Als er die 22 Radfahrer näherkommen sah, sprang ein 33-Jähriger im niederösterreichischen Lassee mit nacktem Oberkörper auf die Fahrbahn, streckte die Arme zur Seite und wachelte wild. Weil nicht alle rechtzeitig ausweichen konnten, kam es zu zwei schweren Stürzen. Die Vorgeschichte zum Ausraster erzählt der reumütige Mann in der Gerichtsverhandlung in Korneuburg. Für die Tat drohten ihm bis zu zehn Jahre Haft.
„Das ist kein alltäglicher Prozess“, sagt die Richterin im Landesgericht Korneuburg über eine Verhandlung um vorsätzliche Gemeingefährdung und schwere Körperverletzung. Vor ihr und den Schöffen nimmt ein 33-jähriger niederösterreichischer Landwirt Platz. Die Staatsanwältin berichtet über die ungewöhnliche Geschichte vom 20. Juli 2023.
Salto über den Lenker
„22 Radrennfahrer waren an diesem Tag in Lassee mit rund 35 km/h auf der Unteren Hauptstraße unterwegs, als der Angeklagte mit nacktem Oberkörper mitten auf die Straße sprang. Sämtliche Fahrer mussten ausweichen, jene in der sechsten Reihe stürzten und verletzten sich teilweise schwer“, sagt sie, „einer machte einen Salto über den Lenker und stürzte in den Graben“.
Als der Angeklagte auf die Fahrbahn sprang, mussten sämtliche Radfahrer ausweichen. Zwei von ihnen stürzten.
Die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer
Wer einen Betrunkenen oder völlig Verwirrten als Täter vermutet, der irrt. Es war der großgewachsene Angeklagte - weder verwirrt noch betrunken. In ruhigen Worten schildert der blonde Landwirt, was vorgefallen war: „Ich bin vier bis fünf Kilometer lang hinter der Gruppe gefahren. Sie haben den gesamten Fahrstreifen in Anspruch genommen. Meine Nerven sind blank gelegen. Vielleicht lag es auch an der großen Hitze an diesem Tag.“
Angeklagter wollte Zigaretten kaufen, doch dann überkam es ihn
Der Mann war mit seinem Transporter auf dem Weg zu den Feldern, um die Beregnungsanlagen zu überprüfen. Nachdem er die Gruppe überholen konnte, blieb er kurz stehen, weil er Zigaretten kaufen wollte. „Da ist es mich überkommen. Ich bin auf die Straße, hab geschrien und meine Arme zur Seite gestreckt.“
Ich war total überlastet mit der ganzen Arbeit. Es war Hauptsaison. 110 Prozent, zwölf Stunden lang. Jeden Tag. Das kann einen an den Rande des Wahnsinns treiben.
Der Landwirt versucht, eine Erklärung für die Kurzschlusstat zu finden.
Warum er denn diesen Unsinn gemacht habe, will Frau Rat wissen? Ihm müsse doch klar gewesen sein, dass dies zu Stürzen führen kann. „Ich war auf der Fahrbahn, um ein Hindernis darzustellen. Ich wollte nicht, dass jemand dadurch ins Krankenhaus muss. Es war eine Kurzschlusshandlung. Ich bin eher ein ruhiger Mensch. Kein Straftäter, sondern ein fleißiger Arbeiter.“
Jetzt bricht es aus dem 33-Jährigen heraus: „So eine Seite an mir kenne ich gar nicht. Aber ich war total überlastet mit der ganzen Arbeit. 110 Prozent, zwölf Stunden lang. Jeden Tag.“ Wegen des bissl Geld mache man den Job sicher nicht. „Aber ich bin Landwirt mit Leib und Seele.“
Schöffensenat spricht mildes Urteil
Die Tat bereue er zutiefst: „Das war falsch. Es tut mir besonders leid.“ Als die Zeugen aus der slowakischen Radgruppe aufgerufen wurden, bekam der Angeklagte einen dunkelroten Kopf. Antipathie war nach wie vor spürbar, zu einer Entschuldigung kam es nicht.
Eines der Opfer sagte, dass es beim Sturz eine Luxation im Schultergelenk sowie einen Bänderriss und Prellungen erlitt: „Zwei Monate lang konnte ich nicht als Schwimmtrainerin arbeiten.“ Auf Schmerzengeld verzichtet die Sportlerin, die Schäden am Rad hätte sie gern ersetzt. Neben den rund 1000 Euro für Reparaturen, kommt der Landwirt mit einer milden Strafe davon: sechs Monate bedingt.
Kommentare
Liebe Leserin, lieber Leser,
die Kommentarfunktion steht Ihnen ab 6 Uhr wieder wie gewohnt zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
das krone.at-Team
User-Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Betreibers/der Redaktion bzw. von Krone Multimedia (KMM) wieder. In diesem Sinne distanziert sich die Redaktion/der Betreiber von den Inhalten in diesem Diskussionsforum. KMM behält sich insbesondere vor, gegen geltendes Recht verstoßende, den guten Sitten oder der Netiquette widersprechende bzw. dem Ansehen von KMM zuwiderlaufende Beiträge zu löschen, diesbezüglichen Schadenersatz gegenüber dem betreffenden User geltend zu machen, die Nutzer-Daten zu Zwecken der Rechtsverfolgung zu verwenden und strafrechtlich relevante Beiträge zur Anzeige zu bringen (siehe auch AGB). Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.