Nach 13 Jahren

Beschluss in Wien: Der Kosovo wird ganz souverän

Ausland
02.07.2012 13:30
Gut 13 Jahre nach dem Ende des Krieges der Albaner im Kosovo gegen die serbische Herrschaft wird das Land als jüngster Staat Europas in wenigen Monaten voll und ganz souverän sein. Der "Internationale Lenkungsrat", dessen Mitglieder Staaten sind, welche die am 17. Februar 2008 ausgerufene Unabhängigkeit des Kosovo befürworten, beschloss am Montag in Wien die Beendigung der "beaufsichtigten Souveränität" bzw. "international überwachten Unabhängigkeit", die im Plan des UNO-Vermittlers Martti Ahtisaari vorgesehen ist.

Das "Internationale Zivilbüro", das seit Ende Februar 2008 über die Umsetzung von Ahtisaaris Statusplan - den die Kosovo-Serben und auch Belgrad ablehnen - wachte, wird laut seinem Chef Pieter Feith seine Arbeit Mitte September beenden. Die kosovarischen Institutionen sind nach Meinung des niederländischen Diplomaten in den letzten viereinhalb Jahren genügend gefestigt worden.

Bereits im Jänner hatte sich der Lenkungsrat in Wien darauf geeinigt, die Überwachung noch heuer zu beenden und das Zivilbüro zu schließen, wie Feith damals ankündigte - am Montag wurde das offiziell.

Weiterhin Probleme im Nordkosovo
Probleme im Kosovo gibt es im Norden des Landes allerdings weiterhin. Dort lehnt die dominierende serbische Volksgruppe die Autorität der albanisch-geführten Regierung in Pristina (im Bild ein Marktplatz im Jahr 2007) und die Umsetzung des Ahtisaari-Planes, der u.a. Minderheitenschutz, den Schutz serbisch-orthodoxer Kirchengüter und weitgehende lokale Selbstverwaltung umfasst, ab.

Seit dem Sommer des Vorjahres kam es immer wieder zu Konfrontationen - auch mit Angehörigen der internationalen NATO-Schutztruppe KFOR, der auch mehr als 400 Österreicher angehören. Ortsansässige Serben blockierten Wege zu Grenzübergängen zu Serbien, als die kosovarischen Behörden die Kontrolle dort übernehmen wollten. Die KFOR räumte diese Sperren. Im November 2011 wurden auch elf Bundesheersoldaten verletzt.

Grenzübergänge befriedet
Inzwischen sind die Grenzübergänge frei, auch wenn weiterhin keine Zölle eingehoben werden. Erst kürzlich gelang es italienischen KFOR-Soldaten, die von den Serben weitgehend benutzten illegalen Grenzübergänge zu sperren.

Auch wenn das Internationale Zivilbüro nun geschlossen wird - die Internationale Gemeinschaft wird im Kosovo präsent bleiben. Die EU-Rechtsstaatsmission EULEX, die dem Kosovo seit der Unabhängigkeit beim Aufbau eines Justiz-, Zoll- und Polizeiwesens unterstützt, wird ihre Arbeit fortsetzen. Die EU-Staaten hatten Anfang Juni zwar eine Reduktion des Personals um 25 Prozent beschlossen, das EULEX-Mandat wurde zugleich aber um zwei weitere Jahre verlängert. Am 15. Juni wurde die Zahl der internationalen EULEX-Mitarbeiter von früheren 1.950 auf 1.178 gesenkt. Dazu kommen 975 Mitarbeiter aus dem Kosovo.

Österreich und Deutschland bilden KFOR-Verstärkung
Auch die KFOR, die schon seit Kriegsende im Juni 1999 für ein sicheres Umfeld sorgt, bleibt. Die ursprüngliche Truppenstärke von rund 50.000 Soldaten wurde in den letzten Jahren allmählich abgebaut. Derzeit beläuft sie sich inklusive eines 550-Personen-starken österreichisch-deutschen Reservebataillons, das wegen der Spannungen im Norden angefordert wurde, auf 5.576 Soldaten.

