Gute Nachricht für Arbeitnehmer: Die Löhne dürften heuer um etwa 3,7 Prozent steigen. Schon in den vergangenen Jahren legten sie stärker zu als in den Euro-Ländern. Grund ist unsere hohe Inflation, die Staat und Betriebe besonders großzügig ausgeglichen haben. Für die Wirtschaft ist das nun fatal.
Kaum irgendwo in Europa wurden die Löhne so stark angehoben wie bei uns. Vor allem für 2023 und 2024 waren die Kollektivvertragsabschlüsse immer um einige Prozentpunkte höher als im Ausland. In Summe sind die Tarifbezüge seit 2020 bei uns um 28 Prozent angehoben worden, im Euroraum waren es nur 17,2 Prozent.
Heuer erwartet Jan Kluge von Agenda Austria weitere 3,7 Prozent mehr, Beschäftigte in den anderen Euro-Ländern dürften durchschnittlich nur auf 1,6 Prozent Plus kommen. „Diese Lücke wird immer größer, die Wettbewerbsposition der österreichischen Unternehmen verschlechtert sich dadurch, ohne dass den Arbeitnehmern real viel mehr bleibt“, so Kluge.
Auch Produktivität steigt nicht mehr
Durch die Abgeltung der bei uns besonders hohen Inflation wurde zwar die Kaufkraft der Beschäftigten erhalten, heimische Produkte wurden dadurch aber im internationalen Wettbewerb zu teuer. Zusatzproblem ist, dass auch die Produktivität, also die Leistung pro Arbeitsstunde, seit einer Weile bei uns nicht mehr steigt und heuer laut WIFO sogar sinken dürfte – das aber wäre aber die Voraussetzung, auch höhere Löhne zahlen zu können.
Die KV-Verhandlungen folgten dennoch immer noch der alten sogenannten Benya-Formel, wonach Löhne die Inflation sowie den Produktivitätsfortschritt abgelten. Diese Formel wird also übererfüllt, obwohl die Abschlüsse eigentlich unter der Teuerungsrate liegen müssten.
Um das auszugleichen, sind vor allem Industriebetriebe im internationalen Wettbewerb gezwungen, auf einen Teil des Gewinns zu verzichten. Folge ist bereits, dass der Anteil der Arbeitnehmerentgelte am gesamten Volkseinkommen 2025 bereits fast 75 Prozent betragen wird, rechnet das WIFO. Das ist der höchste Wert seit 30 Jahren. Die Unternehmensgewinne sinken dementsprechend auf nur mehr ein Viertel.
„Schuld“ an dieser Entwicklung haben teilweise die Betriebe selbst, kritisiert Kluge: „Sie sind in den KV-Verhandlungen stolz, wenn es keine Streiks gibt, aber wer ohne Druckmittel verhandelt, muss sich nicht wundern, wenn er nach der Benya-Formel abschließt.“ Für die kommenden Lohnrunden sollten die Arbeitgeber also härter bleiben, meint Kluge.
„Aufhören, mit schlechtem Beispiel voranzugehen“
Fehler sieht er aber auch beim Staat, weil dieser die Beamtenbezüge in den vergangenen Jahren besonders großzügig angehoben und so zur Leitlinie für andere Branchen gemacht hat. „Die Regierung muss jetzt aufhören, mit schlechtem Beispiel voranzugehen.“ Generell sollten die Lohnverhandlungen viel flexibler auf die Situation in einzelnen Branchen und Betrieben eingehen, fordert der Ökonom. In Schweden etwa machen sich Arbeitgeber und Gewerkschaften der Exportindustrie eine für sie verträgliche Lohnentwicklung aus, die dann auch für andere Wirtschaftszweige als Maßstab wirkt.
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