Interview zur Haltung

„Kaninchen im Käfig sind wie Hunde an der Kette“

Tierecke
28.03.2024 16:14

Der Osterhase erfreut sich in diesen Tagen großer Beliebtheit. Ganz zum Leidwesen von echten Kaninchen, die für den populären Mythos missbraucht werden. Die Aufnahme der flauschigen Gesellen darf keine „Kurzschlussreaktion“ sein. Was die Langohren zu einem erfüllten Leben brauchen, lesen Sie hier.

Seit hunderten Jahren ist ein süßer Hase fester Bestandteil des Osterfestes – er bringt bunte Eier und lädt zum Genießen ein. Und jedes Jahr wollen Familien zur Osterzeit ein Kaninchen aufnehmen – die meisten dieser Entscheidungen sind unüberlegt und lediglich auf den Hype um den Osterhasen zurückzuführen.

Die sensiblen Fluchttiere leiden still
Kaninchen sind nach Katzen und Hunden die drittbeliebtesten Haustiere. Ihr weiches Fell, die putzigen Knopfaugen, niedliche Stupsnase, süße Ohren sprechen optisch viele an. Fälschlicherweise werden sie oftmals als pflegeleichte und anspruchslose Tiere dargestellt, die als „Spielgefährten“ für Kinder geeignet seien. Doch das Gegenteil ist der Fall: Kaninchen sind Fluchttiere, ausgesprochen sensibel und krankheitsanfällig.

Sie möchten auch nicht hochgehoben oder getragen werden. Und sie wehren sich, wenn man es trotzdem macht. Das zu verstehen, fällt Kindern oft sehr schwer – nachvollziehbar, denn schließlich wollen sie die Tiere „nur“ liebhaben. Fazit: Kaninchen gelten dann schnell als angriffslustig und landen kurzerhand im Tierheim.

Wenn man auf der Online-Seite eines Tierasyls nach Kaninchen sucht, kommen immer wiederkehrend die gleichen Begründungen für die Aufnahme: „...ausgesetzt gefunden“, „aus schlechter Haltung gerettet“, „nach unüberlegter Anschaffung abgegeben“.

38 Kaninchen werden beispielsweise derzeit im Tierheim Krems (NÖ) betreut. Obfrau Andrea Specht klärt im Gespräch mit der „Krone“ über die häufigsten Fehler zur Kaninchenhaltung auf.

„Krone“:  Haben Sie den Eindruck, dass Tierhalter die Bedürfnisse von Kaninchen weniger beachten als jene von Hund und Katze?
Andrea Specht: Kaninchen (generell Kleintiere) gelten leider immer noch als optimale „Einsteigertiere“ für Kinder. Die Fluchttiere sind jedoch alles andere als kuschelbedürftig. Trotzdem werden sie zwangsgestreichelt, hochgehoben und herumgetragen. Dabei leidet nicht nur die Psyche der Tiere, auch gesundheitliche Defizite machen sich durch falsche Haltung bemerkbar.

Was ist das häufigste Problem?
Allen voran: zu wenig Platz! Kaninchen haben einen immensen Bewegungsdrang. Losspringen und Hakenschlagen gehören ebenso zum Verhaltensspektrum wie Buddeln oder Sozialkontakt mit Artgenossen pflegen. Sie können bis zu 60 km/h erreichen, über einen Meter hoch springen und sich im Sprung drehen. Dazu braucht es Platz, eine natürlich Strukturierung mit Baumstümpfen, Wurzeln, Ästen, Rohre und isolierte Schutzhütten gegen Regen und Kälte. 

Wie sieht die tiergerechte Haltung aus?
Wer jemals Kaninchen bei der gegenseitigen Fellpflege und beim Kuscheln erlebt hat, weiß, dass eine Einzelhaltung das schlimmste ist, was man diesen sozialen Tieren antun kann – außerdem ist es verboten. Ein Kaninchen alleine im Käfig ist wie ein Hund an der Kette! Sie brauchen ein großes Gehege (acht Quadratmeter Minimum) mit ausreichend Rückzugsmöglichkeiten, z. B. Holzhäuschen oder Weidentunnel. Das Häuschen soll auch ein flaches Dach haben, denn Kaninchen ruhen gerne auf erhöhten Flächen, weil sie dort einen guten Überblick haben.