Seit Kriegsende ist in Pristina auch die UNO-Mission UNMIK tätig. Fast zehn Jahre lang war die frühere serbische Provinz bis zur Unabhängigkeit unter UNO-Verwaltung gestanden. Wie die KFOR basiert sie auf der UNO-Resolution 1244 vom Juni 1999. Diese behandelt den Kosovo als Bestandteil der damaligen Bundesrepublik Jugoslawien, bestehend aus Serbien und Montenegro. Seit der Auflösung des Staates im Juni 2006 ist Serbien ihr einziger Rechtsnachfolger. Die inzwischen realitätsferne Resolution ist vor allem dank der UNO-Vetomacht Russland, die Serbien in seiner Kosovo-Politik unterstützt, weiterhin in Kraft. So existiert auch nach wie vor die UNMIK stark reduziert. Ende Februar hatte sie noch 418 Mitarbeiter, 148 davon aus dem Ausland.

Gegner: Spanien, Slowakei, Rumänien, Griechenland, Zypern
Der Kosovo wurde bisher von 91 der 193 UNO-Mitglieder als unabhängiger Staat anerkannt. Die kosovarische Regierung bemüht sich um die Annäherung an die Europäische Union, wobei jedoch fünf der 27 EU-Mitglieder den Kosovo bisher nicht anerkannt haben. Diese sind: Spanien, die Slowakei, Rumänien, Griechenland und Zypern.

Anfang Juni haben die kosovarischen Behörden der EU-Kommission die Antworten auf etwa 450 Fragen zugestellt, die sie zur Erstellung einer Durchführbarkeitsstudie für das geplante Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit der EU beantworten mussten. Kurz danach erhielt das Land auch die lang erwartete Roadmap zur Visa-Liberalisierung. Es geht hier um eine lange Liste an Reformen, welche vor Aufhebung des Visumzwanges seitens der Europäischen Union umzusetzen sind.

Mit der Errichtung einer Verwaltungskanzlei im serbischen Teil der geteilten Stadt Mitrovica hat Pristina kürzlich trotz heftiger Proteste lokaler serbischer Politiker auch einen ersten Schritt zur Eingliederung des Nordens gesetzt.

40 Prozent der Bevölkerung arbeitslos
Die Wirtschaftslage im Kosovo hat sich seit der Unabhängigkeit nicht verbessert. Die Arbeitslosigkeit liegt offiziell bei 40 Prozent. Betroffen ist, egal ob Albaner oder Serben, vor allem die junge Generation. Laut Volkszählung 2011, der ersten seit 30 Jahren, die von der mehrheitlichen albanischen Bevölkerung nicht boykottiert wurde, hat der Kosovo rund 1,8 Millionen Einwohner. Die Serben stellen schätzungsweise sechs Prozent davon. Die Hälfte der Kosovo-Serben lebt konzentriert im Norden des Landes.

Seit März des Vorjahres versuchen Belgrad und Pristina in einem EU-vermittelten Dialog einige technische Fragen der Koexistenz zu lösen. Mehrere Vereinbarungen wurden bisher erzielt, etwa was die Anerkennung von Universitätsdiplomen betrifft oder die Teilnahme des Kosovo an regionalen Gremien und die Grenzkontrolle. Nicht alle werden bisher auch umgesetzt.

Serbische Polizei schwört "Kampf um Kosovo"
Der designierte serbische Ministerpräsident Ivica Dacic ließ am Wochenende wissen, dass seine künftige Regierung den begonnenen Verhandlungsprozess fortsetzen werde. Zuvor sorgte die neue Eidesformel einer serbischen Sonderpolizei-Einheit für beträchtliche Aufmerksamkeit. Die Gendarmerie-Angehörigen, eine Polizeieinheit, die der Ausrüstung nach im Rang einer Militäreinheit ist, hatten am vorigen Donnerstag geschworen, um den Kosovo zu kämpfen.

Sowohl Dacic als auch Staatspräsident Tomislav Nikolic setzten sich unterdessen für die Änderung dieser Eidesformel ein. Auch Serbien strebt in die EU, die gutnachbarschaftliche Beziehungen für eine Annäherung voraussetzt.

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