Er war Wurfscheibe, Prellbock – und hat seine Haut verkauft. Ab Samstag, 10. Mai, heißt es im OK Linz: Vorhang auf für Wolfgang Flatz. Der Vorarlberger zählt – neben Chris Burden und Marina Abramović – zu den wichtigsten Aktionskünstlern der Welt. Die „Krone“ besuchte Flatz beim Aufbau seiner Schau in der oberösterreichischen Landeshauptstadt.
Wolfgang Flatz riskiert seine Haut, seine Kunstaktionen sind Schmerz pur. 1979 posiert er nackt in einem Münchner Museum, die Besucher werfen Dartpfeile auf ihn, der Schützenkönig bekommt Preisgeld.
In der alten Synagoge von Tiflis baumelt Flatz kopfüber wie Schlachtvieh an einem Seil. Er lässt sich zwischen zwei Stahlplatten hin und her knallen. Ja, der Vorarlberger ist ein Meister der Extreme. Seine Performances verhandeln Gewaltpotentiale der Gesellschaft.
Ab Samstag, 10. Mai (Eröffnung, Freitag, 9. Mai), zeigt das OK Linz erstmals in Österreich eine umfassende Werkschau.
Die „Krone“ besucht den Künstler beim Aufbau seiner Autoskulpturen im voestalpine open space. Und wir sprechen über ein heikles Thema: Den Verkauf seiner Haut an einen Sammler.
„Krone“: Sie waren 1989 und 1990 Gastprofessor an der Linzer Kunstuni. Was haben Sie unterrichtet?
Flatz: Kunst natürlich.
Wie würden Sie Ihre Kunst beschreiben?
Mein Ansatz geht auf die Renaissance zurück, auf Personen wie Leonardo da Vinci, die ja alles gemacht haben. Sie haben das Weltbild ihrer Zeit in Form gebracht. Da Vinci hat Architektur, Skulpturen, die Mona Lisa gemacht, aber auch Waffen und sogar einen Hubschrauber. Das ist ein gesamtheitliches Bild, das hat mich auch interessiert. Ich würde mich daher eher als Cross-over-Künstler bezeichnen.
Sie machen in ihren Performances Tabus und Gewalt sichtbar, sie gehen bis an Schmerzgrenzen.
Als ich in den frühen siebziger Jahren begonnen habe, gab es nur drei, die so arbeiteten: Marina Abramović, Chris Burden und mich – ich war der Jüngste. Wir haben zur selben Zeit in denselben Museen Performances gemacht. Jeder von uns ist auf seine Weise an seine körperlichen und auch psychischen Grenzen gegangen.
Man durfte sie mit Dartpfeilen bewerfen, sie haben sich zum menschlichen Glockenpendel gemacht. Sie haben sich in Performances hohen Risiken ausgesetzt. Wie haben sie sich vorbereitet?
Man kann sich eigentlich nur mental vorbereiten. Ich habe in meinem Leben 50 Stücke gemacht, keine einziges davon war eine Wiederholung. Bei zehn Performances wusste ich: Wenn das danebengeht, war es die Letzte, die ich gemacht habe. Es ist aber dann doch ganz gut gelaufen.
Jetzt sind Sie 72 Jahre alt. Machen Sie noch neue Aktionen?
Ich hatte letztes Jahr in der Pinakothek München eine große Retrospektive. Da habe ich mein letztes Stück gezeigt: Ich stand auf einem Podest und daneben hat man die Tötung von Pferden gesehen – ein Videoloop, drei Pferde wurden geschlachtet. Und ich habe immer gesagt: „This is not a horse!“ Das geht auf René Magritte und sein Bild „Ceci n‘est pas une pipe“ zurück. Und ich frage damit: Was sehen wir? Was ist Realität?
Sie sind stark tätowiert. Kürzlich wurde bekannt, dass Sie Ihre Haut verkauft haben. Ist das nicht ein Tabubruch?
Mein erstes Tattoo, das ich auf die „weiße Leinwand“ – also die weiße Haut meines Körpers – gesetzt habe, war meine Signatur. Und ich wusste damals schon, wenn der Körper abgeschlossen ist, werden die Tattoos präpariert. Das geht zurück auf die japanische Kultur im 19. Jahrhundert, allerdings auf kriminelle Gangs, den Yakuza. In Japan gibt es sogar ein Tattoo- und Hautmuseum.
Wie muss ich mir das genau vorstellen?
Ich weiß nicht, wie ich sterbe. Aber die Haut wird abgenommen, das ist mit einem Arzt geklärt. Die Pieces (Tätowierungen, Anm.) werden präpariert und weitergegeben – sie gehen an einen Sammler.
Was zeigen Sie in Linz?
Die Ausstellung ist die größte zusammenhängende Ausstellung, die ich je gemacht habe. Ich war ein Arbeiter- und Bauernkind und wurde zuerst Goldschmied. Ich zeige Werke vom Schmuck bis zu einem apokalyptischen Raum mit viel Asphalt und Autos.
Die Autos haben ja total viele Löcher. Fahren die noch?
Nein (lacht), die fahren nicht mehr.
Infos: Flatz. Physical Machine, 10. Mai bis 5. Oktober, OK Linz.
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