Tote und Verletzte
Anti-US-Stimmung schlägt in blanke Gewalt um
Am Morgen waren Demonstranten in Sanaa durch das Haupttor des schwer bewachten Botschaftgeländes gebrochen, berichteten Augenzeugen: "Wir können ein Feuer auf dem Gelände sehen." Die Demonstranten warfen Fenster ein und setzten Autos in Brand. Andere hielten Spruchbänder in die Höhe, auf denen "Gott ist groß" zu lesen war. Die Polizei setzte Wasserwerfer ein und gab Warnschüsse ab, um die Menschenmenge zu vertreiben.
Zu Mittag starben dann laut Behörden drei Angreifer, als Sicherheitskräfte die Menge daran hinderten, erneut auf das Botschaftsgelände vorzudringen. Lokale Medien berichteten, Präsident Abed Rabbo Mansur Hadi habe sein Bedauern über die Gewalt ausgedrückt. Die Demonstranten hätten sich verantwortungslos verhalten, sagte er.
Der Jemen ist ein wichtiger Verbündeter in dem von den USA ausgerufenen Kampf gegen den Terrorismus. Das Land ist Stützpunkt der Al-Kaida auf der arabischen Halbinsel, der nach Ansicht der USA gefährlichsten Gruppe innerhalb der von Osama bin Laden gegründeten Extremisten-Organisation. Vor allem im Süden des Jemen kämpfen Regierungsgruppen gegen Al-Kaida-Aufständische.
Seit Dienstag Proteste in mehreren Ländern
Seit Dienstag, dem Jahrestag der Anschläge vom 11. September 2001, gibt es in zahlreichen muslimischen Ländern Proteste gegen einen Film, in dem der Prophet Mohammed als Frauenheld, Kinderschänder und Mörder verunglimpft wird. Regisseur soll ein US-Bürger mit israelischen Wurzeln sein. Um die Produktion zu finanzieren, habe er fünf Millionen Dollar von rund einhundert jüdischen Spendern eingesammelt.
Das US-Konsulat im libyschen Bengasi wurde am Dienstag mit Raketen und Granaten angegriffen. Botschafter Chris Stevens und drei Mitarbeiter wurden getötet, zudem starben mehrere libysche Sicherheitskräfte bei der Attacke. Auch in Kairo stürmten militante Islamisten die amerikanische Botschaft. US-Präsident Barack Obama kündigte umgehend Vergeltung für die Ereignisse in Libyen an und schickte zwei Kriegsschiffe vor die Küste des Landes. Libyen meldete noch am Donnerstag die Festnahme von mehreren Verdächtigen (siehe Infobox).
Ausschreitungen in arabischen Staaten
In Kairo lieferten sich Demonstranten am Donnerstag vor der US-Botschaft blutige Straßenschlachten mit der Polizei. Dabei wurden nach Angaben der Gesundheitsbehörden weit über 200 Menschen verletzt. In Tunis demonstrierten mehrere hundert Salafisten vor der US-Botschaft. Proteste gab es auch in mehreren irakischen Städten, in Teheran, im Gazastreifen sowie in Bangladesch. Vereinzelte Demonstrationen wurden aus Afghanistan und Pakistan gemeldet.
Aus Angst vor gewalttätigen Demonstrationen gegen den Film begannen die afghanischen und die pakistanischen Behörden indessen mit der Sperrung der Zugänge zur Internetplattform YouTube (siehe Infobox). In mehreren asiatischen Ländern wurden die Sicherheitsvorkehrungen für US-Vertretungen verschärft, weil dort Proteste gegen die USA im Anschluss an das Freitagsgebet erwartet werden. In Saudi-Arabien, wo Demonstrationen verboten sind, wurde über Twitter für Freitag zu Protesten vor den US-Vertretungen in Riad und Jidda aufgerufen.
Einen Zwischenfall gab es am Donnerstag auch im US-Konsulat in Berlin: Nachdem eine Angestellte eine "weiße Substanz" in Ausweispapieren wahrgenommen und danach über einen "komischen Geschmack" im Mund geklagt hatte, wurde der Visa-Bereich aus Sicherheitsgründen evakuiert. Eine Überprüfung ergab jedoch, dass keinerlei gefährliche Substanz freigesetzt wurde, wie eine Polizeisprecherin sagte. Die Evakuierung wurde daraufhin wieder aufgehoben.
Ägyptens Mursi: "Werden solche Ereignisse nicht zulassen"
Die offiziellen Vertreter von Ägypten und Libyen stellten sich hinter die Vereinigten Staaten: Der ägyptische Präsident Mohammed Mursi verurteilte am Donnerstag bei seinem Antrittsbesuch bei den EU-Spitzen in Brüssel die gewaltsamen Proteste. Mursi sagte nach einem Treffen mit EU-Kommissionschef Jose Manuel Barroso, er habe mit US-Präsident Obama dazu ein Telefongespräch geführt.
"Wir werden solche Ereignisse gegen Botschaften nicht zulassen", versicherte Mursi. Ägypten werde dazu eng mit der EU und den USA zusammenarbeiten. Zugleich verurteilte der Präsident aber auch die "Provokation", welche der Film ausgelöst habe. "Überall in der arabischen Welt ist Zorn über den Film, der den Propheten Mohammed verunglimpft. Wir verurteilen das in aller Schärfe", sagte er.
Libyen entschuldigt sich für "feige Tat"
In Libyen sagte der Präsident der Nationalversammlung, Mohammed Magarief, am Mittwoch in einer von Al-Jazeera übertragenen Erklärung: "Wir entschuldigen uns bei den USA, dem Volk und bei der ganzen Welt für das, was geschehen ist." Auch der stellvertretende libysche Ministerpräsident Mustafa Abu Shagour verurteilte das Attentat auf Botschafter Christopher Stevens in einer Twitter-Nachricht als "feige Tat". Die Parlamentarier des Landes sprachen in einer gemeinsamen Erklärung von einem "feigen Verbrechen".
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