Es ist ein außergewöhnlicher Kriminalfall, der am Freitag Geschworene im Salzburger Landesgericht beschäftigte: Die Angeklagte ist seit ihrer Geburt schwer beeinträchtigt. Ein Arbeitskollege, ebenfalls beeinträchtigt, neckte sie immer wieder. Um ihre Ruhe zu haben, hatte sie eine Idee aus einer Fernsehserie.
Eigentlich ist die Angeklagte „lieb und empathisch“, erzählt Verteidiger Christoph Rother. Seit ihrer Geburt hat sie mit Beeinträchtigungen zu kämpfen: Sie versteht Zusammenhänge nur schwer, ist sehr lärmempfindlich und kann nicht richtig sprechen, dabei hilft sie sich mit der künstlichen Stimme aus einer Handy-App. Ihrem Handicap entsprechend arbeitete die Salzburgerin in einer für solche Personen geeigneten Einrichtung. Ein Arbeitskollege, der ebenfalls gehandicapt ist, war immer etwas lauter als sie und hat sie vor allem bei der Busfahrt zur Arbeit immer wieder geärgert.
Betreuerin griff noch rechtzeitig ein
„Sie wollte sich das nicht mehr bieten lassen und hat ein Getränk mit 24 Milliliter Schmerzmittel zusammengemischt“, führte der Staatsanwalt zu Prozessbeginn aus. Dem Vorwurf des versuchten Mordes nach wollte sie damit ihren Peiniger töten, erklärte der Ankläger und betonte, dass eine Betreuerin dies sah und noch rechtzeitig eingriff.
Experten uneinig über Tödlichkeit
Dazu äußerte der Staatsanwalt ein großes Aber: „Es stellt sich auch die Frage, ob es ein untauglicher Versuch war.“ Denn: Der Staatsanwalt hat die Frau eigentlich wegen versuchter absichtlicher schwerer Körperverletzung angeklagt, weil er bezweifelt, dass die Menge des Schmerzmittels tödlich sei. Das Oberlandesgericht sah das anders. Und ein Schöffensenat war eben nicht befugt über die Möglichkeit eines Mordversuchs zu entscheiden, deswegen wird jetzt erneut vor Geschworenen verhandelt.
Die Angeklagte ist ein TV-Junkie und liebt Gerichtssendungen. Die Idee hatte sie auch aus einer Folge einer Fernsehserie.
Verteidiger Christoph Rother
„Sie wollte nur, dass er damit aufhört. Aber sie wollte nichts Schlimmes“, so der Verteidiger, der rechtlich die gleiche Meinung wie der Staatsanwalt hatte, und dabei betonte: „Auch ein Sachverständiger kam zu dem Ergebnis: Selbst bei einem vollen Fläschen wäre es mit Sicherheit nicht tödlich gewesen.“ Dabei erzählte Rother auch, woher die Angeklagte die Idee hatte: „Die Angeklagte liebt Gerichtssendungen im Fernsehen. Aus einer Folge von ‘Anwälte im Einsatz‘ hatte sie die Idee.“
Mit Vorsicht und Gefühl sprach Richter Günther Nocker die Angeklagte an. Aussprechen konnte sie nur „Ja“ oder „Nein“. Auf Fragen tippte die Frau ins Handy. Eine künstliche Stimme sagte: „Ich wollte ihm nicht weh tun, ich wollte nur, dass er ruhig ist.“ Mehrmals war ein „ich verstehe es einfach nicht“ zu hören. Sie selbst meinte, nichts über die Gefährlichkeit gewusst zu haben. Das opiodhaltige Schmerzmittel gehörte eigentlich der Mama, die ihre Erwachsenenvertreterin ist. Auf eine Frage hin antwortete sie auch mit: „Das habe ich im Fernsehen gesehen.“
Die Geschworenen entschieden am späten Nachmittag auf versuchte schwere Körperverletzung und acht Monate Haft auf Bewährung, rechtskräftig.
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