Täglich schließen Höfe

Mit dieser Strategie trotzen Jungbauern der Krise

Niederösterreich
03.08.2025 11:00

Alarmierend: Innerhalb von nur drei Jahren ist die Zahl der Landwirte im Land um zehn Prozent gesunken – Betriebe wachsen oder gehen moderne Wege. Die „Krone“ machte sich ein Bild der Lage.

Es sind Zahlen, die in der Tat aufhorchen lassen – und Anlass zur Sorge geben! Gab es nämlich 2020 noch rund 111.000 Betriebe, so waren es drei Jahre später nur noch etwa 101.000. Besonders dramatisch ist der Rückgang in der Steiermark. „Hinter diesen nüchternen Zahlen stehen Lebensgeschichten, Existenzen, Dörfer, Familien. Und ein schleichender Wandel, der unsere Landschaft, unsere Ernährung und unser gesellschaftliches Gefüge verändert“, gibt der türkise EU-Mandatar Alexander Bernhuber, selbst Rinderbauer in Kilb (NÖ), zu bedenken.

Anonyme Strukturen statt Familienbetriebe
Betroffen sind vor allem kleinere Betriebe, oft ohnehin nur noch im Nebenerwerb geführt – von Familien, die über Generationen hinweg den Hof am Laufen gehalten haben. Doch immer öfter bleibt am Ende nur das Zusperren. Was an Fläche übrig bleibt, wird von größeren Betrieben übernommen. Der Trend geht klar in Richtung Konzentration: Die Großen wachsen, die Kleinen verschwinden.

(Bild: Krone KREATIV/stock.adobe.com)

Die Zahl der gehaltenen Nutztiere pro Betrieb steigt. Wer bleibt, hat aber mehr Verantwortung, mehr Fläche, mehr Belastung – und oft keine Wertschätzung. Hannes Royer, Gründer der Initiative „Land schafft Leben“, bringt es auf den Punkt: „Jeden Tag sperren neun Bauernhöfe zu. Diese Entwicklung verändert nicht nur unser Landschaftsbild, sondern auch, wie in Österreich Landwirtschaft betrieben wird. Was früher Vielfalt war, wird heute Monotonie.“

Wo früher Persönlichkeiten mit Handschlagqualität Milch, Fleisch, Gemüse produziert haben, übernehmen heute zunehmend anonyme Strukturen. Familienbetriebe – einst das Rückgrat unserer Landwirtschaft – verschwinden nach und nach von der Bildfläche. Eine Entwicklung, die vielerorts beobachtet werden kann.

Hohe Bürokratie, niedrige Preise & Co. als Fallstricke
Rund 80 Prozent der Arbeitskräfte auf Österreichs Höfen sind Familienangehörige. Doch der Druck auf sie wächst. Bürokratie, schwankende Preise, fehlende Nachfolge – die Liste der Herausforderungen ist lang. Österreichs Landwirtschaft ist traditionell kleinstrukturiert. Das unterscheidet uns von vielen anderen Ländern. Während in Deutschland ein Milchbauer im Schnitt 74 Kühe hält, sind es bei uns 23. Noch – denn auch hier stehen viele kleine Betriebe unter enormem Druck.

Scharner geht in Oberösterreich neue Wege – ihr kleiner Betrieb überlebt dank Edelpilz-Zucht.
Scharner geht in Oberösterreich neue Wege – ihr kleiner Betrieb überlebt dank Edelpilz-Zucht.(Bild: Werner Dedl)
Top-Heurigenbäuerin Harm trotzt im Pielachtal (NÖ) der dramatischen Entwicklung.
Top-Heurigenbäuerin Harm trotzt im Pielachtal (NÖ) der dramatischen Entwicklung.(Bild: Imre Antal)

Wichtigstes Kapital für die Zukunft der Höfe bleibt aber wohl die „breite“ Aufstellung. Top-Heurigenbäuerin Veronika Harm aus dem Pielachtal in NÖ hat ihren Betrieb modern ausgerichtet: „Für mich ist das Schönste die Nähe zu den Menschen: neue Gesichter, alte Bekannte und liebe Gäste, die immer wiederkommen. Wir verarbeiten, was wir selbst großgezogen haben.“