Kann man Kaninchen in der Wohnung einen geeigneten Lebensraum bieten?
Ideal ist eine Haltung im Freigehege, doch auch indoor oder auf dem Balkon lässt sich ein Kaninchenparadies verwirklichen. Dazu braucht es unbedingt eine „Buddelkiste“ zum Graben. Diese kann man zum Beispiel aus einer großen Plastikkiste mit Deckel relativ einfach selber bauen. Schattige Plätzchen (keine Süd-Westlage) am Balkon/auf der Terrasse und natürlich eine Sicherung wie bei Katzenhaltung. In der Wohnung eignet sich entweder ein Extrazimmer oder ein Gehege, plus täglichem Auslauf.

Was fressen Kaninchen gerne?
Das Grundfutter von Kaninchen ist gutes Heu – denn Kaninchen müssen ständig etwas zum Knabbern und Nagen vorfinden – welches durch einen Teil Frisch-/Saftfutter und nur einen minimalen Anteil an Körner-/Trockenfutter ergänzt wird. Ab dem Frühjahr kann auf ungespritzen Wiesen selbst gepflückt werden.

Melden sich aktuell mehr Interessenten für Kaninchen?
Wie jedes Jahr, leider ja. Nach den Feiertagen werden zahlreiche Kaninchen in die ohnehin schon überfüllten Tierheimen abgegeben. Oder noch schlimmer, irgendwo ausgesetzt. Denn viele Kinder verlieren schon nach kurzer Zeit das Interesse an ihrem „Geschenk“. Die Eltern sind mit der Versorgung überfordert oder haben keine Lust sich um den tierischen Familienzuwachs zu kümmern. Ich empfehle eindringlich zum Schoko-Hasen zu greifen. 

Vielen Dank für das Gespräch, liebe Andrea.

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Auch wenn das Leben mit einem Haustier ein Geschenk sein kann, sollte man ein Tier niemals verschenken. Es ist kein Objekt – sondern ein empfindsames Wesen mit eigenen Bedürfnissen, die sich von Art zu Art und von Rasse zu Rasse unterscheiden.

(Bild: ORF/Günther Pichlkostner)

Maggie Entenfellner, Ressortleitung „Krone“-Tierecke

Das Wichtigste zur Kaninchenhaltung

  • Die sozialen Gruppentiere dürfen keinesfalls alleine gehalten werden. Sie brauchen mindestens einen Artgenossen.
  • Um unerwünschten Nachwuchs zu verhindern, sollten zumindest die männlichen Tiere kastriert sein.
  • Kaninchen brauchen viel Platz und regelmäßig Auslauf. Bestenfalls ein sicheres Gehege im Garten. Ein handelsüblicher Käfig ist kein Lebensraum für Kaninchen! Beim Auslauf in Wohnungshaltung unbedingt Gefahrenquellen wie Stromkabeln entfernen/sichern.
  • Die Reinigung des Geheges ist zeitaufwändig  über Jahre hinweg ständig und täglich notwendig
  • Kaninchen sind dämmerungsaktiv und verursachen in „Gefangenschaft“ Nage-, Kratz- und Klopfgeräusche.

Adoption – eine verantwortungsvolle und langfristige Aufgabe
Appell der „Krone“-Tierecke im Namen der vielen armen Kaninchen: Bitte kaufen Sie Kaninchen nicht auf Internetplattformen oder unüberlegt im Tierfachhandel. Wenn Sie sich nach sorgfältiger Überlegung entschließen, einer Gruppe ein Zuhause in einem bestenfalls naturbelassenen Außengehege zu bieten, besuchen Sie ein Tierheim. Dort warten viele Kleintiere auf ein Zuhause und eine zweite Chance im Leben. Zudem werden Sie sehr genau über die Bedürfnisse der Tiere informiert.

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