Nach Rettungspaket

Banken gestürmt: Zyprioten wollen ihr Geld retten

Wirtschaft
16.03.2013 11:46
Nach der Einigung auf das Zypern-Rettungspaket beim EU-Gipfel in Brüssel haben Hunderte Inselbewohner am Samstagvormittag ihre Banken gestürmt. Da erstmals in der Euro-Finanzkrise nicht alle Steuerzahler, sondern nur die Bankkunden die Rettung der maroden Finanzinstitute mittragen müssen, haben viele Anleger Angst um ihre Ersparnisse und versuchen, ihre Konten leer zu räumen. Die Zwangsbeteiligung am Rettungspaket macht sie wütend: "Das ist schlicht und ergreifend Diebstahl!"

Damit die Anleger ihr Geld nicht ins Ausland schaffen, haben die Banken bereits vorgesorgt: Der Anteil der Einlagen, den die Kunden im Rahmen der Vereinbarung der Euro-Finanzminister und des Internationalen Währungsfonds entrichten sollen, wird auf den Konten blockiert, bevor die Banken nach einem regulären Feiertag am Montag am Dienstag wieder öffnen. Das Onlinesystem der Banken wurde außer Betrieb gesetzt.

Später schlossen die wenigen auch am Samstag geöffneten Filialen, wie der stellvertretende Präsident der Cooperative Central Bank of Cyprus, Erotokritos Chlorakiotis, im staatlichen Rundfunk sagte. Man könne selbstverständlich Geld bei Automaten beheben, doch jener Anteil, der für die vereinbarte Sonderabgabe auf Guthaben reserviert ist, sei eingefroren.

Nach der Vereinbarung ist eine Abgabe von 9,9 Prozent auf Guthaben über 100.000 Euro in zypriotischen Banken fällig. Beträge unter dieser Schwelle werden mit 6,75 Prozent besteuert.

Bevölkerung tobt: "Dies ist nicht die Insel der Mafia"
Dieser Umstand erzürnt die Bevölkerung. "Ich bin extrem wütend. Ich habe Jahre über Jahre gearbeitet, um dies anzusparen, und jetzt verliere ich es, weil die Niederländer und Deutschen es sagen", ärgerte sich ein 54-jähriger Zypriot. Ein Pensionist tobte: "Das ist schlicht und ergreifend Diebstahl!" Zypern sei nicht Sizilien. Dies sei nicht die Insel der Mafia.

Bankkunden müssen Rettung der Institute mitzahlen
Die Euro-Finanzminister und der IWF hatten sich nach langem Tauziehen in der Nacht auf Samstag auf das Rettungspaket für Zypern geeinigt. Zum ersten Mal in der Euro-Krise werden nur Bankkunden und nicht alle Steuerzahler gezwungen, die Rettung der Institute mitzubezahlen.

"Wir haben eine politische Vereinbarung über die Eckpfeiler des Programms erreicht", erklärte Euro-Gruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem Samstag früh in Brüssel. Das Kreditpaket für das strauchelnde Euro-Land wird sich auf zehn Milliarden Euro belaufen. Im Gegenzug verpflichtet sich Zypern zur Sanierung seiner Banken und des Budgets.

Zyperns Finanzminister Michalis Sarris hofft auf einen Neuanfang für sein Land nach dem rettenden Hilfsprogramm. "Uns stehen harte Zeiten bevor und wir werden den Gürtel enger schnallen müssen, aber ich denke, es gibt uns eine Chance, mit Zuversicht in die Zukunft zu schauen", sagte Sarris am Samstagmorgen in Brüssel.

Zyperns Regierung gegen Beteiligung von Bankkunden
Der Durchbruch auf der kurzfristig einberufenen Sitzung der Euro-Gruppe kam nach einer monatelangen Hängepartie zustande. Auch die neue konservative Regierung Zyperns hatte sich gegen eine Beteiligung von Bankengläubigern oder -kunden gewehrt, die neben dem IWF auch Deutschland, Finnland und die Niederlande gefordert hatten.

Einen Schuldenschnitt wie im Fall Griechenlands wird es nicht geben. Doch für die außergewöhnliche Situation Zyperns mit seinem überdimensionierten Bankensektor sei diese maßgeschneiderte Lösung notwendig gewesen, sagte Dijsselbloem. Die Regierung in Nikosia braucht das Geld vor allem, um seine Banken zu stützen, die wegen des Schuldenschnitts in Griechenland in die Klemme gerieten.

Finanzminister: "Keine andere Wahl gehabt"
Diese umstrittene Maßnahme soll einen Betrag von 5,8 Milliarden Euro einbringen. Bis 2018 soll der Bankensektor auf EU-Durchschnitt gebracht werden - er dürfte dann von der Bilanzsumme her nur noch vier- statt wie heute achtmal so groß sein wie die Wirtschaftsleistung des Landes. In den 1990er-Jahren hatte Italien einmal eine ähnliche Steuer erhoben, um die Lira zu schützen.

Der IWF habe auf dieser fairen Lastenteilung bestanden, sagte IWF-Chefin Christine Lagarde. EZB-Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen sagte, mit der Steuer würden auch die ausländischen Bankkunden erfasst. Die Abgabe sei zwar unangenehm für die Betroffenen - doch es sei die beste mögliche Lösung gewesen, betonte Sarris. Als Finanzminister sei er nicht glücklich über das Verfahren. "Aber die Aufgabe, den Wohlstand der Menschen und die Stabilität des Systems zu schützen, ließ uns keine andere Wahl."

Ziel: Staatsschulden bis 2020 auf 100 Prozent des BIP
Zypern stimmte außerdem zu, seinen rekordniedrigen Unternehmenssteuersatz von zehn auf 12,5 Prozent anzuheben. Zusammen mit Irland hat die Insel damit noch immer die niedrigste Besteuerung, mit der Unternehmen angelockt werden sollen. Mit weiteren Einsparungen und der von Zypern lange abgelehnten Privatisierung öffentlicher Unternehmen sollen die Staatsschulden unter Kontrolle gebracht werden und bis 2020 auf 100 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt sinken.

Einhaltung der Anti-Geldwäsche-Regeln werden überwacht
Auf Drängen der Euro-Finanzminister muss Zypern außerdem nachweisen, dass die Banken die Anti-Geldwäsche-Regeln der EU befolgen. Das sollen unabhängige Experten überprüfen. Es wird vermutet, dass ein großer Teil der enorm hohen Guthaben im überdimensionierten Bankensektor Zyperns Schwarzgeld sind.

Nach Griechenland, Irland, Portugal und Spanien ist Zypern das fünfte Land, das in der seit drei Jahren anhaltenden Schuldenkrise Beistand braucht.

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