Das erklärt auch Julia Scharner aus St. Georgen an der Gusen (OÖ): „Uns war relativ rasch klar, dass wir unseren kleinen Betrieb neu aufstellen müssen. Wir haben lang überlegt, wie wir unsere Ressourcen bestmöglich nutzen, und seit 2019 produzieren wir Bio-Edelpilze und beliefern Spitzengastronomie sowie Supermarktketten.“

Fazit: Heimische Betriebe stehen vor einem Scheideweg. Entweder wachsen oder Nischen besetzen und so den Preiskampf entschärfen. Es gibt schon viele Beispiele, die zeigen, wie zukunftsträchtig die Landwirtschaft auch sein kann!

NÖ-Bauernbundchef Paul Nemecek im Interview
„Jede Wirtschaft ist lebende Heimat“

„Krone“: Was macht Sie an der aktuellen Entwicklung denn besonders betroffen?
Nemecek: Jeder einzelne Betrieb, der verloren geht, ist ein Rückschlag für die Versorgungssicherheit und unsere bäuerliche Kultur. Es geht nicht nur um Wirtschaft, sondern um Menschen, um Familien, um gelebte Verantwortung für Land und Tier. Wenn täglich neun Höfe aufgeben, dann verlieren wir mehr als Arbeitsplätze. Wir verlieren ein Stück unserer Wurzeln, Heimat und Identität.

Wer ist am meisten vom Strukturwandel in der Landwirtschaft betroffen?
Vor allem unsere Familienbetriebe. Sie können wegen fehlender Importregeln im globalen Wettbewerb nicht mehr mithalten. Wenn nur mehr billig zählt und egal ist, wo und wie etwas produziert wurde, darf man sich nicht wundern. Denn, wo das Einkommen nicht mehr ausreicht oder die Hofnachfolge fehlt, fällt schweren Herzens die Entscheidung aufzugeben.

Hat denn die Gesellschaft zu lange weggesehen?
Ich würde nicht sagen „weggesehen“, aber vielleicht zu lange nicht genug hingesehen. Der Bauernbund kämpft seit Jahren für Entlastungen und faire Bedingungen für unsere Höfe. Aber wir brauchen einen gesamtgesellschaftlichen Schulterschluss. Denn eines ist klar: Schließt sich einmal das Hoftor, wird es in den seltensten Fällen noch einmal geöffnet. Der Verlust ist endgültig.

Agrarier Paul Nemecek appelliert an ein Bekenntnis zur österreichischen Landwirtschaft.
Agrarier Paul Nemecek appelliert an ein Bekenntnis zur österreichischen Landwirtschaft.(Bild: Imre Antal)

Was muss passieren, um die Trendumkehr zu schaffen?
Wir brauchen dieselben strengen Regeln und hohen Standards für importierte Lebensmittel, wie sie bei heimischen Produkten gelten. Wir benötigen ein EU-Budget, das unseren Bauern Sicherheit gibt und nicht Verunsicherung schafft. Dazu braucht es mehr finanzielle Mittel und weniger Bürokratie. Und letztendlich auch mehr Wertschätzung durch die Gesellschaft. Unsere österreichischen Bauern sind wahre Ökopioniere in Europa und Bewahrer unserer kostbaren Heimat. Das kann man ruhig öfters, auch laut sagen.

Ihr Appell an die große Familie der „Krone“-Leser?
Wer unsere Bauern stärken will, kann es täglich beim Einkauf tun. Jeder Griff ins Supermarktregal ist ein Bekenntnis zum Wertvollen, das wir unseren Kindern und Enkerln schuldig sind. Wer billig kauft, zahlt am Ende doppelt – mit der Ausdünnung unserer Landschaft, dem Verlust von Arbeitsplätzen und Wertschöpfung sowie mit Abhängigkeit von Importen. Jeder einzelne Bauernhof hingegen, der tief verwurzelt weiterlebt, ist ein Stück lebender ländlicher Heimat.

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