterrichtsfächern schon im Schulgebäude unterrichtet. Man hat schon gesehen, dass die Berührungsängste relativ gering sind. Das Allerwesentlichste ist natürlich, dass das Schulgebäude umgebaut und gemeinsam mit den Schülern umgestaltet wird. Und wenn sie jetzt schon langsam immer wieder ins Gebäude zurückkehren, werden sie das gut gewohnt werden.
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