Milliarden im Meer
Zypern hofft auf Gas-Bonanza als Ausweg aus Krise
In Zypern gebe es "nur den Finanzsektor und Strände", sagte der schwedische Finanzminister Anders Borg laut Onlineausgabe des "Svenska Dagbladet" am Mittwoch. "Jetzt, wo der Finanzsektor am Ende ist, gibt es nur noch die Strände", so Borg. Doch der Schwede irrt, denn vor der Küste Zyperns liegt ein wahrer Rohstoffschatz, der dem Land Milliardeneinnahmen bescheren könnte.
Der US-Ölkonzern Noble Energy entdeckte südlich der Insel ein bedeutendes Gasvorkommen in zypriotischen Gewässern (Bild). Das Feld mit dem Namen "Aphrodite" könnte bis zu 224 Milliarden Kubikmeter Gas enthalten - im Wert von schätzungsweise 100 Milliarden Euro. Und Experten vermuten weitere Vorkommen in der Nachbarschaft - nicht nur Gas, sondern auch Öl.
Zypern gründete für die Erschließung im Jänner eigens ein Staatsunternehmen namens Kretyk und begann mit der Vergabe von Förderlizenzen an internationale Energiekonzerne. Doch die Ausbeutung der verheißungsvollen Reserven wird nicht von heute auf morgen anlaufen. Sie liegen tief unter dem Meeresspiegel, was Bohrungen technisch schwierig macht.
Streit mit Nachbar Türkei um Rohstoffvorkommen
Zudem hat auch der Nachbar Türkei, der 1974 den Nordteil Zyperns besetzt hatte, ein Auge auf die Vorkommen. Nach Ansicht Ankaras darf Zypern keine Bohrungen vor der Küste einleiten, solange die Insel geteilt ist. Im November drohte die türkische Regierung, bei eigenen Energieprojekten alle Firmen zu boykottieren, die sich an der Gasförderung in Zypern beteiligen. 2011 hatte Ankara demonstrativ ein eigenes Erkundungsschiff in die Region entsandt - und gedroht, die Mission notfalls mit Kriegsschiffen durchzusetzen.
Nun kommen womöglich auch die Russen ins Spiel. Die russische Zeitung "Wedomosti" hatte bereits am Dienstag berichtet, die Gazprombank, die zu 41 Prozent dem staatlichen Energiekonzern Gazprom gehört, habe Zypern in der Krise Finanzhilfe vorgeschlagen - im Gegenzug für Lizenzen zur Ausbeutung des Gas-Schatzes. Ein konkretes Angebot von Gazprom liege allerdings bisher nicht vor, erklärte der zypriotische Finanzminister Michalis Sarris am Mittwoch.
Zypriotischer Finanzminister verhandelt in Moskau
Sarris war auf der verzweifelten Suche nach Geldquellen bereits am Dienstag nach Moskau geflogen. Dort verhandelte er am Mittwoch mit Vertretern der russischen Regierung über eine Verlängerung eines existierenden Kredits von 2,5 Milliarden Euro sowie um einen Zinsnachlass.
Nach Gesprächen mit seinem russischen Kollegen Anton Siluanow traf Sarris auch Vizeregierungschef Igor Schuwalow, wie die Agentur Interfax meldete. Mit Siluanow habe es zunächst keine endgültige Einigung gegeben. "Wir hatten sehr gute, sehr konstruktive Gespräche und ehrliche Verhandlungen", sagte Sarris. Die Gespräche sollen fortgesetzt werden, bis eine Lösung gefunden sei.
Spekulationen über russische Marinebasis auf Zypern
Kommentatoren erwarten jedenfalls, dass sich die Russen jedwede Hilfe am Ende üppig vergolden lassen werden. Neben möglichen Förderrechten für Gazprom vor der zypriotischen Küste diskutieren Oligarchen auch über einen Kauf angeschlagener zypriotischer Banken. Nach russischen Ankündigungen, Teile der Kriegsflotte dauerhaft im Mittelmeer zu stationieren, fragen sich Beobachter, ob auch eine Marinebasis auf Zypern zum Geschäft gehören könnte. Angesichts des Bürgerkriegs in Syrien dürfte Russland längst nach einem Ersatz für seinen dortigen Stützpunkt suchen.
Russland habe jetzt die große Chance, sich als wichtiger Akteur auf der Weltbühne zu behaupten, meint der Oligarch Michail Prochorow in der Wirtschaftszeitung "Wedomosti". Russland habe das Geld dafür.
Russen drohen bei Zwangsabgabe enorme Verluste
An einer Lösung der zypriotischen Finanzprobleme dürften jedenfalls beide Länder großes Interesse haben, denn die angedachte Zwangsabgabe auf Bankeinlagen zur Rettung Zyperns würde Russland besonders hart treffen. Berechnungen der Ratingagentur Moody's zufolge hatten russische Banken, darunter VTB, die zweitgrößte Bank des Landes, dort Ende 2012 zwölf Milliarden Dollar (9,3 Milliarden Euro), andere Firmen noch einmal 19 Milliarden Dollar angelegt. Die VTB kündigte bereits an, bei einer Sonderabgabe das Zypern-Geschäft auf den Prüfstand zu stellen. Im schlimmsten Fall könnten Verluste im zweistelligen Millionenbereich auftreten.
Russlands Präsident Wladimir Putin ließ zwar nach einem Telefonat mit dem zypriotischen Staatschef Nikos Anastasiades mitteilen, dass Zypern auch nach dem Scheitern eines Rettungsplanes im Parlament weiter mit der EU verhandeln müsse. Seit Tagen warnt der Kremlchef aber auch scharf davor, den Interessen der Russen zu schaden.
Da passt es nur, dass noch am Mittwochabend EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso in Moskau erwartet wird. Bis Freitag ist sein Aufenthalt in Russland geplant. Diplomaten in Brüssel und Moskau machen deutlich, dass es bei den breit angelegten Gesprächen auch um Zypern gehe.
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