"Ein großer Sieg"
Transsexueller Revolutionär mischt Kubas Politik auf
"Das war ein großer Sieg", erinnert sich Hernandez stolz. In seinem Viertel, einem Slum am Rande der Hafengemeinde Caibarien, wird er von Nachbarn liebevoll nur "Adela" gerufen. Doch wie man ihn anredet, mit Jose oder Adela, ob als Mann oder als Frau, ist ihm egal.
Straßenbeleuchtung für Slum erkämpft
Seit seiner Wahl bekam er viel Besuch von Journalisten, und sogar Abgesandte von Mariela Castro, der Tochter von Staatschef Raul Castro, waren da. Seine bittere Armut zeigt er offen: eine Holzhütte, etwa zehn Quadratmeter Fläche. Kein Leitungswasser, kein Klo. In der ebenfalls bettelarmen Nachbarschaft ist er beliebt. "Er hat immer den Schritt nach vorne getan, hat uns immer geholfen", erzählt etwa die 48-jährige Magaly Alvarez. In seiner kurzen Zeit als Stadtrat habe er schon erreicht, dass der Slum eine Straßenbeleuchtung bekomme. Das habe früher keiner geschafft.
Hernandez kam nach einer Stichwahl bei den Regionalwahlen im Oktober ins Amt. Sein Fall zeigt, welche gesellschaftlichen Veränderungen trotz politischer Starre derzeit auf Kuba stattfinden. Die von einem Einparteiensystem kommunistisch regierte Karibikinsel verteidigt ihre Wahlen als demokratisch. Auf dem Papier werden Volksvertreter auf lokaler und nationaler Ebene direkt von Bürgerversammlungen nominiert und später an der Wahlurne bestätigt. Dissidenten haben in der Regel keine Chance. Tatsächlich lenkt der Staatsapparat alles durch örtliche Komitees, sodass vor allem politisch Andersdenkende nicht zum Zuge kommen.
"Bin genauso homosexuell, wie ich revolutionär bin"
Hernandez wurde mangels anderer Kandidaten in seinem Wahlbezirk nominiert. "Die Nachbarn schlugen ein Parteimitglied als Kandidaten vor, aber der wollte nicht", erzählt er. "Dann sagten sie: Hier gibt es keine anderen Vorschläge als Adela." Entscheidend bei der Wahl von Hernandez war auch, dass er überzeugter Kommunist ist: "Ich bin genauso homosexuell, wie ich revolutionär bin", meint er. "Alle Länder machen Fehler, und wenn es Momente für Wiedergutmachung gibt, heiße ich das willkommen." Trotzdem gab es bei der Wahlbehörde zunächst Skepsis, als die Wahl auf ihn fiel. "Sie dachten, das wäre ein Scherz", erinnert sich Nachbarin Alvarez. Dann hätten sie aber nachgegeben.
Homosexuelle hatten es in den Jahren nach der Revolution von 1959 nicht einfach. Die sogenannten Abweichler wurden oft in Arbeitslager gesteckt und gesellschaftlich als "konterrevolutionär" ausgegrenzt. Erst 2010 vollzog Revolutionsführer Fidel Castro einen Sinneswandel und bezeichnete die Verfolgung von Schwulen als Unrecht. Inzwischen tritt die Regierung offiziell gegen Diskriminierung ein.
Tochter des Staatschefs als Vorkämpferin
Vor allem Mariela Castro ist als Aktivistin für die Rechte von Schwulen und Lesben bekannt. Die Tochter des Staatschefs leitet in der Hauptstadt Havanna das Nationale Zentrum für Sexuelle Erziehung. Als Abgeordnete in der Nationalversammlung setzt sie sich für die Einführung der Homo-Ehe ein.
Mariela Castro lud Hernandez kürzlich nach Havanna zu einem Straßenfest gegen Homophobie ein, jetzt, da er eine Art "Vorzeige-Homo" geworden ist. Auch soll sich Hernandez bald einer Geschlechtsumwandlung unterziehen dürfen - einer Operation, die seit 2008 vom kubanischen Staat kostenlos angeboten wird. Rund zwei Dutzend Personen sind seitdem operiert worden.
Hernandez plagen aber auch andere Sorgen: Sein rund 30 Jahre jüngerer Lebenspartner sitzt im Gefängnis, weil er Vieh gestohlen hat. Ihm selbst ist derartiges nicht fremd - als er jung war, ließ ihn sein Vater aufgrund seiner Homosexualität ins Gefängnis stecken. "Da kam ich noch schwuler raus", scherzt er. Danach schlug er sich als junger Mensch alleine in der Provinz durch, machte eine Ausbildung als Krankenpfleger. An seinen freien Wochenenden tritt er heute noch regelmäßig in einer Travestie-Show in der Nähe von Caibarien auf.
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